Briefe 1709/1720
9. Juni 1709
Was ich den ganzen tag tue, leßt sich in kurzem begriff sagen: in die meß gehen, zu mittag essen, ein paar gestochene stein besehen, ein paar blätter lesen, hernach schreiben, nachts umb 10 ins Königs eßsaal gehen, I.M. dort erwarten, bis sie mit der königliche familie von mad. de Maintenon kommen, nach dem essen ins Königs kammer gehen, ein Vater unser lang da stehen, ein reverenz machen, der König geht in sein cabinet mit den prinzen und duchesse de Bourgogne und ich in mein kammer, da gebe ich meinen hündger biscuit, ziehe meine uhren auf, besehe meine stein, endere von ring, hernach gehe ich nach bett. Damit wissen E. L. mein ganzes leben; und ein tag ist wie der anders ist es schön werter, gehe ich in garten oder fahr nach Trianon und spaziere da.
9. Juni 1720
Zuerst muß ich noch vor die mettwürst danken, so ich noch nicht versucht, habe sie in die luft henken lassen, weilen ein wenig feuchtigkeit drin geschlagen war, werde sie heute versuchen; sie riechen gut; das hilft mir eher wieder zum appetit, als alle ragouts von ganz Frankreich, die habe ich nicht essen lernen können, finde es verschmiert und in meinem sinn ekelhaft. Ich esse gern ein gut stück rindfleisch mit mustert , einen guten hammelschlägel mit Salat, gebratene hasen, aber keine kaningen kann ich essen, wie man es auch zurichten mag; ich kann auch keine von den gemästen hühnern essen, sondern nur junge hühner, summa lauter gute und gesunde speysen. Ich lasse mir oft auch teutsche essen geben, einen hasen- oder gansenpfeffer, lungen, muskraut mit hammelfleisch, kalbfleisch mit mageran. Aber hiermit genung von küchenzeug gesprochen, will nun gar große und serieuse zeitungen sagen.
Zum Glossar: Dort sind alle Wörter erläutert.
Liselotte im Jahre 1713 |
Herausgeber: Landesbildungsserver Baden-Württemberg
Quelle: https://www.schule-bw.de
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