Orient und Okzident: Sklaven gegen Luxus?
Das Mittelmeer als einheitlicher Raum und Zentrum von Handel und Kultur erlebte in der Spätantike eine Zäsur. Das Römische Reich wurde in einen westlichen und einen östlichen Teil geteilt, die sich zunehmend auseinanderentwickelten. Ab dem 7. Jahrhundert expandierten die Araber und ihr Glaube an den Propheten in Nordafrika und im Vorderen Orient, sodass man lange von einer Dreiteilung der einstmals homogenen Mittelmeerwelt sprach.
Handelsrouten zwischen 700 und 900
© Peter Palm, Berlin
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Zugleich rissen die Beziehungen zwischen den einzelnen Regionen aber nie gänzlich ab. Religiös motivierte Reisen, diplomatische Beziehungen und Handelsbeziehungen sorgten dafür, dass es auch im Frühmittelalter zu Kontakten zwischen der muslimischen Welt des Orients und der christlich geprägten in Europa sowie dem Oströmischen Reich kam. Tatsächlich lässt sich für viele Produkte nachweisen, dass sie lange Handelswege zurücklegten: nicht nur die Seidenstraße funktionierte nach China nach wie vor, auch Bernstein fand den Weg von der Ostsee in den Vorderen Orient, sei es über Mitteleuropa oder über den sog. „northern arc“ via Schwarzes Meer oder Kaukasus.
Handelsbeziehungen zwischen 700 und 900
(aus: Michael McCormick, Origins of the European Economy. Communications and Commerce AD 300-900, Cambridge 2001, S. 676)
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Überdies gibt es eine stattliche Anzahl von Münzfunden arabischen Ursprungs in Mitteleuropa, die zeigen, dass es wirtschaftliche und
kulturelle Kontakte zwischen Orient und Okzident gab. Interessant ist es, hierbei der Frage nachzugehen, was denn die Handelsgüter
zwischen Morgen- und Abendland waren: Die Antwort hierauf fällt nicht sehr schwer, wenn es darum geht, festzulegen, was aus dem
Orient nach Europa transportiert wurde: Gewürze, edle Düfte in Form Parfums, Heilmittel, Seide (aus Fernost) oder Weihrauch (aus Äthiopien) kamen über
die Levante nach Europa – bis auf den für den Gottesdienst unverzichtbaren Weihrauch alles Luxuswaren für das Frühmittelalter.
Münzfunde im karolingischen Europa
(aus: Michael McCormick, Origins of the European Economy. Communications and Commerce AD 300-900, Cambridge 2001, S. 348)
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Schwieriger – und weniger angenehm – wird die Antwort, wenn man versucht herauszufinden, was die Europäer anzubieten hatten:
neben Bernstein von der Ostsee oder Zinn aus Cornwall werden die im Orient sehr geschätzten fränkischen Schwerter genannt und vor
allem: Sklaven. Europäer haben ihren Luxus aus dem Orient also hauptsächlich mit Europäern finanziert. Dies nachzuweisen ist nicht
einfach, denn diese Europäer, die auf dem Weg in den Orient zu Sklaven wurden, haben wenig Spuren hinterlassen.
Die Konsequenzen aus dieser Erkenntnis sind bemerkenswert: die überwiegend im zu missionierenden Gebiet östlich des Frankenreichs gefangenen heidnischen Slawen wurden
via Venedig
in den Orient verkauft – christliche Nächstenliebe und Auftrag zur Mission hatten offensichtlich gegenüber der Möglichkeit, Handel mit dem Orient zu treiben, zurückzustehen.
Venedig hat seinen Aufstieg als Handelsmacht ab dem 9. Jahrhundert diesem „Warenaustausch“ zu verdanken, die Herrschenden in Mitteleuropa hatten einen Vorteil von der Verbindung –
nämlich den Zugang zu sonst kaum erhältlichen Luxuswaren – und zugleich hatte man eine Möglichkeit bei der Expansion nach Osten die widerständigsten Feinde gewinnbringend zu
deportieren. Man musste sie ja noch nicht einmal wegschaffen, denn transportiert haben sie sich selbst.
Dieses Modul verwirrt und wirft einen (neuen) Schatten auf eine Zeit, die
üblicherweise in unsere Geschichtsbüchern mit (inzwischen in Frage gestelltem) Lehenswesen, karolingischer Expansion und der Krönung von 800/801 als Beginn eines neuen abendländischen
Kaisertums Eingang findet. Und sie zeigt eine weitere Facette, wie sich unterschiedliche Kulturen (in diesem Falle: Christentum und Islam) durchaus arrangieren konnten – auf Kosten
Dritter. Schließlich zeigt das Modul, dass der Kontakt zwischen den Kulturen nie ganz abgebrochen ist. Es gibt also keine Lücke zwischen dem Römischen Reich und der Zeit der Kreuzzüge –
der kulturelle und wirtschaftliche Austausch brach nie ganz ab.
Handfessel aus Haithabu
© Archäologisches Landesmuseum Schleswig-Holstein
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Dieses Unterrichtsmodul versucht diesem oben beschriebenen frühmittelalterlichen Handel nachzuspüren. Dazu verwendet das Modul
zentral die Arbeit des amerikanischen Mediävisten
Michael McCormick von der Harvard University, der die Kontakte zwischen Europa und dem Orient in seinem einschlägigen
Werk
Michael McCormick, Origins of the European Economy. Communications and Commerce AD 300-900, Cambridge 2001 erforscht hat.
In weiten Teilen übernimmt das Modul die Argumentation Prof. McCormicks.
Mit diesem Unterrichtsmodul kann der globalgeschichtliche Standard für die Klasse 6 bedient werden. Um das komplexe Feld Schülern der Unterstufe näherzubringen, mussten die
akademischen Texte aus dem Englischen in der Übersetzung zum Teil vereinfacht werden. Dies ist mit ausdrücklichem Einverständnis von Prof. McCormick geschehen.
Unterrichtsverlauf:
1. Einstieg und Hypothesenbildung:
arabische Münzen, gefunden in Steckborn am Bodensee
© Foto AATG, D. Steiner,
www.archaeologie.tg.ch
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und
als pdf-Datei
zum Download und zum Einsatz als Folie.
Hypothese: Es gab wirtschaftliche Beziehungen zwischen dem Frankenreich und dem Orient!
2. Leitfrage: Wie kommen die Münzen aus Arabien an den Bodensee?
Anschlussfragen:
- Womit wurde gehandelt zwischen dem Orient und dem Okzident?
- Was wurde importiert? Was wurde exportiert?
- Auf welchen Wegen wurde gehandelt?
- Wer hat profitiert?
3. Gruppenarbeit:
Materialpool M 1-M 13 , darunter
- Exporte aus dem Orient
- Arabische Münzfunde im Frankenreich
- Arabische und byzantinische Münzfunde in Mitteleuropa
- Kommunikationswege zwischen Fernhändlern im Mittelmeerraum (700-900)
- Exporte in den Orient
- Handelsrouten im Mittelmeerraum (8./9. Jh.)
- Preisvergleich: Wie viel kann man für einen Sklaven bekommen?
- Aus der Vita des Eligius
- Etymologie des Wortes Sklave
- Sklavenexportrouten von Europa in den Orient (700-900)
- Frühmittelalterliche Handfessel
- Gefesselte Sklaven
- Abendland und Morgenland: Fernhandel und Nutznießer
4. Präsentation: Vorstellung einer Theorie als Wirkungsgefüge, alternativ Auswertung über UG
potenzieller Tafelanschrieb
© Grupp 2016
5. Problemorientierung:
- Die Anfänge der europäischen Wirtschaft mittels der Sklaverei?
- (evtl. Aktualisierung: Leben auf Kosten anderer)
- Bewertung Karls
- Bewertung der Rolle Venedigs
Herausgeber: Landesbildungsserver Baden-Württemberg
Quelle: https://www.schule-bw.de
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