Ein deutscher Blick auf die Metropole London: Theodor Fontane reist nach London
Der bürgerliche Blick auf die Großstadt
Die bürgerliche Bildungsreise ist ein Kind der (Selbst-)Aufklärung. Sie zielt auf intellektuelle Selbstbestimmung und – wenn möglich politische – kulturelle Mitbestimmung in Staat und Gesellschaft. Insgesamt dient sie der Horizonterweiterung im buchstäblichen wie im übertragenen Sinne. "Ziel waren in erster Linie die antiken Kulturstätten vor allem in Italien, im 19. Jahrhundert auch die modernen, für ihre technologischen und wissenschaftlichen Innovationen bekannten Städte insbesondere in England" (zitiert nach: Rüdiger Hachtmann, Tourismus-Geschichte, Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht 2007, S. 49).
Houses of Parliament, London 1852 (Edmund Walker (1836-1882))
Das Parlament wurde 1852 fertiggestellt.
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Einerseits versicherten sich also Antike-Begeisterte in Italien oder Griechenland ihrer geistigen Herkunft und humanistischen Bildung. Ein Besuch in London hingegen oder überhaupt einer Stadt, in der der bürgerlich-kapitalistische Fortschritt mitsamt seinen Schattenseiten bereits Ende des 18. Jahrhunderts Einzug gehalten hatte, wurde zu einer Reise in die Zukunft. In Ländern wie Großbritannien und Belgien (es war in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts das am stärksten industrialisierte Land Europas, das sich erst 1830/31 aus den Vereinigten Niederlanden löste), denen der frühe Industriekapitalismus bereits seinen Stempel aufgedrückt hatte, oder in Städten wie Paris konnte man bestaunen, was einem zu Hause noch bevorstand, was faszinierend und auch bedrohlich wirken konnte: rauchende Schlote, zischende und stampfende Maschinen, moderne Architektur, Städtebau in ganz neuen Dimensionen, aber auch drückende soziale Probleme. Frühe Manager und Fabrikanten wallfahren aus handfesten ökonomischen Interessen seit Beginn des 19. Jahrhunderts zuhauf nach England, Handwerksgesellen nutzen auf ihrer Walz die Gelegenheit, neue Verarbeitungs- und Produktionsprozesse kennen zu lernen.
Haupteingang des Crystal Palace im Londoner Hyde Park
Schauplatz der Great Exhibition von 1851, der allerersten Weltausstellung
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Fontane in England
Theodor Fontane war ein aktiver Revolutionär im Berlin des Jahres 1848 und stritt auf den Barrikaden für die Sache der radikalen Demokratie - nach der Niederschlagung der Revolution entschloss er sich noch im Jahre 1849 seinen erlernten Beruf, das Apothekertum, aufzugeben und sich ganz der Schriftstellerei zu widmen. Er reiste in den 1850er-Jahren mehrfach nach Großbritannien, verfasste dort Reiseberichte und war schließlich als Korrespondent der erzkonservativen Kreuz-Zeitung tätig, bevor er 1859 wieder nach Preußen zurückkehrte.
Theodor Fontane, 1860
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Aufgabe:
1. Arbeite aus Fontanes Reportage heraus, wie sich London verändert hat.
2. Zeige, welche Haltung Fontane gegenüber den Veränderungen aus der Industrialisierung einnimmt, indem du untersuchst, wo er wertet.
Die Aufgabe sowie die Reportage Fontanes als pdf-Datei zum Download.Differenzierung
1. Untersuche anhand von Statistiken ausgewählter Städte den Urbanisierungsprozess in Südwestdeutschland.
2a. Untersuche, inwiefern Englandreisen im 19. Jahrhundert zur Industriespionage (Vortrag von Dr. Klaus Strohmeyer mit Tagebuchnotizen Schinkels bei einer Spezialistenreise in England) genutzt wurden.
2b. Nimm aus deutscher Sicht Stellung zu der Problematik von Industriespionage – berücksichtige dabei auch die Situation im 21. Jahrhundert (vgl. die Links in der rechten Spalte).
Herausgeber: Landesbildungsserver Baden-Württemberg
Quelle: https://www.schule-bw.de
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