Ausgrenzung aus der Schule
In vielen Orten sind Sinti- und Roma-Kinder als "Fremdrassige" vom Schulunterricht ausgeschlossen. Die formale Grundlage für den Ausschluss bildet ein Erlass des "Reichsministers für Wissenschaft, Erziehung und Volksbildung", der am 15. Juni 1939 für Österreich ergeht und am 22. März 1941 auf das gesamte Reichsgebiet übertragen wird. In einigen Städten wie Köln oder Gelsenkirchen richten die nationalsozialistischen Behörden besondere "Zigeunerklassen" ein, in denen Sinti- und Roma-Kinder getrennt von den "deutschblütigen" Kindern unterrichtet werden.
Ausschluss der Sinti und Roma vom integrierten Schulunterricht in Hamburg
Quelle: Staatsarchiv Hamburg, 361-2 VI Oberschulbehörde VI, Nr. 2553
Die meisten Lehrer begegnen Sinti- und Roma-Kindern mit Gleichgültigkeit oder offener Ablehnung, nur wenige couragierte Lehrer setzen sich für sie ein. Auch jene Kinder, welche die Schule zunächst weiterbesuchen dürfen, werden im Frühjahr 1943 mit ihren Familien nach Auschwitz deportiert.
Ausschluss der Sinti und Roma vom Schulunterricht in Wien
Quelle: Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstands, Wien DÖW 09644
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M 1: Margot Krause
Margot Krause (3. Reihe, 6. von links) in der Wilhelm-Schule in Greven, ca. 1938.
Quelle: Stadtarchiv Greven/Privatbesitz Bernhardine Baumkötter
Margot Krause wird erkennungsdienstlich erfasst.
Quelle: Stadtarchiv Greven B 3872 Bl. 24
Später wird Margot Krause vom Schulunterricht ausgeschlossen. Im März 1943 deportiert man Margot Krause nach Auschwitz, wo sie ermordet wird.
M 2: Herbert Adler
"Im Jahr 1938 ist meine Familie von meiner Geburtsstadt Dortmund nach Frankfurt umgezogen, wo mein Vater eine leitende Stellung bei der Post
am Hauptbahnhof gehabt hat. Wir waren sieben Geschwister, ich war das vierte Kind. Mein Bruder Heinz und ich waren in der Frankensteinerschule,
wo ich in die 4. Klasse ging; meine Schwestern waren in der Elisabethenschule und in der Hölderlinschule.
Etwa zwei Jahre lang ging ich in die Frankensteinerschule und habe mich dort sehr wohl gefühlt, ich war ein richtiger ‘Frankfurter Bub’.
Eines Tages im Jahr 1940 hat es plötzlich geklopft, und es kamen zwei Männer mit schwarzen Ledermänteln herein, die sich leise mit meinem
Lehrer unterhalten haben.
Nachdem sie wieder hinausgegangen waren, hat mich mein Lehrer, zu dem ich ein sehr gutes Verhältnis hatte, zu sich gerufen. Er sagte zu mir,
daß draußen zwei Gestapo-Männer stünden, die mit mir sprechen wollten. Ich habe natürlich gleich Angst bekommen, daß ich etwas angestellt
hätte - ich war immer mit meiner Clique zusammen gewesen, wir haben Fußball gespielt, haben auch mal Fensterscheiben eingeworfen beim Räuber-
und Gendarmspielen, eben diese Jugendstreiche. Mein Lehrer sagte aber: Nein, es sei nicht so schlimm, ich solle meinen Ranzen nehmen, denn
morgen sei ich ja wieder hier. Er wollte mich trösten, obwohl er es besser wußte - aber er konnte mir nicht helfen.
Ich hab daraufhin meinen Ranzen genommen und bin vor die Tür gegangen, wo mein Bruder Heinz - er war eine Klasse höher als ich - mit den
Gestapo-Männern bereits gewartet hat. Gemeinsam brachte man uns zu unserer Wohnung in der Löhergasse, von wo aus die gesamte Familie zum
Internierungslager in der Dieselstraße gebracht wurde."
M 3: Elisabeth Guttenberger
"In der Schule erlebte ich jetzt zum ersten Mal offenen Rassenhaß. Eine Mitschülerin, eine BDM-Führerin, fiel eines Tages mit der halben
Klasse über mich her. Gemeinsam schlugen sie mich blutig. Ich wehrte mich, so gut ich konnte, mit meinem Schirm. Am nächsten Tag ließ mich der
Rektor zu sich holen. Er empfing mich mit den Worten: ‘Was hast du dir denn gestern erlaubt?’ Und er gab mir mit dem Rohrstock sechs Tatzen
auf die ausgestreckten Hände. Ich war fast ohnmächtig vor Schmerz.
Zum Glück hatte ich eine sehr couragierte Lehrerin. Sie war eine ehemalige Reichstagsabgeordnete und Gegnerin des Hitler-Regimes. Sie nahm
mich in Schutz und hielt den anderen Mädchen eine Moralpredigt. Am Ende erlaubte sie sich sogar die Worte: ‘Habt ihr diese Frechheit etwa im
BDM gelernt?’ Und keiner wagte, ihr zu widersprechen, selbst der Rektor nicht, der ein Nazi war."
Elisabeth Guttenberger in der Volksschule: 3. Reihe, ganz links neben der Lehrerin
Quelle: Dokumentations- und Kulturzentrum Deutscher Sinti und Roma, Heidelberg
M 4: Paul Schneck
Paul Schneck in der Katholischen Feldschule Hamm, Anfang 1939: 2. Reihe von oben, 2. von links.
Quelle: Dokumentations- und Kulturzentrum Deutscher Sinti und Roma, Heidelberg
Am 13. März 1943 trifft Paul Schneck in Auschwitz ein und erhält die Nummer "Z 2369". Sein weiteres Schicksal ist unbekannt; mit großer Wahrscheinlichkeit ist er dem Völkermord zum Opfer gefallen.
Herausgeber: Landesbildungsserver Baden-Württemberg
Quelle: https://www.schule-bw.de
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