Taschengeldparagraf

§ 110 BGB [Vertragsschluss durch Bewirken der vertragsmäßigen Leistung, Taschengeldparagraf]

Ein von dem Minderjährigen ohne Zustimmung des gesetzlichen Vertreters geschlossener Vertrag gilt als von Anfang an wirksam, wenn der Minderjährige die vertragsmäßige Leistung mit Mitteln bewirkt, die ihm zu diesem Zwecke oder zu freier Verfügung von dem Vertreter oder mit dessen Zustimmung von einem Dritten überlassen worden sind.

Der Fall:

Ein 16-jähriger kauft einen Rucksack zum Preis von 40 EUR [1]. Ist der Vertrag wirksam?

In der Fallbeschreibung heißt es, er habe den Rucksack "von dem Geld seiner Eltern" gekauft. Welche Möglichkeiten der Beurteilung ergeben sich daraus?

Im Internet-Diskussionsforum wurde geltend gemacht: "Sollte der Jugendliche einen "falschen" Rucksack gekauft haben, d.h. von den Vorgaben der Eltern bzgl. Qualität o.ä. abgewichen sein, wurde das Geld NICHT zu DIESEM Zweck überlassen. Folge: Das Geschäft hängt von der Genehmigung der Eltern ab, eine Rückgabe ist möglich." Stimmt das?

 

Die Lösungen:

Zur Lösung eines solchen Falls steht auch dem Richter nicht mehr zur Verfügung, als der Gesetzestext und die Einschätzung des konkreten Falls.

Der Fall an sich ist klar: 40 EUR liegen durchaus im Taschengeld-Bereich eines Jugendlichen, zumal es sich um eine Anschaffung handelt, die so nicht jeden Tag vorkommt und für die evtl. noch Erspartes verwendet wird. Also: Der Kauf ist gültig, der Vertrag wirksam.

In der Fallbeschreibung hieß es, er habe den Rucksack "von dem Geld seiner Eltern" gekauft. Wenn das so zu interpretieren ist, dass er sich das Geld einfach genommen hat, ist der Rahmen dessen, was ihm ausdrücklich "überlassen" worden ist, verletzt. Der Vertrag ist nichtig. Aber welche Eltern geben schon gerne zu, dass sie bestohlen wurden. Wenn das so zu interpretieren ist, dass der Jugendliche das Geld "von seinen Eltern" bekommen hat, fällt der Kauf nach wie vor unter den Taschengeldparagrafen, ist also gültig.

Das Argument im Diskussinsforum, der Jugendliche habe das Geld nicht für DIESEN Rucksack, sondern für einen anderen, qualitätvolleren, bekommen, ist barer Unfug. Es kann allenfalls für ein acht- oder zehnjähriges Kind gelten, aber nicht für einen Jugendlichen, der den Moped-Führerschein machen darf. Der Vertrag ist gültig, und die Eltern sollten ihren Sohn schnellstmöglich über die Qualitätsbeurteilung von Waren aufklären.


1 Der Fall war Thema in einem Diskussionsforum Wer weiß was