Der Bundespräsident
Rechte und Aufgaben des Bundespräsidenten. Materialien und Links anlässlich der Wahl des Bundespräsidenten am 29.6.2010
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Die Aufgaben des Bundespräsidenten im parlamentarischen System der Bundesrepublik, Deutschland ergeben sich zunächst aus Art. 59 GG, nach dem er als Staatsoberhaupt die Bundesrepublik nach außen völkerrechtlich vertritt (Satz 1), dann, in derselben Funktion als Repräsentant des Staates selbst, aus Art. 60, nach dem er die Bundesbeamten sowie die Bundesrichter und die Offiziere und Unteroffiziere ernennt und entlässt. Ebenso ernennt und entlässt er den Bundeskanzler und die Bundesminister (Art. 63,2 und 64,1). Ersteren schlägt er dem Bundestag zur Wahl vor (Art. 63,1). Nach Art. 82 werden die vom Bundestag (und evtl. vom Bundesrat) verabschiedeten Gesetze „vom Bundespräsidenten nach Gegenzeichnung ausgefertigt“ und erlangen erst dann (und nach der Verkündung im Bundesgesetzblatt) rechtliche Gültigkeit.
Darüber hinaus steht ihm auch das Recht zu, den Bundestag aufzulösen, wenn die Wahl eines Bundeskanzlers scheitert (Art. 63, Absatz 4 – Wahl des Bundeskanzlers – und Art. 68, Absatz 1 – Konstruktives Misstrauensvotum). Auf letzteren Fall bezieht sich auch die Befugnis des Bundespräsidenten, „auf Antrag der Bundesregierung mit Zustimmung des Bundesrates für eine Gesetzesvorlage den Gesetzgebungsnotstand [zu] erklären“.
Schließlich und endlich hat auch der Bundespräsident – wie alle anderen Staatsoberhäupter – das Recht, einen verurteilten Straftäter zu begnadigen (Begnadigung nach Art. 60, 2 GG), das heißt in aller Regel, ihn vorzeitig und ohne Richterspruch aus der Haft zu entlassen. Dieses Recht ist ausschließlich ein Einzelfallrecht und kann in keinem Fall auf eine allgemeine Amnestie ausgeweitet werden.
Diese verschiedenen Befugnisse sind nach den Entscheidungsmöglichkeiten des Bundespräsidenten zu differenzieren. Der Text des GG unterscheidet hier zwischen klaren Handlungsanweisungen („ernennt und entlässt“) und Formulierungen, die einen gewissen Handlungsspielraum implizieren („kann entlassen“).
Zum ersten sind hier seine nicht diskutierbaren Amtspflichten als Staatsoberhaupt zu nennen, zu denen selbstverständlich die völkerrechtliche Vertretung des Staates gehört. Dazu gehört auch die Pflicht, den gewählten Bundeskanzler zu ernennen („Der Gewählte ist vom Bundespräsidenten zu ernennen.“, Art. 63,2, „… so muss der Bundespräsident ihn binnen sieben Tagen nach der Wahl ernennen“). Auch die Formulierung über die Ernennung der Bundesminister („Die Bundesminister werden auf Vorschlag des Bundeskanzlers vom Bundespräsidenten ernannt und entlassen“, Art. 64,1) lässt keinen Gestaltungsspielraum erkennen.
Keinen Spielraum hat der Bundespräsident auch, wenn er dem Bundestag einen Kandidaten für die Wahl zum Bundeskanzler vorschlägt. Er ist darin keineswegs so frei wie etwa der italienische Staatspräsident, der einem Parteipolitiker den Auftrag zur Regierungsbildung gibt. Die Auswahl des Kanzlerkandidaten trifft in der politische Realität der Gegenwart der Wähler bei der Bundestagswahl, und diese (nicht in der Verfassung vorgesehene) Wahl wird durch die Entscheidung der Parteien über die Person des Kanzlerkandidaten vorher gelenkt.
Eine Entscheidungsmöglichkeit hat der Bundespräsident, wenn bei der Bundeskanzlerwahl der Kandidat auch im dritten Wahlgang die erforderliche Mehrheit nicht erreicht. Dann „hat der Bundespräsident binnen sieben Tagen entweder ihn zu ernennen oder den Bundestag aufzulösen.“ (Art. 64,4).
Auch wenn die Verfassung selbst in Art. 82 keine Entscheidungs- oder Prüfungsrechte des Bundespräsidenten bei der Ausfertigung von Gesetzen nennt, gehört sowohl die substanzielle als auch die verfahrensmäßige Prüfung der Gesetze auf ihre Verfassungsgemäßheit von Anfang an zu den Rechten des Bundespräsidenten. Allerdings darf dieses Recht (selbstverständlich) nicht insofern politisch missbraucht werden, dass er Gesetze ablehnen könnte, nur weil er mit ihrem Inhalt nicht einverstanden ist – das wäre ein Vetorecht, vergleichbar dem des amerikanischen Präsidenten.
Auch das Begnadigungsrecht (Art. 60,2) ist ein Recht, das seiner persönlichen (und natürlich durch intensive Beratung gestützten) Einschätzung unterliegt. Allerdings beschränkt es sich auf Fälle, in denen ausdrücklich Interessen des Staates Bundesrepublik Deutschland berührt sind (Staatsschutzdelikte), da in allen anderen Fällen die Gerichts- und damit auch die Gnadenhoheit bei den Ländern liegt.
In allen Fällen, die einer solchen Einschätzung unterliegen, muss der Bundespräsident sich – nicht zuletzt durch die Medien – fragen lassen, warum er zu dieser oder jener Entscheidung gekommen ist. Der Respekt vor dem Amt schließt eine politische Bewertung seiner Entscheidungen nicht aus.
Insgesamt hat also der Bundespräsident ungleich weniger Rechte als andere Staatspräsidenten – was wiederum auf die Erfahrung der Väter des Grundgesetzes mit der politischen Praxis in der Zeit der Weimarer Republik zurückgeht. Das ist die historische Wurzel der „Kanzlerdemokratie“ des Grundgesetzes. Diese im Grunde politisch schwache Stellung verbietet es auch letztlich, die Person des Bundespräsidenten dem Volk zur Direktwahl vorzulegen. Ein vom Volk gewählter Präsident würde, mit diesem direktdemokratischen Auftrag versehen, von Anfang an eine Stellung innehaben, die mit dem Zuschnitt des Grundgesetzes nicht vereinbar ist.
Was allerdings nicht in der Verfassung steht, aber der persönlichen Ausfüllung des höchsten Amts im Staat unterliegt, ist das (ungeschriebene) Recht des Bundespräsidenten, durch Reden und Gespräche auf das gesellschaftliche Bewusstsein in Deutschland einzuwirken, Maßstäbe zu setzen oder Entwicklungen zu kommentieren. Seine Verpflichtung zur parteipolitischen Neutralität gibt ihm dabei die Möglichkeit, über die herkömmlichen Parteigrenzen hinweg zu argumentieren.
Gewählt wird der Bundespräsident von der Bundesversammlung, die ausschließlich zu diesem Zweck zusammentritt, nach der Wahl auseinandergeht und weiter keine Aufgaben im Staat hat. Sie besteht zum einen aus allen Abgeordneten des Deutschen Bundestags (derzeit 622) sowie derselben Anzahl von Mitgliedern der Landesparlamente. Da die Gesamtzahl der Abgeordneten in den Landesparlamenten viel höher ist, müssen diese in eigenen Entsende- (Wahl-)Verfahren Delegierte benennen, die die Wahl vornehmen.
Da nun zum Zeitpunkt der Wahl die Stimmverhältnisse im Bundestag und den Landtagen, damit auch die Stimmenverhältnisse in der Bundesversammlung klar sind, müsste „eigentlich“ auch klar sein, welcher Kandidat welcher Parteiengruppierung (Koalition/ Opposition) eine Mehrheit hinter sich bekommt. Doch steht der Forderung nach Parteidisziplin der hohe Anspruch und die hohe Reputation dieser Wahl gegenüber, so dass ein Abweichen von der Mehrheitsmeinung immer möglich ist. Überraschungen in dem Sinn, dass der Kandidat der Opposition die Wahl gewonnen hätte, gab es jedoch in der Geschichte der Bundesrepublik noch nicht.