Französische Revolution – Mehr Rechte für die Frau?
Ein oft stiefmütterlich behandelter Aspekt im Kontext der Französischen Revolution ist die Rolle der Frau. Häufig ist die Begeisterung über die Bedeutung und die Errungenschaften der Menschen- und Bürgerrechte so groß, dass leicht übersehen wird, wer nur in Teilen oder gar nicht davon betroffen ist. Ein kritischer Blick auf die Ereignisse und die Diskussionen um die Rechte der Frau innerhalb der „Menschenrechte“ kann die Perspektive erweitern. In diesem Modul wird diese Thematik außerdem mit dem Thema Dramapädagogik und Sprachsensibilität kombiniert, um so einen leichteren und breiteren Zugang zu dieser Thematik herzustellen.
Marsch der Pariser Marktfrauen nach Versailles |
In diesem Modul erfolgt der Einstieg über ein Bild, das im close-up-Verfahren aufgedeckt wird, um die Schülerinnen und Schüler für die Rolle und Sichtbarkeit der Frauen in der Französischen Revolution zu sensibilisieren. Dazu wird das einschlägige Bild vom Zug der Marktfrauen nach Versailles eingesetzt. Die Schülerinnen und Schüler fragen sich, ob die Französische Revolution auch für die Frauen mehr Rechte erzielt hat. Dieser Fragestellung gehen sie aus drei Perspektiven mithilfe dreier unterschiedlicher Arbeitsblätter und Perspektiven nach: der Königin Marie Antoinette, der Frauenrechtlerin Olympe de Gouges und des jakobinischen Abgeordneten Jean-Baptiste Amar, der auf der Basis der Menschen- und Bürgerrechte argumentiert.
Im einem weiteren Vertiefungsschritt befassen sich die Schülerinnen und Schüler mit der jeweiligen Figur als Rolle – es geht darum, sich noch mehr mit der historischen Persönlichkeit und deren Einstellungen bzw. Forderungen vertraut zu machen. Dazu wird die Methode „Heißer Stuhl“ eingesetzt. In einer zweiten Erarbeitung „bauen“ die Experten jeweils eine Statue von ihrer Person und statten sie mit einem Satz aus, der möglichst gut zu ihr passt. In der Phase der Sprachsensibilisierung wird der Wortschatz mithilfe einer Adjektivliste erweitert. Die einzelnen Adjektive können aus methodischen Gründen auch in Schnipseln über den ganzen Raum verteilt werden.
In der zweiten Doppelstunde werden zunächst die Fotos der drei Menschen-Statuen aus der ersten Doppelstunde per Beamer gezeigt. Die Schülerinnen und Schüler bekommen drei Kreidestücke und schreiben Begriffe (Adjektive, Namen, Forderungen) dazu, geben die Kreide dann jeweils weiter. In einem Raumlauf fühlen sich die Schülerinnen und Schüler in die Figuren ein. In einer kreativen Erarbeitungsphase werden jeweils von 6er-Gruppen Treffen der historischen Figuren in einem szenischen Spiel arrangiert; dieses wird konzipiert und durchgeführt. In der Reflexion diskutieren die Schülerinnen und Schüler über eine Positionierung der Figuren zum historischen Geschehen und der ursprünglichen Fragestellung. Eine Aktualisierung wird noch durch die Beispiele der Frauenbewegung aus dem 20. und 21. Jahrhundert angestrebt.
Olympe de Gouges |
Alle Unterlagen zum Downlaod als zip-Datei (4,9 MB)
Unterrichtsdesign: 1. Doppelstunde
1. Einstieg: Marsch der Pariser Frauen nach Versailles
Es werden zunächst einzelne Details nacheinander aufgedeckt.
Beschreibung: Wen/Was seht/erkennt ihr?
Was machen die dargestellten Menschen?
Inwiefern entspricht die Darstellung von Frauen im Bild euren eigenen Vorstellungen von Frauen in der Zeit der Französischen Revolution?
Warum könnten die Frau so gehandelt haben?
2. Erarbeitung und Sicherung 1: arbeitsteilige Expertengruppen
- M 1 Marie Antoinette pdf und word.doc
- M 2 Olympe de Gouges pdf und word.doc
- M 3/4 Jean-Baptiste Amar pdf und word.doc
- Auswertungsblatt als pdf und word.doc
Arbeitsanweisung:
- Lies die Forderungen der Nationalversammlung und die Rede Amars aufmerksam durch. Markiere dir zentrale Aussagen!
- Arbeite die Haltung und Forderungen aus dem Text heraus. Notiere dir hierzu Stichworte in der Tabelle auf dem zweiten Arbeitsblatt.
Overlay-Verfahren: Lösungen auf Folienschnipsel schreiben (Figur + Forderungen)
Ein möglicher Lösungshorizont liegt bei als pdf und word.doc.
3. Vertiefung: Heißer Stuhl
Immer eine/r aus eurer Gruppe setzt sich auf einen Stuhl. Die anderen aus der Gruppe stellen der/demjenigen Fragen zu eurer Persönlichkeit. Wer befragt wird, muss sich Antworten überlegen, die zu der jeweiligen Persönlichkeit passen.
Der/Die Mitschüler/in auf dem Stuhl kann jederzeit ausgewechselt werden.
Am Ende soll jede/r mindestens einmal auf dem Stuhl gesessen haben und mindestens drei Fragen gestellt haben.
4. Erarbeitung und Sicherung 2: „Statue & Bildhauer“
Wählt eine/n Mitschüler/in aus eurer Expertengruppe aus. Diese/r soll nun zu einer Statue gestaltet werden. Die anderen Gruppenmitglieder schlüpfen dabei in die Rolle der Bildhauer.
Modelliert gemeinsam die Statue entsprechend eurer historischen Persönlichkeit. Achtet dabei besonders auf: die Gestik/Haltung sowie die Mimik eurer Persönlichkeit.
Hinweis für die Lehrkraft: Die Statue sollte zur Anknüpfung in der zweiten Doppelstunde fotografiert werden.
Formuliert im Imperativ Plural eine Forderung, die zu eurer Persönlichkeit passt. Später soll eure Statue mitsamt der passenden Forderung präsentiert werden.
Präsentation der Statuen: Die drei Figuren stellen sich jeweils nebeneinander auf und formulieren ihren Satz.
5. Sprachsensibilisierung: Adjektive zur Beschreibung
Ordnet den drei Personen jeweils passende Adjektive zu.
Adjektivliste als pdf und word.doc
Abschließend werden alle Informationen auf dem Arbeitsblatt gesichert (vgl. möglicher Lösungshorizont als pdf und word.doc).
Demonstration in Gießen im Jahr 1982 Copyright AddF, Kassel, www.addf-kassel.de |
2. Doppelstunde
1. Einstieg als Anknüpfende Wiederholung: Fotos der drei Menschen-Statuen (alternativ können auch historische Bilder verwendet werden)
Zusätzliche Adjektive können auf dem Arbeitsblatt der Vorstunde ergänzt werden.
2. Warm-up zur Rollenarbeit durch Raumlauf
1. Lauft durch den Raum. Fühlt euch in eure historische Persönlichkeit und in die Gruppe, für die sie steht, ein:
Marie Olympe de Gouges – Frauenbewegung
Marie-Antoinette von Österreich-Lothringen – Adel
Jean-Baptiste Amar – Männer der Nationalversammlung
Nehmt auch allmählich die Gestik und Mimik eurer Persönlichkeit an.
- Sagt erst leise, dann immer lauter werdend Sätze vor euch hin, die ihre Haltungen bzw. Forderungen widerspiegeln. Benutzt hierfür den Imperativ Plural.
- Zwischendurch darf sich immer wieder eine/r von euch auf den Stuhl in die Mitte stellen und die Forderung oder Haltung im Imperativ Plural laut ausrufen. (Bsp. „Gebt uns Frauen mehr Rechte!“ – Olympe de Gouges).
3. Erarbeitung 1: Szenenspiel schreiben und üben
1. Fühlt euch in eure Rollen von gestern wieder ein: Marie Olympe de Gouges, Marie-Antoinette, Jean-Baptiste Amar. Erinnert euch zurück an die Haltungen, die ihr eingenommen, und Forderungen, die ihr vertreten habt.
2. Stellt euch vor, diese drei Personen würden sich treffen und miteinander über die Rechte der Frauen diskutieren. In Gruppenarbeit sollt ihr nun dieses Gespräch aufschreiben, einüben und euch darauf vorbereiten, es später aufzuführen.
3. Bildet dazu 6er-Gruppen: es diskutieren je zwei Marie Olympes, zwei Marie-Antoinettes und zwei Jean-Baptistes zusammen in einer Gruppe!
4. Stellt euch am Anfang des Gesprächs vor und äußert euren Imperativ-Satz der letzten Stunde.
4. Präsentation und Reflexion des Szenenspiels:
Möglichst viele Gruppen präsentieren ihr Szenenspiel.
Danach reflektieren die Schülerinnen und Schüler ihre Ergebnisse:
Während Frauen für sich die Gleichberechtigung mit den Männern in Rechten und Pflichten forderten, strebten die Männer der Nationalversammlung nach mehr Rechten für die Männer des dritten Standes. Marie-Antoinette interessierte sich nicht für die Veränderung der bestehenden Rechte, weder für die Forderungen der Männer noch für die der Frauen.
5. Aktualisierung: Frauen, die im Laufe der Zeit für Gleichheit und gegen Ungerechtigkeiten protestierten.
Von der Französischen Revolution bis heute gab und gibt es weiterhin zahlreiche Frauenbewegungen. Das Thema Frauenrechte hat bis heute nicht an Relevanz verloren. Bsp. : Marsch der Pariser Frauen in Versailles (Bezug zur ersten Doppelstunde); Frauenrechte zu Beginn des 20. Jh.; Frauenemanzipation der 1980er; Women’s March in Washington 2019.
Women's March on Washington, 2019 |
Diese Unterrichtseinheit wurde entwickelt und erprobt von Marisa Eifler (Progymnasium Tailfingen, Albstadt).
Nähere Informationen zum Ansatz von Prof. Christiane Bertram finden Sie unter:
Bertram, C. & Bryant, D. (2019, in Druck). Geschichte – Sprache – Theater: Sprachbildung und Förderung historischen Denkens mit dem dramapädagogischen Ansatz. In C. Bertram & A. Kolpatzik, A. (Hrsg.), Sprachsensibler Geschichtsunterricht. Von der Theorie über die Empirie zur Pragmatik. (S. 138-148). Frankfurt a.M.: Wochenschau-Verlag.
Herausgeber: Landesbildungsserver Baden-Württemberg
Quelle: https://www.schule-bw.de
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