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Familie und Sippe

Im Zentrum chinesischen Daseins stand die Großfamilie, die streng hierarchisch geordnet war: Die ältere Generation hatte Vorrang vor der jüngeren, der Ältere hatte innerhalb derselben Generation Vorrang vor dem Jüngeren, Männer standen über Frauen. Der Rangniedrigere schuldete dem Ranghöheren Gehorsam. Jedem Familienmitglied wurden Respekt vor dem Alter und den Traditionen der Vergangenheit eingeschärft.

Bedeutete die Familie (und die Sippe) einerseits Kontrolle, Unterordnung und Gehorsam, bewirkte sie andererseits aber auch Schutz, Unterstützung und Geborgenheit. Im Mittelpunkt stand die Gemeinschaft, nicht das Individuum. Konformismus zählt in solchen Verhältnissen.

Die Großfamilie mit einigen Dutzend Menschen unter einem Dach beschränkte sich aber auf die Oberschicht, normalerweise bestand die Familie aus Elternpaar, Kindern und Großeltern, schwankte zwischen 4 und 7 Personen und bildete in Handwerk, Handel und Landwirtschaft im Normalfall eine Produktionseinheit.

"Die Angehörigen einer Sippe stammten väterlicherseits von demselben Ahnherrn ab, trugen denselben Familiennamen und lebten gewöhnlich in derselben Gegend, oft im gleichen Dorf zusammen" (Mehnert, a.a.O., S. 76). Die Größe der Sippe war unterschiedlich, teils umfasste sie ein paar hundert Mitglieder, teils mehrere tausend. Entscheidend war, ob ein Sippenangehöriger es zu Amt und Würden gebracht hatte, denn Einfluss und Reichtum kamen allen Sippenmitgliedern zugute. Alle hatten Anspruch auf Unterstützung durch die Sippe.

Die Aufgaben der vom Sippenrat geführten Sippe "waren ideeller und praktischer Natur. Zu den ideellen gehörte vor allem die Ahnenverehrung, das gemeinsame Feiern von Festen, die Führung genealogischer Bücher [...]; zu den materiellen Aufgaben die Unterhaltung von Schulen, die Unterstützung alter oder kranker, die Ausbildung begabter Sippengenossen, die man auch auf Kosten der Sippe zu den privaten Prüfungen schickte, die Sorge für Bewässerungsanlagen, Dämme, Brücken und andere Bauarbeiten. [...] Weiter wachte die Sippe über Sitte und Ordnung und bestrafte Missetäter aus ihren Reihen, in extremen Fällen sogar mit dem Tode. [...] Für gute Söhne und ehrbare Witwen errichtete die Sippe Gedenktore; sie schlichtete Streitigkeiten unter ihren Mitgliedern und stellte häufig sogar einen bewaffneten Selbstschutz auf, eine Art Sippenmiliz. Als materielle Basis für ihre zahlreichen Ausgaben diente der Landbesitz, welcher der Sippe als solcher gehörte (also unabhängig vom Privatbesitz der einzelnen Mitglieder) und zumeist aus Stiftungen reicher Mitglieder bestand" (ebd., S. 76f.).


Quelle: Klaus Mehnert: Peking und Moskau, Stuttgart, 2. Auflage Stuttgart, 1966


Aufgaben

1. Familien und Sippen entlasteten den Staat enorm. Nenne Beispiele.

2. In China grassierte und grassiert noch die Korruption. Zeige, welche familiären und Sippenstrukturen dies begünstigen.

3. Erkläre, inwiefern in den oben geschilderten Verhältnissen Ursachen für die Stagnation der alten chinesischen Gesellschaft liegen.


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