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Historische Wurzeln im 19. Jahrhundert

Damit sich moderne Staaten in supranationale Organisationen integrieren, müssen diese erst einmal vorausgesetzt werden. Das heißt im Umkehrschluss, dass ohne die Entstehung des modernen Nationalstaates die politische Integration nicht möglich ist. Deshalb ist es bei allen gemeinsamen Wurzeln, die die Europäer miteinander teilen, sinnvoll, den historischen Anfang der Integration mit dem Wiener Kongress zu setzen, denn dort entstand ein Netz völkerrechtlicher Verbindlichkeiten zwischen Staaten, die von nun an in einer Vielzahl von Organisationen kooperierten. In dem Augenblick, als diese Staaten Kompetenzen an diese Organisationen abgaben, ist der Integrationsprozess in vollem Gange.

Als erste Organisation ist hier die Zentralkommission für die Rheinschifffahrt zu nennen, die bereits auf dem Wiener Kongress geschaffen wurde und bis zum heutigen Tag besteht. Alle Fragen, die die Schifffahrt auf dem Rhein betreffen, z.B. die Sicherheit sowie die Freiheit als Wasserstraße, werden hier geregelt. Seit 1856 existiert parallel hierzu die Europäische Donaukommission. Weitere supranationale Institutionen, die bis zum Ende des 19. Jahrhunderts gegründet wurden, sind 1865 die Lateinische Münzunion, eine Währungsunion zwischen Frankreich, Belgien, Italien, der Schweiz und Griechenland, gefolgt von der Skandinavischen Münzunion 1872.

Vertragsurkunde der Lateinischen Münzunion von 1865

Eine ganze Reihe von internationalen Organisationen, die zur Standardisierung in verschiedenen Bereichen beitrugen, ergänzten das Bild: seit 1874 schuf der Weltpostverein ein einheitliches Postgebiet, ab 1893 ermöglichte das Zentralamt für internationalen Eisenbahnverkehr einen reibungslosen grenzüberschreitenden Zugverkehr (Zentralamt für internationalen Eisenbahnverkehr), 1865 begann mit dem internationalen Telegraphenverein die Zusammenarbeit im Bereich der Telekommunikation und 1886 markiert den Anfang des internationalen Urheberschutzes durch die sog. Berner Übereinkunft.

Eine zentrale Stellung für die Liberalisierung des Handels und die Öffnung der Märkte in Europa stellt der sog. Cobden-Chevalier-Vertrag von 1860 dar: Die sog. Meistbegünstigungsklausel sah vor, dass dem Handelspartner alle Vorteile gewährt werden, die dritte Staaten besitzen - mit diesem Instrument wurde faktisch Freihandel eingeführt, denn die zuvor hohen Zölle wurden massiv reduziert. Nicht umsonst spricht man von der Zeit ab 1860 bis zum Beginn des 1. Weltkriegs als der Hochzeit des internationalen Freihandels.

Auch politisch arbeiteten Parteien wie Gewerkschaften europaweit zusammen: 1889 tagte ein internationaler Arbeiterkongress in Paris, aus dem die 2. Internationale hervorging. Bei den Katholiken sprach man von einer "schwarzen Internationalen", die jedoch nicht so straff organisiert war wie die der Arbeiter, obwohl sie 1899 das "Internationale Sekretariat christlicher Gewerkschaften“ ins Leben riefen.
Die Vorstellung, das Konzept Europa könne dazu dienen, Kriege zu vermeiden, gar zu überwinden, ist eine Vorstellung, die schon das Denken der sog. "Heiligen Allianz" prägte. Dazu entstand die Idee des "europäischen Konzerts", bei dem vor allem die Großmächte einen herausragenden Part spielten. Die europäische Familie ist eine Metapher, die seit Napoleon im Schwange war. Genauso gab es aber auf zahlreichen Karikaturen das Bild Europas als das der Nationen bis hin zum zerrissenen Europa. Zwei weitere Metaphern prägten das Selbstbild von Europa nach außen: das Bild vom überlegenen Europa als Zentrum der Welt und das Bild des bedrohten Europa, das sich aus dem wirtschaftlichen Aufstieg der USA speiste.

Humoristische Karte von Europa (1914)
Grafiker: K. Lehmann-Dumont, Quelle: Bundesarchiv Plak 001-004-075

 

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