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Verrückte Kaiser? Caesarenwahn der römischen Kaiserzeit

"Caesarenwahn" - dabei handelt es sich um einen durchaus populär bekannten Begriff, sei es durch aktuelle politische Diskurse, in denen man versucht, unliebsame Konkurrenten so zu diffamieren, oder durch Medien der populären Geschichtskultur: Man denke an Peter Ustinovs Darstellung des Kaisers Nero, der sich in seinem Wahnsinn vor Freude gar nicht mehr beruhigen kann, als Rom vor seinen Augen niederbrennt. Der Begriff wurde dabei erst im 19. Jahrhundert von Ludwig Quidde verbreitet, der mittels seiner Caligula-Biografie Kritik an Person und Politik Kaiser Wilhelms II. zu üben versuchte. Historisch geht die Konstruktion des Caesarenwahns zurück auf die erste Phase der römischen Kaiserzeit, den frühen Prinzipat - so spricht Tacitus vom furor principium.

Caligula speist mit seinem Pferd Incitatus, das er zuvor zum Konsul gekürt hat.

Doch was macht aus den ersten römischen principes, heute als Kaiser bezeichnet, wahnsinnige, rasende, der Hybris erlegene Machtmenschen? Von Anfang an bewegt sich diese Frage in starker Dichotomie zwischen Fakt und Fiktion, denn man darf nicht vergessen: Der Quellenbefund speist sich großteils aus senatorischer Tradition. Römische Historiografen wie Tacitus und Sueton schrieben als besonders schillernde Berichterstatter kaiserlicher Exzesse und Orgien aus der Perspektive der römischen Oberschicht, die den republikanischen Zeiten nachweinte. Kurzum: die römische Oberschicht, bestehend aus jenen würdevollen, ämterführenden Männern, musste lernen, dass sie die große politische Bühne nun mit einem ersten Mann teilen musste, dessen Führungsanspruch sich auch in seinem Verhalten manifestierte. Ein wahrlich schwieriges Unterfangen, denn der Frühe Prinzipat ist nach Augustus nicht als gefestigtes System anzusehen, er befindet sich an einer Umbruchstelle der römischen Geschichte, die durch zahlreiche Transformationsprozesse gekennzeichnet ist. Diese beruhen weniger auf staatsrechtlichen Kategorien, denn es kommt nicht zu massiven Veränderungen, sondern sie sind Ausdruck des Konsenses der Träger des Frühen Prinzipats. Die Forschung bezeichnet diese Austarierung zwischen kaiserlichem Habitus und senatorischer Akzeptanz als "doppelbödige Kommunikation" (vgl. Aloys Winterling). Um die Zustimmung der senatorischen Oberschicht zu erhalten und aufrechtzuerhalten, mussten der römische princeps in der öffentlichen Repräsentation stets darauf achten, dass er nicht als Exponent der Macht, sondern als primus inter pares (Erster unter Gleichen) wahrgenommen wird.

Kreislauf des historischen Denkens (Bildungsplan 2016)
Kreislauf des historischen Denkens (Bildungsplan 2016)

Förderung der prozessbezogenen Kompetenzen: Kreislauf des historischen Denkens (Bildungsplan 2016)
Wie der Bildungsplan 2016, Geschichte: Gymnasium unter der Überschrift Leitgedanken zum Kompetenzerwerb zu entnehmen ist, besteht "[d]as zentrale Ziel des Geschichtsunterrichts [.] [im] Aufbau eines reflektierten Geschichtsbewusstseins." Die folgende Einzelstunde für den Anfangsunterricht (Klasse 6) wird diesem übergeordneten Ziel insofern gerecht, als ihre einzelnen Unterrichtsphasen die im Bildungsplan genannten prozessbezogenen Kompetenzen des Kreislaufs des historischen Denkens spiegeln. In Bezug auf die Standards für inhaltsbezogene Kompetenzen kann die Stunde den Lernbegriffen Monarchie: Prinzipat, Kaisertum in der Unterrichtseinheit - 3.1.3 Griechisch-römische Antike - Zusammenleben in der Polis und im Imperium (4) die politische Herrschaft im Imperium Romanum analysieren - zugeordnet werden.


Unterrichtsdesign

1. Einstieg: Förderung der Fragekompetenz (Verunsicherung, Interesse) Entwicklung der problemorientierten Leitfrage mithilfe eines doppelten Bildimpulses, der nacheinander den Schülern gezeigt wird: Folie: Caligula und Incitatus - Verrückte Kaiser
Mögliche Leitfragen:

  • Verrückte Kaiser? Caesarenwahn der römischen Kaiserzeit?
  • Verrückte Kaiser - Legende oder Wirklichkeit?

2. Erarbeitungsphase: Förderung der Methodenkompetenz (Auswertung von Quellen und Darstellungen)
In Form eines Lernpartnerduetts werten die Lernenden AB 1: Quellen und Darstellungen aus. Dabei liest ein Partner die Quellen, der andere die Darstellung. Durch diese Methode wird kooperatives Lernen gefördert, da beide Lernpartner verschiedene Erarbeitungsschwerpunkte haben, für welche sie in der anschließenden Vermittlung an den Lernpartner auch verantwortlich sind. Diese Methode bietet sich hier vor allem deshalb an, weil erst durch die Kooperationsphase die eigentliche Dekonstruktion der Quelle erfolgen kann. Eine Vertiefung des Wissens wird in der Sicherungsphase dadurch erreicht, dass die Beantwortung der übergreifenden Leitfrage nur unter Einbezug der beiden erarbeiteten Schwerpunkte ermöglicht wird.

3. Ergebnissicherung: Förderung der Reflexionskompetenz (Analyse, Beurteilung)
Die Lernenden sind durch die Auswertung der Materialien dazu in der Lage, ihre zunächst isolierten Erkenntnisse kausal miteinander zu verknüpfen und Geschichte zu rekonstruieren. Sie erkennen, dass es sich beim sogenannten Wahnsinn der römischen Kaiser um einen literarischen Topos der kaiserzeitlichen Historiografie handelt ( Erwartungshorizont ). Die Aufgabe für die Zusammenführung der beiden Einzelarbeiten könnte lauten:
Beurteilt, inwiefern die Vorstellung vom Caesarenwahnsinn der Wirklichkeit entspricht.

Als fakultative Hausaufgabe kann zur Förderung der Narrationskompetenz auf Grundlage der in der Stunde gewonnen Ergebnisse die Leitfrage schriftlich beantwortet werden. Im Sinne einer Perspektivübernahme dient auch die entweder als Hausaufgabe oder als Vertiefung einsetzbare Aufgabenstellung:
Zwei römische Bürger streiten sich darüber, ob Nero (oder Caligula) ein wahnsinniger Herrscher ist. Verfasse ein Streitgespräch.
Satzanfänge im Sinne des Scaffoldings (z.B. Ich bin der Meinung, dass... Dagegen spricht jedoch, dass...) und der Differenzierung können das Gelingen der geforderten Aufgabe unterstützen.

4. Transfer: Förderung der Orientierungskompetenz (Gegenwartsbezug, Geschichtsbewusstsein)
Den Abschluss der Stunde stellt im Sinne eines Transfers die Analyse des Logos des Brennprogramms der Nero AG mit dem Titel "Nero Burning Rom" dar. Die Lernenden erkennen, dass sich der Softwarehersteller sowohl bei der Firmen- und Produktbezeichnung als auch bei der Wahl der Grafik (zu sehen ist das in Flammen stehende Colosseum) auf die Annahme beruft, wonach der römische Kaiser Nero im Jahr 64 n. Chr. als Brandstifter die Ewige Stadt in Flammen setzte. In einer leistungsstarken Lerngruppe können im Anschluss daran mögliche Absichten des Softwarekonzerns bei der Firmen- und Produktbezeichnung reflektiert werden.


Differenzierung: Weitere Quellen zum Thema
Tacitus: Der Brand Roms und die Christenverfolgung unter Kaiser Nero

Weiterführende Literaturhinweise:

  • Ronning, Christian: Zwischen ratio und Wahn. Caligula, Claudius und Nero in der altertumswissenschaftlichen Forschung. In: A. Winterling (Hg.), Zwischen Strukturgeschichte und Biographie. Probleme und Perspektiven einer neuen Römischen Kaisergeschichte (Schriften des Historischen Kollegs. Kolloquien 75), München 2011, S. 253-276.
  • Winterling, Aloys: Caligula. Eine Biographie, München: C.H. Beck 2012.
  • Ders.: Probleme historischer Biographie am Beispiel des Kaisers Caligula, in: Historische Anthropologie 20 (2012), S. 186-199.
  • Ders.: Zu Theorie und Methode einer neuen Römischen Kaisergeschichte, in: A. Winterling (Hg.), Zwischen Strukturgeschichte und Biographie. Probleme und Perspektiven einer neuen Römischen Kaisergeschichte (Schriften des Historischen Kollegs. Kolloquien 75), München 2011, S. 1-11.

Entstanden ist das auf dem Landesbildungsserver Geschichte zur Verfügung gestellte Material aus einer kollegialen Kooperation von Herrn Florian Hellberg (Anne-Frank-Gymnasium Rheinau) und Larissa Zürn (Gymnasium am Hoptbühl, Villingen). Beiden sei für die Bereitstellung der Unterrichtsmaterialien gedankt.


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