Der Kalte Krieg als 3-Phasen-Modell
In der Rückschau kann der Kalte Krieg in drei höchst unterschiedliche Phasen eingeteilt werden.
Die erste Phase der Jahre 1945 bis 1962 war dadurch gekennzeichnet, dass es sowohl innerhalb als auch zwischen den beiden ideologischen und militärischen Blöcken zu Lern- und Aushandlungsprozessen kam, wie mit der neuen weltpolitischen Lage nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs umzugehen sei. Während dieser Lernprozess für die amerikanische Politik anhand veröffentlichter Denkschriften wie George F. Kennans "Langem Telegramm" vom Februar 1946, Zeitungsbeiträgen, Regierungsdokumenten und Erinnerungsliteratur recht genau nachvollzogen werden kann, ist dies für die UdSSR ungleich schwieriger. Zwar liegen auch für die Sowjetunion neben einigen Memoiren außenpolitische Denkschriften wie das "Nowikow-Telegramm" vom September 1946 vor, doch sind die Bedeutung und Verlässlichkeit, die solche Dokumente für die Formulierung der sowjetischen Politik gespielt haben, weitaus schwieriger einzuschätzen. Der Aushandlungsprozess zwischen den Supermächten ist hingegen gut dokumentiert, weil er zu den großen Krisen wie der Berlin-Blockade , dem Korea-Krieg und der Kuba-Krise geführt hat. Hinter diesen Krisen stand nicht die Absicht der rivalisierenden Großmächte, einen Krieg zu provozieren, sondern die eigene Position im Kalten Krieg zu stärken. Durchgängiges Merkmal dieses Aushandlungsprozesses der Großmächte war, dass er nach rational nachvollziehbaren Gesichtspunkten ablief. Beide Kontrahenten definierten politische Ziele, die sie durchzusetzen versuchten. Dabei kam es wiederholt zu Konfrontationen. [...]
17. Oktober 1962: Raketenstellungen auf Kuba |
Der territoriale Aushandlungsprozess war Anfang der sechziger Jahre nach den Krisen in Berlin und Kuba weitgehend abgeschlossen. Washington und Moskau hatten sich darauf verständigt, dass Westeuropa freiheitlich demokratisch organisiert und Osteuropa kommunistisch verfasst sein würde. Ein Eiserner Vorhang, der von beiden Seiten respektiert wurde, teilte den Kontinent. Dass die westliche Führungsmacht USA die sowjetische Einflusssphäre im Osten Europas anerkannte wurde deutlich, als Washington in den Jahren 1953, 1956, 1968, 1970 und 1981 nicht zu Gunsten antisowjetischer Aufständischer in Ost-Berlin, Budapest, Prag und Warschau militärisch intervenierte. Im Gegenzug erkannte die UdSSR im August 1961 mit dem Bau der Berliner Mauer an, dass West-Berlin Teil der westlichen Einflusszone war.
Wenn beide Seiten implizit die territoriale Sphäre des Gegners anerkannten, so lag es nahe, dies zum Abbau von Spannungen zu nutzen. Beide Großmächte setzten in den sechziger und siebziger Jahren neue politische Prioritäten. Der sowjetische Generalsekretär Leonid Breschnew wollte den zunehmenden wirtschaftlichen und technologischen Rückstand seines Landes gegenüber dem Westen aufholen und hoffte, von verbesserten Beziehungen zum Westen profitieren zu können. [...]
Gerald Ford und Leonid Breschnew unterzeichnen ein Abrüstungsabkommen (1974) |
Den Höhepunkt der Entspannungspolitik bildeten in den späten sechziger und siebziger Jahren Rüstungskontroll- und Abrüstungsvereinbarungen wie MBFR (Mutual and Balanced Force Reduction Talks, 1973 bis 1989), Salt (Strategic Arms Limitation Talks, 1969 bis 1979) und Start (Strategic Arms Reductions Talks, 1982 bis 1991), das Vier-Mächte-Abkommen über Berlin, das den innerdeutschen Grundlagenvertrag ermöglichte, die Unterzeichnung der KSZE-Schlussakte von Helsinki und die Kooperation zwischen den amerikanischen und sowjetischen Weltraumbehörden, die im Juli 1975 zum gemeinsamen Apollo-Sojus Rendezvous im Weltraum geführt hat. Der Kreml sah es darüber hinaus als wichtigen Erfolg an, dass die USA im Mai 1972 eine Erklärung über die Grundlagen der Beziehungen zwischen beiden Staaten unterzeichneten, die von der Sowjetunion als Anerkennung als zweite gleichberechtigte Großmacht angesehen wurde. [...]
Apollo-Sojus Andockmanöver. "Rendezvous im Weltraum" |
In die Amtszeit der Präsidenten Jimmy Carter und Ronald Reagan fiel die letzte Phase des Kalten Krieges, die 1983 ihren Höhepunkt erlebte. Carter hatte im Dezember 1979 entrüstet auf den Einmarsch der Roten Armee in Afghanistan reagiert und einen sofortigen Abzug der Besatzungstruppen gefordert. Während der Kreml in der Intervention einen defensiven Akt sah, um einen weiteren Vormarsch des militanten Islam an der Südgrenze des Landes zu verhindern, sprachen die USA von einer expansionistischen Maßnahme, die potentiell die Sicherheit der Öllieferungen aus dem Persischen Golf gefährden könnte. Im Januar 1980 verhängten die USA einen Boykott der Olympischen Spiele in Moskau, dem sich eine Reihe westeuropäische Staaten, darunter auch die Bundesrepublik Deutschland, anschloss.
Präsident Reagan steigerte nach seiner Amtsübernahme im Januar 1981 den von Carter begonnenen Konfrontationskurs noch weiter. Er erklärte anlässlich eines Staatsbesuchs in Großbritannien im Juni 1982, dass die Ideologie der UdSSR auf dem "Aschehaufen der Geschichte" landen werde. In zwei Reden am 8. und 23. März 1983 griff er die UdSSR als "Reich des Bösen" (evil empire) an und erklärte, dass die USA die Aufstellung eines Raketenabwehrschirms im Weltraum anstrebten. Diese Strategische Verteidigungsinitiative (SDI) entwickelte sich im Verlauf der achtziger Jahre zur zentralen Kontroverse zwischen den Supermächten. [...] Die wachsenden Spannungen im Verlauf des Jahres 1983 können an folgender Chronologie der Ereignisse abgelesen werden. [...]
Reagans Sowjetunionpolitik erschien um den Jahreswechsel 1983/84 gefährlich und erfolglos. Die Spannungen zwischen den Supermächten hatten zugenommen, ohne dass es dem Präsidenten gelungen wäre, sowjetische Zugeständnisse auf irgendeinem politischen oder militärischen Gebiet zu erzielen. Gegen Ende des Jahres 1983 wurde auch der Administration die Gefahr deutlich, die von ihrem permanenten Bedrohungsdiskurs ausging. Ab Januar 1984 änderte Reagan den Tenor seiner Verlautbarungen zur UdSSR und nahm sowjetische Sicherheitsbedenken ernst. Diese "Wende Reagans" ( Reagan Reversal) entschärfte den Kalten Krieg noch bevor die UdSSR im Frühjahr 1985 mit der Wahl Michail Gorbatschows zum KPdSU-Generalsekretär eine ideologische und außenpolitische Öffnung zum Westen vollzog.
Herausgeber: Landesbildungsserver Baden-Württemberg
Quelle: https://www.schule-bw.de
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