China multiperspektivisch im Geschichtsunterricht – Die Lernmaterialien der China-Schul-Akademie
China multiperspektivisch
Die China-Schul-Akademie an der Universität Heidelberg ist ein vom Bundesministerium für Bildung und Forschung gefördertes Projekt, das die multiperspektivische und kritische Beschäftigung mit China an deutschen Schulen im Fachunterricht (z. B. Geschichte, Politik, Geografie etc.) fördern soll. Die China-Schul-Akademie entwickelt hierfür Lernmaterialien und Fortbildungsangebote, um Lehrerinnen und Lehrer bei der Beschäftigung mit China zu unterstützen. Die Lernmaterialien werden unter www.china-schul-akademie.de zur freien Verwendung zur Verfügung gestellt. Einige Materialien sind passgenau zu den inhaltsbezogenen Kompetenzen des Bildungsplans „China – Ein Imperium im Wandel“ für den Geschichtsunterricht in Klasse 10 an Gymnasien.
Die Chinesische Mauer bei Jinshanling, ca. 120 Kilometer nordöstlich von Peking. |
Lernmaterialien zur chinesischen Geschichte
Einen Überblick über die jüngere chinesische Geschichte seit 1800 gibt das Lernmodul Zeitleiste. Mit Texten, Bildern und Videos sind hier Ereignisse, Entwicklungen, Personen und Objekte der chinesischen Geschichte seit 1800 zusammengestellt. Neben einem Fokus auf Politik und die Außenbeziehungen finden sich auch Einträge zu den Bereichen Gesellschaft, Kultur, Wirtschaft und Wissenschaft. Auch auf die Geschichte Taiwans und Hongkongs wird (unter dem Stichwort „Greater China“) eingegangen.
Definition „Greater China“ Greater China („Großchina“) meint einen Raum, der die Volksrepublik China (Festlandchina), Hongkong, Macao, die Republik China (Taiwan) und auch Singapur sowie Auslandschines*innen in aller Welt umfasst. Dieser Raum lässt sich unterschiedlich definieren – je nachdem, ob man aus einer wirtschaftlichen, einer politischen oder einer historisch-kulturellen Perspektive auf ihn blickt. Ursprünglich entwickelte sich der Begriff in den 1980er-Jahren, als der Handel und die wirtschaftlichen Beziehungen zwischen der VR China, Taiwan, Hongkong und Singapur stark anwuchsen. Auch in Europa und den USA wurde diese Entwicklung aufmerksam verfolgt und Greater China genannt. Aus politischer Sicht gibt es jedoch wenig, dass die Staaten und Regionen Greater Chinas aneinander bindet – sie haben unterschiedliche politische Systeme. Es ist vielmehr die Idee einer chinesischen Nation, der alle Han-Chines*innen (die auch auf Taiwan und in Singapur die Mehrheit der Bevölkerung und die Elite in Politik, Wirtschaft und Gesellschaft stellen) angehören, die manche in Greater China von einem politischen Greater China sprechen oder träumen lässt. Im wissenschaftlichen Gebrauch hat sich der Begriff hingegen als wertneutraler Oberbegriff für den chinesischsprachigen Raum etabliert. |
Die Zeitleiste deckt die inhaltsbezogenen Kompetenzen „informeller Imperialismus“, „Entstehung der Volksrepublik China“ sowie die „Reformen seit Deng Xiaoping“ des Bildungsplans ab. Die auf wissenschaftlicher Literatur basierenden Zeitleisteneinträge können als Hintergrundinformationen verwendet werden oder auch als Grundlage für eine eigenständige Erarbeitung durch die Schülerinnen und Schüler dienen. Zu jedem Zeitleisteneintrag finden sich auch Materialien wie Bilder, Karten, Videos oder kurze Quellenausschnitte, die in den Unterricht integriert werden könnten. Wie bei allen Lernmodulen der China-Schul-Akademie finden sich auch zur Zeitleiste methodisch-didaktische Hinweise mit Anregungen zur Umsetzung im Unterricht.
Screenshot der Zeitleiste (China-Schul-Akademie) zu China und der Erste Weltkrieg |
Intensiver mit dem Standard „China als Beispiel für informellen Imperialismus charakterisieren können“, beschäftigt sich das Lernmodul China in der Kolonialzeit: Das Beispiel Qingdao. Am Beispiel der deutschen Kolonie Qingdao (zeitgenössische Umschrift Tsingtao) können die Charakteristika der Beziehungen zwischen China und dem Ausland im 19. und frühen 20. Jahrhundert erarbeitet werden. Im Mittelpunkt des Lernmoduls stehen dabei als Quellen die verschiedenen Sichtweisen chinesischer Intellektueller auf die deutsche Kolonie in China. Wie unterschiedlich dabei die Urteile ausfallen konnten, zeigen die Äußerungen von Sun Yatsen (1866-1925), der Gallionsfigur der chinesischen Revolution 1911, und Zhu Qi (1858-1931), dem Herausgeber einer chinesischen Zeitung in der deutschen Kolonie. Während Zhu 1908 in einem Editorial die unterdrückerischen und willkürlichen Seiten der deutschen Kolonialherrschaft betonte, war Sun bei seinem Besuch in der Kolonie 1912 von der Ordnung und Infrastruktur dort beeindruckt und bezeichnete diese sogar als Vorbild für ganz China. Die Aussagen zeigen die Janusköpfigkeit zeitgenössischer Urteile über Chinas Beziehungen zum Ausland in der Kolonialzeit. Die unterdrückerische Seite spielt bis heute in der offiziellen Geschichtsschreibung der Volksrepublik China eine wichtige Rolle. Gleichzeitig war und ist das Ausland aber auch ein Vorbild, auf das genau geschaut, von dem gelernt und Ideen adoptiert werden.
Um China zur Kolonialzeit und den Umgang mit diesem Abschnitt der Vergangenheit in der Volksrepublik China heutzutage geht es im Lernmodul China und das Ausland im Spiegel chinesischer Karikaturen. In Gegenüberstellung der – auch in mehreren Geschichtsbüchern abgedruckten – Karikatur „Ein Bild der aktuellen Lage“ (Shiju tu, um 1898) und einer aktuellen nationalistischen Karikatur aus dem Jahr 2021 lassen sich nicht nur der Wandel der Beziehungen zwischen China und dem Ausland in den letzten hundert Jahren erarbeiten, sondern auch, welche Rolle die Geschichte für die Legitimation der Kommunistischen Partei Chinas spielt. Eine Besonderheit der Lernmaterialien der China-Schul-Akademie ist, dass es zu jedem Material „Weiterführende Informationen“ gibt, die unter anderem Herkunft und Rezeption der Quellen einordnen. Gemeinsam mit der „Thematischen Einführung“ in jedem Lernmodul vermitteln diese Einordnungen grundlegendes Hintergrundwissen für Lehrerinnen und Lehrer.
Die Lernmaterialien der China-Schul-Akademie versuchen dabei auch aktuelle Themen in ihrer historischen Tiefe zu erfassen – ähnlich formuliert es auch der Bildungsplan: „Die Schülerinnen und Schüler können Strukturen und aktuelle Herausforderungen der chinesischen Gesellschaft aus ihrer Geschichte […] erklären“. Auch in den Lernmodulen zum Umgang mit den ethnischen Minderheiten in der Volksrepublik China, zum politischen System der Volksrepublik China oder zu queerem Leben in China (Link extern) sind daher Informationen oder Materialien für den Geschichtsunterricht zu finden. Materialien zur chinesischen Geschichte lassen sich auch über die Kategorie „Geschichte“ auf der Überblicksseite aller Materialien finden. So beispielsweise ein Text zum Beamtenprüfungssystem im chinesischen Kaiserreich und Quellen von europäischen Denkern des 18. Jahrhunderts, die die Verwaltung des chinesischen Kaiserreichs als Vorbild ansahen.
Lernorte mit China-Bezug
Die Lernortkarte (Link folgt in Kürze) ermöglicht einen Überblick vieler Orte mit China-Bezug in ganz Deutschland – darunter auch viele in Baden-Württemberg: Dabei handelt es sich neben den drei sinologischen Instituten in Freiburg, Heidelberg und Tübingen mit angegliederten Bibliotheken beispielsweise auch um Museen mit Exponaten, die über die deutsch-chinesischen Beziehungen in der Vergangenheit erzählen: Im 17. und 18. Jahrhundert waren zum Beispiel sogenannte Chinoiserien – chinesische Kunst oder Nachahmungen chinesischer Kunst – an vielen Fürstenhöfen in Europa sehr beliebt und fürstliches Statussymbol. Die ostasiatischen Exponate in ethnologischen Sammlungen in Stuttgart, Offenburg oder Heidelberg wiederum stammen teilweise aus kolonialen Kontexten wie dem sogenannten „Boxerkrieg“ 1900/1901. Selbst mitten auf der schwäbischen Alb, in Steinheim am Albuch, sind im Heimatmuseum Objekte aus China zu sehen, die ein Soldat aus China „mitbrachte“. Auch Straßennamen und Denkmäler erinnern in Baden-Württemberg und auch im Rest Deutschlands an die deutschen Soldaten, die an der Niederschlagung der „in Rechtschaffenheit vereinten Milizen“ (im Ausland als „Boxer“ bekannt) beteiligt waren und dabei auch Gewaltakte gegen die chinesische Zivilbevölkerung verübten. Die Lernortkarte liefert also Anregungen für eine Auseinandersetzung mit Fragen des kulturellen Erbes und seiner Provenienz und dem Umgang mit der deutschen kolonialen Vergangenheit im Geschichtsunterricht (der Kursstufe 2/12.2) am Beispiel China. Die Karte zeigt außerdem, dass sich in unserer Umgebung oft Spuren der historischen Beziehungen zwischen Deutschland und China finden – das China und die chinesische Geschichte uns also vielleicht gar nicht so „fern“ ist, wie es manchmal erscheint.
Weitere Angebote
Die China-Schul-Akademie hat eine Linkliste erstellt, in der online zugängliche Informationsquellen zu China bewertet und eingeordnet werden. Über verschiedene Filter lassen sich beispielsweise deutsch- und englischsprachige Medien mit China-Berichterstattung (Kategorie: „Medien“) oder kostenlos verfügbare Lernmaterialien zur chinesischen Geschichte (Tag: „Geschichte“) anzeigen.
Auf der Webseite der China-Schul-Akademie wird über Fortbildungen der China-Schul-Akademie und Veranstaltungen zu China informiert.
Auch in Fächern wie Erdkunde, Gemeinschaftskunde oder Wirtschaft lassen sich die Lernmaterialien der China-Schul-Akademie verwenden.
Großer Dank gilt dem Team der China-Schul-Akademie an der Universität Heidelberg für die kollegiale Kooperation bei der Erstellung dieses Moduls.
Herausgeber: Landesbildungsserver Baden-Württemberg
Quelle: https://www.schule-bw.de
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