Die Grünen in Baden-Württemberg: Wie aus einer sozialen Bewegung eine Partei wurde
Die Grünen sind heute Regierungspartei und aus der politischen Landschaft Deutschlands nicht mehr wegzudenken. Doch existiert die Partei noch nicht einmal vierzig Jahre und ging aus den sogenannten „Neuen sozialen Bewegungen“ der 1970er-Jahre hervor. Damals hat sie das bis dahin sehr stabile Dreiparteiensystem der Bundesrepublik erheblich durcheinandergebracht und für frischen Wind im oft statischen politischen Betrieb gesorgt. Die Grünen versuchten Wahlkämpfe, Parteitage und parlamentarische Arbeit neu zu gestalten: Basisdemokratie, Rotation, Doppelspitzen und Entpersonalisierung des Politischen sind nur Stichworte für diesen Versuch, neuen Wind in die politische Landschaft zu blasen.
In der Partei „DIE GRÜNEN“ haben sich damals verschiedene Protestbewegungen gebündelt, die meist aus lokalen Initiativen hervorgegangen sind, und das alternative Milieu erhielt ein politisch organisiertes und parlamentarisches Fundament. Antriebskräfte waren die Frauenbewegung, die Umweltbewegung, die Anti-AKW-Bewegung und später auch die Friedensbewegung – viele Unterstützer hieraus haben sich unter dem Dach der GRÜNEN zusammengefunden, nicht immer konfliktfrei, aber mit dem Ziel, ihre Interessen organisiert zu vertreten.
Plakat der Grünen zur Europawahl 1979
Plakat: Bundesarchiv Plak 104-PM0254-003
Dieses Modul möchte speziell in den Blick nehmen, wie der Übergang von der Bewegung zur Partei, von der losen Interessengemeinschaft zu einer organisierten politischen Kraft im parlamentarischen System vor sich gegangen ist und nimmt dies vor allem bezogen auf Baden-Württemberg in den Blick, da das "Ländle" schon immer eine der wichtigen Bastionen der Grünen war – und nicht zuletzt hier 2011 der erste grüne Ministerpräsident gewählt wurde.
Die grundlegende Frage des Moduls lautet: Wie wird aus einer Bewegung eine Partei? Dazu sollen Akteure, Phasen und entscheidende Ursachen und Antriebe herausgearbeitet werden. Das Modul bietet hierzu vier Stationen, die linear durchlaufen oder arbeitsteilig mit Austauschphase bearbeitet werden können und verschiedene Anschlussvorschläge zur Vertiefung (individuell oder im Klassenverband). Am Ende soll die Frage beantwortet werden könne, warum die politische Bühne in Deutschland einen neuen Akteur erhält und was das Besondere an den Grünen ist. Ausgehend hiervon kann man auch einen Gegenwartsbezug herstellen: Sind die Grünen heute eine „normale“ Partei geworden? Werden sie noch als außergewöhnlich oder alternativ wahrgenommen?
Das Modul ist für eine Doppelstunde konzipiert: In der ersten Stunde lernen die Schüler den Weg der Grünen von der sozialen Bewegung zur Partei kennen, in der zweiten Doppelstunde können sie individuell oder nach Vorgaben ihre Kenntnisse vertiefen. Die Angebote sind hier als Auswahl gedacht.
Der Gründungsparteitag der Grünen 1980 in Karlsruhe
© Archiv Grünes Gedächtnis 2790x2064 Pixel
Alle folgenden pdf-Arbeitsblätter können Sie auch als zip-Datei (3,5 MB) herunterladen.
Unterrichtsdesign:
1. Einstieg: Zwischen Demos und Parlament
Entwicklung der Leitfrage: Wie wird aus einer Bewegung eine Partei und schließlich eine parlamentarische Fraktion?
- Welche Gründe sprechen für veränderte Organisationsformen?
- Welche Auslöser waren dafür verantwortlich, dass es zu Veränderungen kam?
- Welche Phasen durchläuft die Bewegung bis zur Partei?
- Welche Akteure sind für die Entwicklung verantwortlich?
2. Erarbeitung: Von der Bewegung zur Partei
Untersuche mithilfe der folgenden vier Arbeitsblätter den Werdegang der Grünen.
- Wertewandel in den 1970ern und die Folgen
- Gründungsmythos Wyhl
- Die Parteigründung
- Der Einzug in den Landtag
3. Austausch
Hinweis zur Methodik: Die vier Arbeitsblätter können also Stationen nacheinander (chronologisch-linear) oder arbeitsteilig absolviert werden; im zweiten Fall ist eine ausführliche gegenseitige Informationsphase innerhalb einer Vierer-Gruppe unverzichtbar. Im erstgenannten Fall kann die Gruppe gleich in den Austausch über die übergeordneten Fragen gehen.
4. Vertiefungsmöglichkeiten
- Wyhl: „Nai hämmer gsait!“ – stilbildender ziviler Widerstand am Kaiserstuhl (U. Eith)
- Heiße Tage im Kalten Krieg: Herbst 1983 - Friedenscamp und Blockadeaktion in Mutlangen
- Wahlanalyse: Die Wahlergebnisse der Grünen in Baden-Württemberg
Untersuche die Wahlergebnisse der Grünen in deiner Region von Ort zu Ort mithilfe von Leo-BW
Kurzanleitung: Anleitung: > weißes Feld zur Ortssuche > Ort eingeben [z.B. Sigmaringen] > Visitenkarte [Sigmaringen] für die Ergebnisse ab 1972 > Zu Statistiken scrollen > Nach rechts oder links klicken bis zu den Landtagswahlen ab 1972 > Anklicken
Vergleiche die Ergebnisse mehrerer Orte miteinander. - Wahlplakate der Grünen (und anderer Parteien im Vergleich)
Untersuche, inwiefern die Grünen auch in der Wahlwerbung bei Plakaten einen neuen Politikstil etabliert haben.
5. Integration und Diskussion:
Mögliche Impulse:
- Was ist das Neue, das Besondere an den Grünen?
- Inwiefern haben die Grünen die Politik in Deutschland verändert?
- Hat die Politik auch die Grünen verändert?
- Sind die Grünen heute eine „normale“ Partei?
Das Modul basiert auf der Arbeit von Reinhold Weber. Ders./Rezzo Schlauch: Keine Angst vor der Macht. Die Grünen in Baden-Württemberg. Köln: Emons 2016.
Herausgeber: Landesbildungsserver Baden-Württemberg
Quelle: https://www.schule-bw.de
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