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Diskriminierung jüdischer Firmenbesitzer und Verkauf von Betrieben: Das Beispiel der Gebrüder Herbst

Unmittelbar nach der "Machtergreifung" im Januar 1933 erließ das NS-Regime, anders als viele Zeitgenossen angesichts der jahrelangen Propaganda gegen Juden in der deutschen Wirtschaft gedacht hatten, zunächst keine Gesetze zur "Arisierung" von Firmen. Zwar rief das Regime am 1.4.1933 zu einem reichsweiten Boykott gegen jüdische Läden auf, und überall in Deutschland standen an diesem Tag vor jüdischen Geschäften SA-Männer mit Schildern wie "Kauft nicht beim Juden". Jüdischer Besitz blieb jedoch unangetastet, und jüdische Firmen konnten, zumindest offiziell, unbehelligt weiter arbeiten. Schließlich wollte die NS-Regierung zunächst die Arbeitslosigkeit senken, und da wäre die massenhafte Enteignung oder Schließung jüdischer Betriebe kontraproduktiv gewesen.

Aufruf zum Boykott jüdischer Geschäfte
Hakenkreuzbanner vom 1.4.1933
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Obwohl also der große gesetzgeberische Schlag gegen Juden in der Wirtschaft 1933 zunächst ausblieb, hatte die "Machtergreifung" unmittelbare Auswirkungen für jüdische Gewerbetreibende. [...] In ganz Deutschland waren jüdische Firmeninhaber ab 1933 im Alltag einem regelrechten "Mehrfrontenkrieg" ausgeliefert. So vergaben Behörden keine Aufträge an jüdische Betriebe mehr, Banken benachteiligten jüdische Kaufleute bei der Vergabe von Krediten, Konkurrenten schwärzten jüdische Geschäftsleute an, immer wieder mussten sich Juden wegen aus der Luft gegriffener Anschuldigungen vor Gericht verantworten, häufig wegen Betrug oder sogenannter Rasseschande, die Parteipresse druckte Tag für Tag Hetzartikel gegen Juden; Ziel der Angriffe waren oft einzelne Unternehmen.

An mehreren Fronten kämpften auch Eugen Herbst und seine Söhne Fritz und Walter. Sie besaßen in Mannheim zwei Fabriken: Die Korsettfabrik Eugen und Hermann Herbst GmbH und die Schuhfabrik Herbst AG. Die Korsettfabrik bestand seit 1885. In den 1930er Jahren war sie mit ihren mehr als 1.000 Arbeitern die zweitgrößte Korsettfabrik in ganz Deutschland. Die Eugen und Hermann Herbst GmbH stellte Bustiers, Mieder und Hüftgürtel her, so auch das "Felina Corselet" [...].

Als Juden gerieten Herbsts ab 1933 immer mehr unter Druck. Denn die großen Einkaufsverbände begannen, die Betriebe von den Ausstellungen und der Vorlage der Musterkollektionen auszuschließen; daneben wurden ihnen Genehmigungen zum Export versagt. Aus diesem Grund entschieden sich Herbsts zu einem partiellen Rückzug: Eugen Herbst schied im Juli 1933, also ein halbes Jahr nach der "Machtergreifung", als Geschäftsführer der Korsettfabrik aus. An seine Stelle trat Fritz Gaber, ein arischer Rechtsanwalt. Auch in der zweiten Firma der Familie, der Schuhfabrik Herbst AG, zog man personelle Konsequenzen: Im April 1934 wurde Fritz Gaber neben Walter Herbst zum Vorstand bestellt. Die Familie Herbst hoffte, auf diese Weise die beiden Firmen aus der Schusslinie zu bringen – doch diese Hoffnung wurde enttäuscht. Denn die Betriebe litten weiterhin unter zahlreichen Diskriminierungen. Also zogen Herbsts im Februar 1936 einen Schlussstrich und verkauften ihre Stammanteile an der Korsettfabrik, das Fabrikgelände und alle Aktien der Schuhfabrik an Richard Greiling. Er bezahlte dafür insgesamt 2.225.000 RM – eine durchaus stattliche Summe, doch ging Walter Herbst nach dem Krieg davon aus, dass seine Familie bei diesem Verkauf einen Verlust von rund 2,4 Mio. RM erlitten hatte. Allein Walter Herbst musste 279.500 RM Reichsfluchtsteuer zahlen. [...] Herbsts emigrierten nach dem Arisierung der Firmen zunächst in die Niederlande und flohen später nach Kanada weiter. Dort hielten sie sich mit schlecht bezahlten Jobs mehr schlecht als recht über Wasser.

Derweil trennte sich in Mannheim Richard Greiling noch im Jahr der Arisierung vom alten Namen der Korsettfabrik. Denn seit Dezember 1936 firmiert der Betrieb als "Felina". Der Name der jüdischen Gründerfamilie war damit nur knapp vier Jahre nach der "Machtergreifung" und fünf Jahre, bevor dies per Gesetz gefordert wurde, getilgt. [...] Die Familie Herbst hatte also angesichts des zermürbenden Mehrfrontenkriegs gegen jüdische Betriebsinhaber 1936 aufgegeben.

Das Herren- und Knabenbekleidungsgeschäft Maier-Mack warnt davor, es weiterhin als jüdische Firma zu bezeichnen. 
Zeitungsanzeige im Hakenkreuzbanner vom 8.11.1933 
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[...] In Mannheim gab die große Mehrzahl der jüdischen Betriebsinhaber bis 1938 auf. So existierten im Juli 1938 in Mannheim nur noch 530 jüdische Betriebe - 1933 waren es 1.600 gewesen. Rund zwei Drittel der jüdischen Firmen waren bis zum Sommer 1938 also schon arisiert worden. Ähnlich waren die Verhältnisse in anderen deutschen Städten; die meisten jüdischen Geschäfte wurden weit vor 1938 arisiert. Den verbliebenen jüdischen Betriebsinhabern entzogen dann im Winter 1938 reichsweite Verordnungen die Existenzgrundlage; jüdische Geschäfte mussten bis zum 1.1.1939 entweder verkauft oder geschlossen werden.


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