Historischer Vergleich: Kaisertum im antiken Rom und im Chang'an der Qin- und Han-Dynastie
Der Bildungsplan von 2016 verlangt, dass der Blick über die europäische Geschichte hinaus geweitet wird. Anhand adäquater Beispiele soll gezeigt werden, wie sich europäische und außereuropäische Kulturen entwickelt haben. Eine besonders hierfür geeignete Methode ist der historische Vergleich. Nach Hartmut Kaelble erfordert dieser eine möglichst "klar durchdachte ... Fragestellung" (Hartmut Kaelble, Kaelble, Historischer Vergleich, Frankfurt/Main: Campus 1999, S. 120).
In diesem Modul soll nun das römische Herrschaftskonzept des auf Augustus beruhenden Kaisertums dem chinesischen der Qin- und Han-Dynastie (206 v. Chr. - 220 n. Chr.) gegenübergestellt werden. Punktuell werden Fragestellungen erörtert, indem den Schülerinnen und Schülern im Anfangsunterricht die Vergleichskriterien vorgegeben werden. Dabei beschäftigen sich die Schüler mit der Qualifikation und den Voraussetzungen zum Kaisertum, der Regierungspraxis der Kaiser sowie dem Verhältnis zwischen Kaisern und Göttern - alle drei Fragestellungen sind besonders geeignet, das Spezifische der jeweiligen Kaiseridee in den Blick zu nehmen: Sowohl das sakrale Herrscher- und Kaisertum Chinas als auch die charismatische Herrschaft des römischen Kaisers werden so herausgearbeitet.
Augustus und Qin Shihuangdi - die Begründer des römischen und des chinesischen Kaisertums |
Beim chinesischen Kaisertum fällt besonders die duale Konstruktion zwischen innerem Hof (d.h. der Verwaltung kaiserlichen Privatvermögens) und äußerem Hof (der Regierung mit neun Ministern) auf. Die Beamtenschaft will hier regieren, der Herrscher soll "nur" herrschen, d.h. ihm kommt vor allem eine antwortende und bestätigende Rolle zu, keine politische Initiative. Die Beamten werden über das konfuzianisch geprägte Examenssystem rekrutiert. Auch wenn dieses System privilegierte Bewerber bevorzugt, trägt es doch Ansätze zur Meritokratie in sich. Zivilbeamte stehen nach konfuzianischem Tugendkatalog höher im Ansehen als Offiziere, die Verteidigung wird immer mehr den „Barbaren“ gegen „Barbaren“ überlassen, wie man an der Verteidigung an der Großen Mauer erkennen kann.
Den Schülerinnen und Schülern soll vor allem deutlich werden, dass das Konzept des "Kaisertums" in vielen Bereichen sehr unterschiedlich umgesetzt werden soll. Beide Reiche haben in ihrem Teil der Welt über Jahrhunderte das Geschehen beherrscht - beide Kaiserkonzeptionen waren also sehr langlebig und insofern auch erfolgreich, auch wenn sie ihre Herrschaft auf weitgehend unterschiedliche Weise umgesetzt haben.
Terrakottaarmee des Ersten Kaisers |
Nach einer Annäherung über einen Bildvergleich sollen die Schülerinnen und Schüler an einzelnen Fragestellungen mit vorgegebenen Vergleichskriterien paarweise arbeiten - über einen Austausch mit einer anderen (nicht arbeitsgleichen Gruppe) soll sichergestellt werden, dass zentrale Inhalte erarbeitet worden sind. Dopplungen sind an dieser Stelle beabsichtigt, um den zentralen Bereich der politischen Funktion des Kaisers zu akzentuieren. In einer optionalen Vertiefung kann der Vergleich noch auf die religiöse Komponente oder auf das Selbstverständnis anhand jeweils einer zentralen Quelle der Zeit ausgeweitet werden. Dabei ist es dann auch möglich, den Schülern keine Vergleichskriterien mehr vorzugeben; so kann überprüft werden, ob die Technik des Vergleichs nun auch selbstständig durchgeführt werden kann (z.B. in einer weiteren Vertiefung zum Thema Grenzverteidigung und Umgang mit Fremden im Modul "Römischer Limes und Große Mauer").
Taishan, der heilige Berg Chinas |
Unterrichtsverlauf
Alle folgenden Arbeitsblätter als zip-Datei (1 MB)
1. Einstieg: Römischer Kraftprotz vs. Unnahbarer Chinese Folie
Vergleiche die beiden Bilder in ihrer Wirkung auf dich.
Was sagen sie über das Selbstbild des jeweiligen Herrschers aus?
2. Arbeitsteilige Gruppenarbeit (paarweise): Römisches Kaisertum und Chinesisches Kaisertum
a. Wie wird man Kaiser?
b. Wie regiert ein Kaiser?
3. Auswertung in 4er-Gruppen
Idealtypische Lösungen/Tafelanschrieb:
a. Lösung: Wie wird man Kaiser?
b. Lösung: Wie regiert ein Kaiser?
Römisches und chinesisches Kaisertum im schematischen Vergleich
4. Vertiefung 1: Wie göttlich ist der Kaiser?
a. mit Vergleichskriterien
b. ohne Vergleichskriterien
c. Lösung/Tafelanschrieb
5. Vertiefung 2: Das kaiserliche Selbstverständnis
a. Rom: Res gestae divi Augusti - Der Tatenbericht des Augustus (ausführlich)
Res gestae - passgenaue Verkürzung zu den Stelen-Inschriften
b. China: Stelen-Inschriften des Ersten Erhabenen Kaisers
6. Diskussion: Römisches und chinesisches Kaisertum im Vergleich
- Überwiegen Ähnlichkeiten oder Unterschiede?
- In welchem Reich wärt ihr lieber Kaiser / Beamte / Untertan?
- Welchem Kaiser droht woher Gefahr?
- Republikanische Wurzeln des römischen Kaisertums?
7. Methodenreflexion: Der historische Vergleich
Impuls: Zwei Zitate von Prof. Hartmut Kaelble
5 Shu - die meistverbreitete Bronzemünze während der Qin- und Han-Dynastie, markant dank ihres Lochs in der Mitte |
Dieses Modul kam in Kooperation mit Dr. Michael Hoffmann als Vertreter der Fachberatergruppe "Globalgeschichte" des RP Stuttgart zustande.
Herausgeber: Landesbildungsserver Baden-Württemberg
Quelle: https://www.schule-bw.de
Bitte beachten Sie eventuell abweichende Lizenzangaben bei den eingebundenen Bildern und anderen Dateien.