Ausgrenzung aus dem Arbeitsleben
Schon bald nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten gibt es Versuche, Sinti und Roma aus dem Erwerbsleben herauszudrängen. Als "Nichtarier" werden s
Schon bald nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten gibt es Versuche, Sinti und Roma aus dem Erwerbsleben herauszudrängen.
Als "Nichtarier" werden sie in der Folgezeit aus Berufsorganisationen wie der Handwerkskammer oder der Reichskulturkammer ausgeschlossen.
Arbeitsämter verhindern, dass jugendliche Sinti und Roma eine Lehre beginnen können. Angehörige der Minderheit müssen ihre Geschäfte aufgeben
oder werden als Arbeiter oder Angestellte von ihren Arbeitsplätzen verdrängt. Vielfach missbraucht man sie zur Zwangsarbeit in
Rüstungsbetrieben.
Gleichstellung von Juden und Zigeunern im Arbeitsleben
Quelle: Reichsgesetzblatt, Jahrgang 1942, Teil 1
zitiert nach: Romani Rose (Hg.), "Den Rauch hatten wir täglich vor Augen", S. 85.
M 1: Schreiben der Kriminalpolizeistelle Karlsruhe
"Die Reichspostdirektion habe ich am 26. Januar 1942 ordnungsgemäß davon in Kenntnis gesetzt, dass Mathilde Kling als Zigeunermischling mit
vorwiegend zigeunerischem Blutsanteil zu gelten habe, worauf ihr das Dienstverhältnis zum nächstzulässigen Zeitpunkt gekündigt wurde.
Das Arbeitsamt wurde ebenfalls ordnungsgemäß in Kenntnis gesetzt, dass eine erneute Zuweisung an Behörden künftig unterbleiben müsse."
M 2: Das Schicksal der Familie Rose
Anton Rose führt mit seinen Söhnen in Darmstadt ein Lichtspieltheater. Bereits 1934 versucht die Gaustelle Hessen-Nassau bei der
Reichsfilmkammer den Ausschluss von Anton Rose zu erwirken, was einem Berufsverbot gleichgekommen wäre. Anton Rose legt daraufhin Beschwerde
ein und erhält zunächst Recht.
Doch schon drei Jahre später erfolgt die endgültige, zwangsweise Einstellung des Familienunternehmens aus "rassischen" Gründen. Auf der Flucht
werden die meisten Familienangehörigen Ende 1943 verhaftet und nach Auschwitz deportiert. Dort wird Anton Rose ermordet. Lisetta Rose wird nach
Ravensbrück verschleppt; sie stirbt dort wenig später an Entkräftung. Insgesamt fallen 13 Angehörige der Familie Rose dem Völkermord zum
Opfer.
Anton und Lisetta Rose
Quelle: Dokumentations- und Kulturzentrum Deutscher Sinti und Roma, Heidelberg
M 3: Der Tod eines Boxers: Johann Trollmann
Der Titel als deutscher Meister im Halbschwergewicht wird Johann Trollmann bereits im Juni 1933, wenige Tage nach seinem Sieg über Adolf Witt,
aus "rassischen" Gründen aberkannt. In der gleichgeschalteten Fachpresse als "Zigeuner" diffamiert, muss Trollmann seine Karriere aufgeben.
Später wird er aus der Wehrmacht ausgeschlossen und in das Konzentrationslager Neuengamme deportiert, wo ihn die SS am 9. Februar 1943
ermordet.
Johann Trollmann - deutscher Meister im Halbschwergewicht 1933
Quelle:
Rukeli Trollmann e.V.
PRESSEBERICHTE
"Trollmann machte einen souveränen Eindruck, Agreen, der das Tempo forcierte, konnte den schnellen Gegner nie treffen ... Trollmann ist immer
für den Bruchteil einer Sekunde zu schnell für den Schweden."
Die Fachzeitschrift "Boxsport" im August 1932
"Der Zigeuner ist nun mal ein Stimmungsboxer, ein Instinktboxer, der mit seinem Herumspringen manchesmal
von der sportlichen Linie stark abweicht. Oft genug kann man davon absehen, diese Unseriosität des Boxens anzuprangern. Geht es jedoch um eine
offizielle Meisterschaft, dann besteht die Gefahr, dass der innere Wert eines Titels durch den merkwürdigen Stil dieses Instinktboxers
herabgezogen werden kann. [...] Er stellte sich nicht zum Schlagwechsel, sondern arbeitete mit Tricks. [...] Was dann folgte, war derart flach,
langweilig und einer Meisterschaft unwürdig, daß es sich nicht lohnt, ausführlich darauf einzugehen."
Die Fachzeitschrift "Boxsport" im Juni 1933
"Eder ließ ein wahres Trommelfeuer der Vernichtung auf den Zigeuner los."
Die Fachzeitschrift "Boxsport" im Juli 1933 nach der Niederlage Trollmanns gegen Gustav Eder
M 4 Ein Überlebender berichtet: Franz Wirbel
"1928 wurde ich in Elbingen (Westpreußen) eingeschult. Dass wir Sinti-Kinder zur damaligen Zeit Diskriminierungen irgendwelcher Art erlebt
hätten, kann ich nicht sagen. Mein Vater war Musiker und Instrumentenbauer, und es ging uns nach den damaligen Verhältnissen recht gut ...
Mein Vater lehrte 1918 einen Herrn Neumann das Geigenbauen, der später in den Jahren 1936/37 in Allenstein (Ostpreußen) mein Lehrmeister war.
Von meinem Vater her hatte ich natürlich schon Talent mitgebracht; ich musste meine Lehre jedoch nach 14 Monaten auf Veranlassung der Partei
(Reichslehrinnung) aufgeben. Als Nicht-Gelernter musste ich in einer Maschinenfabrik arbeiten."
M 5: Werner Feldscher "Rassen- und Erbpflege im Deutschen Reich", 1943:
"Der Jude und Zigeuner steht in keinem Arbeitsverhältnis, sondern in einem Beschäftigungsverhältnis eigener Art und damit außerhalb der
Grundnormen des deutschen Arbeitsverfassungsrechts [...] Juden und Zigeuner haben die ihnen von den Arbeitsämtern zugewiesenen Arbeiten
anzunehmen. Sie dürfen grundsätzlich nur in Gruppen und von der übrigen Gefolgschaft getrennt beschäftigt werden."
M 6: Hugo Franz
"Geboren bin ich am 22.4.1913 in Delitzsch bei Halle an der Saale. Meine Kindheit habe ich fast ausschließlich in Dresden verbracht, wo
meine Eltern ein Pelzgeschäft hatten. Dort habe ich auch die katholische Schule und anschließend das Gymnasium - der Name war Dreikönigschule -
besucht, wo ich mein Abitur gemacht habe. Nach dem Abitur war es mein sehnlichster Wunsch, Jura zu studieren. Da die Nationalsozialisten in
Deutschland inzwischen die Macht übernommen hatten und ich kein "Arier" war - obgleich meine Familie doch nachweisbar über 300 Jahre in
Deutschland lebt -, war dies leider nicht möglich. [...] Ich habe daher an der Orchesterschule der Sächsischen Staatskapelle Musik studiert.
Später habe ich ein Orchester gegründet, mit dem ich in den bekanntesten Etablissements Deutschlands gastiert habe. Sowohl Sinti als auch
Nicht-Sinti waren in meinem Orchester beschäftigt. Doch ab 1939, als Himmler die sogenannte Festsetzung aller Sinti und Roma befahl,
durften wir Hamburg nicht mehr verlassen. Ich wurde gezwungen, mein Orchester aufzugeben und musste schließlich in einer Kupferschmiede bei
Blohm und Voss arbeiten."
Herausgeber: Landesbildungsserver Baden-Württemberg
Quelle: https://www.schule-bw.de
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