"Heilpflanzen"
"Der Weg, den die Heilpflanzen zu uns
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[Kolumne 39, Zeile 1] ... des
Stieres, zu essen durch den Mann, zu schlucken mit „Extra-Opferbier",
um zu öffnen [39,2] seine beiden Augen und um schwinden zu lassen seine
xnt-Krankheit, indem sie absteigt als seine Schleimstoffe. |
Übersetzung der Tafel 39 aus
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Wenn Du untersuchst [39,13] einen, der verstopft ist an seinem Magen, und Du findest, dass er verstopft ist und blockiert, sein Herz ist Hws (beengt?) und [39,14] sein Magen, er ist staubtrocken. Dann sollst Du dazu sagen: Es ist ein Blutnest, das noch nicht gefestigt ist. Dann sollst Du veranlassen, [39,15] dass es absteigt durch ein Heilmittel. Du sollst für ihn machen:sam-Pflanze 1/8, prt-Snj-Pflanze 1/16, jSd-Frucht [39,16] 1/8, SASA-Pflanze 1/8; kochen in „Extra-Opferbier", durchpressen zu einer einheitlichen Masse. [39,17] Es geht ab dieser Fall entweder durch seinen Mund oder durch seinen After wie [39,18] Blut vom Schwein, nachdem es erhitzt ist. Natürlich hast Du ihm darauf angelegt einen Verband, [39,19] damit es gerinnt, noch bevor Du dieses Mittel anwendest. Dann sollst Du für ihn machen [39,20] eine begleitende Salbe aus Stierfett, Samenkörnern des Selleries, SAwjt-Pflanze, [39,21] Myrrhenharz und aAgt-Harz; zerreiben und damit verbinden. Wenn Du einen Mann untersuchst, der an seinem Magen leidet ... |
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Bis zum 8. – 7. Jahrhundert v. Chr. sind keine
schriftlichen Quellen zur Kräutererkenntnis überliefert. Doch sind diese „Pharmaka" nicht bekannt und daher nicht zu bestimmen. Mit Sicherheit ist allerdings nachzuvollziehen, dass im 8. – 7. Jh. v. Chr., der Entstehungszeit der Epen, andere Krankheiten als willentlich zugefügte Wunden als Schicksal und von den Göttern gegeben angesehen wurden. Daher wäre menschliches Eingreifen vermessen gewesen, die einzige Hoffnung auf Heilung bestand in göttlicher Hilfe. Das homerische Pharmakon ist in seiner doppelten Bedeutung als „Heilmittel" und als „Gift" typisch für die schwierige Bestimmung dessen, was als Heilmittel anzusehen war: Eigentlich alles was eine Wirkung verursachte; erst die Dosis entschied, ob es heilsam oder tödlich war. Archäologisch lassen sich für das 8. – 7. Jhd. v. Chr. Handelsbeziehungen nachweisen, die auf dem Seeweg Kenntnisse über Heilpflanzen, deren Anbau und Vorkommen von Ägypten über Kreta und Zypern zum griechischen Festland und Kleinasien gebracht haben. Unter dem Herrscher Nebukadnezar (+562 v. Chr.) ist die mesopotamische Stadt Babylon ein bedeutendes Handelszentrum und Knotenpunkt zahlreicher Handelswege. Nach dessen Tod wird die Vormachtstellung der Griechen immer deutlicher, und vor allem von Alexander dem Großen (356 – 323 v. Chr.) in seinen zahlreichen Feldzügen ausgebaut. Nun liegen die Handelszentren nicht mehr an der phönizischen Küste, sondern in Ionien, Kilikien, Lydien und der griechischen Haupt- und Hafenstadt Alexandria. Von dort aus erfolgen Exporte in den gesamten Mittelmeerraum, vor allem jedoch nach Griechenland und Rom. Der griechische Arzt Hippokrates (460-370 v. Chr.) beschreibt in seinen gesammelten Schriften (Corpus Hippocraticum) Kenntnisse und Anwendungen von Kräutern, die bislang mündlich weitergegeben und im Hausgebrauch („Volksmedizin") angewendet wurden. Seine Schriften geben nicht nur Informationen über Heilpflanzen, sondern auch über Massenerkrankungen (Epidemien) und individuelle Krankheitsverläufe. Hippokrates schafft auf der theoretischen Grundlage der Naturphilosophie des 6. – 5. Jhd .v. Chr. ein neues Bild vom Menschen und dessen Krankheiten. So wie die Welt nach der Lehre des Empedokles von Agrigent (450 v. Chr.), dem letzten Naturphilosophen, aus vier Grundelementen besteht (Feuer, Wasser, Luft und Erde), so wirken im Menschen vier Säfte, die bestimmten Organen entspringen: Es sind Blut, Schleim, gelbe und schwarze Galle. Sie durchfließen den Menschen und lösen in ungünstiger Zusammensetzung seine Krankheit aus. Dieses Missverhältnis gilt es, in harmonischen Einklang zu bringen. Hippokrates und seine Schüler haben aus den philosophischen Ansätzen und neuen medizinischen Erkenntnissen eigene Therapieformen entwickelt: Das Abschröpfen der schlechten Säfte, die Diätlehre und in besonderem Maße das Verabreichen von Kräutern mit reinigenden, abführenden bzw. guten Säften zuführenden Wirkungen. Alle nachfolgenden Quellen bis zum letzten großen Arzt der Antike, Galenos von Pergamon (2. Jhd. n. Chr.) bauen auf der hippokratischen Lehre auf. Sie enthalten keine neuen Ansätze zum Krankheitsbild, sondern vermehren Umfang und Kenntnis der Heilkräuter. Kannte Hippokrates im 5. Jhd. v. Chr. "nur" 236 Pflanzennamen, sind es bei dem griechischen Arzt Dioskurides von Anazarba, der im 1. Jhd. n. Chr. in Rom tätig war, schon 600 zitierte Kräuter. Das umfangreiche Werk des Philosophen und Aristoteles Schülers Theophrast (370-287 v. Chr.) über die „Naturgeschichte der Gewächse" teilt uns Gestalt und Vorkommen bislang unbekannter Pflanzen mit. Nach seinen Angaben konnte es gelingen, Heilkräuter in der Natur zu erkennen und gezielt ihre Vermehrung in „botanischen Gärten" zu betreiben. So war es nicht mehr nötig, für den Erwerb aller Kräuter weite Handelswege zu beschreiten. Neben der heilenden Wirkung der Pflanzen erwachte im 1. Jhd. v. Chr. ein reges Interesse an giftigen Pharmaka , die eingesetzt wurden, um Menschen zu vergiften oder als Gegenmittel eben vor Giftattentaten zu schützen. Das berühmteste dieser Gegengifte ist das Mithridatium, das aus 52 unterschiedlichen Substanzen besteht. Unter anderem waren in ihm Kardamon, Anis, getrocknete Rosenblätter, Mohnsaft, Kassia, Petersilie, Pfeffer enthalten. Kurz alles, was die Gewürz- und Kräuterküche zu bieten hatte. Die Erfindung der „Wundermischung" geht auf Krateuas (um 100 v. Chr.), den begabten Leibarzt des Mithridates VI von Pontos, zurück. Der Giftmord als Mittel der Politik veranlasste Mithridates zu eigenen Studien auf diesem Gebiet. Pompeius ließ daher nach Mithridates Tod auch seine Bücher, einen "Giftschrank" in mehr als einem Sinne, nach Rom bringen und zum Nutzen der römischen Ärzte ins Lateinische übersetzen. Der für seine Angst vor Giftmorden bekannte römische Kaiser Nero, ließ das Mittel noch um weitere 12 Substanzen (u. a. Vipernfleisch) bereichern und damit seine Wirkung, wie er meinte, verbessern. Im Mittelalter genoss die Weiterentwicklung des Mithridatiums unter dem Namen Theriak (Theriacum Andromachi), nach dem Leibarzt des Nero benannt, allerhöchsten Ruf und war in gewissen Kreisen sehr gefragt. Im 1. Jhd. nach Chr. erschien die erste illustrierte Kräuterkunde. Das Buch Materia medica (Arzneimittellehre) des erfahrenen Miltärarztes und Botanikers Dioskurides verkörpert den Durchbruch der Pharmakopoe. Er widmete seine Arzneimittellehre einem Kollegen, dem Asklepiaden Areios, und begründete in der Vorrede, warum er trotz seiner bedeutenden Vorgänger ein neues Buch schreiben wollte: Er vermisste eine Zusammenstellung von Heilmitteln, bei der pflanzliche und mineralische Wirkstoffe gleichermaßen berücksichtigt, gut beschrieben und systematisch dargestellt seien. "Vor allem ist es notwendig, mit Sorgfalt bedacht zu sein auf die Aufbewahrung und das Einsammeln eines jeden Mittels zu der ihm angepassten geeigneten Zeit . Denn davon hängt es ab, ob die Arzneien wirksam sind oder ihre Kraft verlieren. Sie müssen nämlich bei heiterem Himmel gesammelt werden; denn es ist ein großer Unterschied darin, ob die Einsammlung bei trockenem oder regnerischem Wetter geschieht, wie auch ob die Gegenden gebirgig, hochgelegen, den Winden zugängig, kalt und dürr sind, denn die Heilkräfte dieser (Pflanzen) sind stärker. Die aus der Ebene, aus feuchten schattigen und windlosen Gegenden sind zumeist kraftloser, um so mehr, wenn sie zur ungeeigneten Zeit eingesammelt oder aus Schlaffheit hingewelkt sind. Auch ist freilich nicht außer Acht zu lassen, dass sie oft durch die gute Bodenbeschaffenheit und das Verhalten der Jahreszeit früher oder später ihre volle Kraft haben. Einige lieben die Eigentümlichkeit, dass sie im Winter Blüten und Blätter treiben, andere blühen im Jahre zweimal. Wer hierin Erfahrung sammeln will, der muss dabei sein, wenn die neuen Sprosse aus der Erde kommen, wenn sie sich im vollen Wachstum befinden und wenn sie verblühen..." |
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Er beschreibt 600 Kräuter und 1000 Anwendungsmöglichkeiten. Auch die Zutaten selbst verwundern den modernen Leser. So empfiehlt der griechische Arzt gerne das Beimischen von Schlangen- oder Schneckenfleisch, Ochsengalle und anderen tierischen Bestandteilen. Ebenso wenig fehlen in seinen Anleitungen Bleioxide, Kupferacetat und weitere Metallverbindungen, deren hohe Giftigkeit damals noch nicht bekannt war. Sein Werk wurde zur meistbenutzten Arzneimittellehre nicht nur der Antike, sondern auch des Mittelalters und der frühen Neuzeit. Zahlreiche Handschriften sind erhalten, auch in lateinischer und arabischer Übersetzung. Das schönste Exemplar wurde vor 512 n. Chr. in
Konstantinopel für die byzantinische Prinzessin Anikia Iouliana
hergestellt und gelangte auf verschlungenen Wegen nach Wien. Im 6. Jhd. n. Chr. wurde während der justitianischen
Pestwellen fast das ganze öffentliche Leben in Mitteleuropa lahm gelegt.
Viel Wissen ging verloren. Um die Zeit Karls des Großen (800 n. Chr.) wurde das erste Werk der Klostermedizin auf deutschem Boden geschrieben, das "Lorscher Arzneibuch" |
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