Kolonialismus lokal - wie man Regionalgeschichte und Globalgeschichte verbinden kann
Im Bildungsplan 2016 werden in den Leitgedanken sowohl die globale als auch die regionale Ebene von Geschichte explizit angesprochen. In diesem Modul wird nun der Versuch unternommen, anhand von zwei Beispielen beide Ebenen miteinander zu verschränken. Das erste Beispiel wendet sich dem Leben um 1900 zu. Dort wird die zunehmende Vernetzung am Beispiel von Anzeigen aus lokalen Blättern um die Jahrhundertwende thematisiert. Im zweiten Beispiel geht es um die langen Schatten des Kolonialismus: In Albstadt-Ebingen gab es in den 1980er-Jahren die Bestrebung, eine Straße umzubenennen. Die kuriose Wendung dieser Geschichte kann zeigen, welche Akteure und Emotionen solch ein Unterfangen und damit das koloniale Erbe bis heute auslösen können.
Inserat im neuen Alb-Boten, Ebingen, 1911, Quelle: Stadtarchiv Albstadt |
I. Kolonialwaren in einer schwäbischen Kleinstadt
Inwiefern zeigt sich die erste Globalisierung vor dem Ersten Weltkrieg vor Ort in einer kleinen schwäbischen Stadt? Dies lässt sich leicht überprüfen, wenn man in die Tageszeitungen vor Ort schaut. Mithilfe von drei Stichproben sowie einem Auszug aus dem Adressbuch kann man für Schülerinnen und Schüler anschaulich nachweisen, dass es für die Menschen in Europa durchaus spürbar war, dass die Welt um 1900 kleiner geworden war.
Diese Dokumente findet man in jedem örtlichen Archiv, das über Tageszeitungen zwischen 1890 und 1910 verfügt. Deshalb lässt sich dieses Modul auch sehr leicht übertragen auf den jeweiligen Schulort. Man kann Schülerinnen und Schüler selbst nach den Belegen suchen lassen oder sie schon mit aufbereitetem Material konfrontieren.
Die Schüler erkennen, dass der globale Warenaustausch besonders im Bereich der Genussmittel um die Jahrhundertwende stattgefunden hat. Diese Erkenntnis kann sowohl am Beginn als auch am Ende der Einheit zum Imperialismus stehen und jeweils die Brücke zurück nach Europa darstellen, wird doch mithilfe der Zeitungsausschnitte deutlich, dass Produkte aus Asien, den Amerikas und Afrika in Europa geschätzt und konsumiert wurden.
Inserat im neuen Alb-Boten, Ebingen 1895, Quelle: Stadtarchiv Albstadt |
Unterrichtsdesign
1. Einstieg: Kolonialwarenhändler in einer schwäbischen Kleinstadt
2. Leitfrage: Welche kolonialen Produkte wurden vor Ort angeboten und woher wurden die importiert?
3. Arbeitsauftrag: Erstelle auf der Grundlage der Zeitungsanzeigen eine Liste mit Produkten aus Übersee, indem du sie auf einer Karte grob verortest.
4. Vertiefung: Welche Anschlussfragen stellen sich?
- Wie wurden die Produkte transportiert?
- Welche Kosten entstanden?
- Wer hat an der Globalisierung verdient?
- Waren diese Produkte für die deutsche Bevölkerung teuer?
- Wie teuer?
5. Problemorientierung: War der Konsum eine Triebfeder des Imperialismus?
II. Straßenumbenennung : Von Karl Peters zu Karl Peter
In der Stadt Ebingen (heute: Albstadt-Ebingen) wurde 1938 ein Teilabschnitt einer Straße in "Karl-Peters-Straße" umbenannt, in bewundernder Erinnerung an den Gründer der "Gesellschaft für deutsche Kolonisation" Dr. Carl Peters, der sich manchmal auch als "Karl Peters" in den Akten findet. 1989 gab es sowohl von der Stadtverwaltung als auch von einzelnen Fraktionen die Bestrebungen, die Straße zurückzubenennen. Die Anwohner wehrten sich aber dagegen, dass ihre Straße einen anderen (eigentlich: den ursprünglichen) Namen erhält. Diese "Posse" (H.-P. Schreijäg) können die Schülerinnen und Schüler anhand der unten zugänglichen Dokumente nachvollziehen und von hier aus diskutieren, inwiefern Straßennamen problematisch zu bewerten sind und was zu tun ist, wenn man auf kritische Straßennamen stößt. Überdies liegt es nahe, dass man sich vor Ort kundig macht, ob Straßen nach Personen mit zweifelhafter Reputation benannt sind.
Porträt von Carl Peters mit Gewehr und Pistole |
1. Einstieg: Wer ist Karl/Carl Peters?
2. Problematisierung: Kann man in der Bundesrepublik Straßen nach Carl Peters benennen? Muss man sie umbenennen?
3. Albstadt 1989: Der Plan der Umbenennung und wie er gescheitert ist
- Zusammenfassung
- Zeitgenössischer Zeitungsbericht (Schwarzwälder Bote vom 18. März 1989)
- Zeitgenössischer Kommentar (Hans-Peter Schreijäg: Schwarzwälder Bote vom 18. März 1989)
4. Reflexion: Inwiefern sind Straßennamen und Straßenumbenennungen schwierig?
5. Generalisierung: Gibt es vor Ort kritische Straßennamen? Wie sollte man sich verhalten?
Herausgeber: Landesbildungsserver Baden-Württemberg
Quelle: https://www.schule-bw.de
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