Die Mongolen kommen!
Eine der größten Herausforderungen des globalgeschichtlichen Ansatzes besteht darin, dass man seine Perspektive enorm ausweiten muss: Nicht mehr die Entwicklung alleine von Mitteleuropa oder gar des deutschsprachigen Raumes steht im Zentrum des Geschehens, sondern Entwicklungen, die in Fernost, auf dem eurasischen Doppelkontinent, im Vorderen Orient und später noch auf den beiden Amerikas stattfinden. Dies zwingt die Lehrenden dazu, sich mit Themen zu befassen, die bisher (vielleicht) außerhalb der Aufmerksamkeit lagen. "Fenster zur Welt", die zum Beispiel die Mongolen in den Blick nehmen, verschieben den Blickwinkel und erfordern eine didaktische Aufbereitung. Letzteres möchte dieses Modul leisten, das das "neue Thema" der mongolischen Reichsbildung und der Pax Mongolica fokussiert.
Die Mongolen präsentieren der belagerten Stadt Liegnitz den abgeschlagenen Kopf Heinrichs II., aufgespießt auf einer Lanze.
(Altarszene des Breslauer Hedwigaltars, um 1430, Nationalmuseum Warschau, Inv. No. Sr. 28/1)
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Ausgehend von der Erfahrung der Europäer, dem sog. "Mongolensturm" 1240/41 und seiner Wahrnehmung, sollen die Hintergründe dieser erfolgreichen und ausgreifenden Reichsbildung erarbeitet werden. Dazu haben schon im Mittelalter die europäischen Fürsten Kundschafter ins mongolische Reich geschickt: Auf deren Spuren lernen die Schüler das Leben am Hofe des Großkhans und die Militärwesen der Mongolen kennen. Die Mongolen waren technisch und wirtschaftlich durchaus fortschrittliche Nomaden, sie verfügten über ausgereifte Kriegsstrategien und profitierten von Luxushandel und dem handwerklichem Können der unterworfenen Völker. Drei Reisende, nämlich Ibn Battuta, Marco Polo und Bar Sauma, werden in einem nächsten (arbeitsteiligen) Schritt näher beleuchtet, sodass nachvollziehbar wird, welche Leistung das mongolische Reich vollbracht hat: eine Vernetzung bislang separierter Weltregionen oder, wie es in der Forschung auch genannt wird, eine "Globalisierung vor der Globalisierung".
Caravane sur la Route de la soie
Bild: Cresques Abraham - Atlas catalan via Wikimedia Commons
Quelle
In einer zweiten Doppelstunde sollen daraufhin einzelne Aspekte des Mongolenreichs thematisiert werden: Wirtschaft, Infrastruktur, Herrschaft sowie Umgang mit dem Glauben der beherrschten Bevölkerung sollen Aufschluss darüber geben, inwiefern man bei dem mongolischen Reich den Begriff "Imperium" anwenden kann. Wichtige Kennzeichen hierfür wären, zum Beispiel:
- der Großkhan als Integrationsfigur mit göttlicher Legitimation und höchster Machtfülle
- ein überall einsetzbares, kaum geschlagenes Heer mit bis zu 1 Mio. Soldaten
- ein flächendeckendes Handelsnetzwerk mit regem Austausch, Papiergeld, Handelskompanien
- ein staatlich garantiertes Zusammenleben der verschiedenen Kulturen und Religionen
So wird offensichtlich, was das mongolische Reich zusammengehalten hat und welche Faktoren zu einem Auseinanderdriften geführt haben. Die Frage nach den Segnungen der Pax mongolica und der Gewaltbereitschaft der Mongolen wird anhand von mehreren Quellen nochmals aus verschiedenen Perspektiven gestellt.
Um die Aufmerksamkeit wieder nach Europa zurückzulenken, schließt das Unterrichtsmodul mit einem thematischen Aspekt ab, der auch unter dem Phänomen "Globalisierung" subsumiert werden kann: Der Pesterreger hat die Seidenstraße benutzt, um seine zerstörerische Kraft in Mitteleuropa zu entfalten. Dabei wird der Blick, der meist durch die genuesische Handelsstation in Caffa am Asowschen Meer begrenzt wird, bewusst erweitert, um den globalgeschichtlichen Zusammenhang dieses spätmittelalterlichen Phänomens zu beleuchten.
Alle folgenden Arbeitsblätter können Sie auch als zip-Datei (5 MB) herunterladen.
Unterrichtsverlauf
1. Doppelstunde:
Einstieg:
Der Mongolensturm über Europa 1240/1
Erarbeitung 1
Ereignisse und Wahrnehmungen
Aufgabe: Untersuche, wie sich den Europäern die Ankunft der Mongolen darstellt. Wie schätzt der Mongole Batu die ausbleibende Reaktion des Ungarnkönigs ein (M 3)?
Die Europäer sehen in den Mongolen (Tartaren zu Tartarus=Hölle) Vorboten des Antichrist und des nahenden Weltendes.
Erarbeitung 2: Quellenarbeit in arbeitsteiliger Partnerarbeit
Die Europäer schicken Kundschafter ins Mongolische Reich (Johannes von Plano Carpini und Wilhelm von Rubruk), um mehr über die Mongolen herauszufinden.
Aufgabe (für beide Partner gleich):
1. Sammle Informationen zum Leben im Mongolenreich.
2. Überprüfe, inwiefern es sich bei den Mongolen tatsächlich um ein barbarisches, unzivilisiertes und/oder mächtiges Volk handelte.
Fazit: Die Mongolen sind technisch und wirtschaftlich durchaus fortschrittliche Nomaden, sie verfügen über ausgereifte Kriegsstrategien und profitieren vom Luxushandel und dem handwerklichem Können der unterworfenen Völker.
Vertiefung: als Gruppenpuzzle
Drei Beispiele berühmter Reisender aus Europa, China und Arabien
- Ibn Battuta: Von Tanger nach China
- Marco Polo: Von Venedig nach China
- Bar Sauma : von Peking nach Paris
Arbeitsauftrag in der Expertengruppe:
- Betrachte genau den Verlauf der Reiseroute deines Reisenden auf der Karte. Untersuche mit Hilfe eines Atlas, durch wie viele heutige Länder er gereist ist und wie viele Kilometer er zurückgelegt hat.
- Stelle aus dem Reisebericht zusammen, wie dein Reisender seine Reise beschreibt.
Arbeitsauftrag in der Stammgruppe:
- Stellt euch gegenseitig die Reisenden, ihre Reiserouten und Erfahrungen vor. Vergleicht diese hinsichtlich der Gemeinsamkeiten und Unterschiede.
- "Während der Herrschaft der Mongolen sind die drei bisher getrennten Kontinente Europa, Afrika und Asien näher miteinander verwachsen.“ Diskutiert in der Gruppe, ob die drei Reisenden ein Beweis für diese Aussage sind. Begründet eure Entscheidung."
Problemorientierung: Inwiefern ist mit dem mongolischen Reich eine Vernetzung bislang separierter Weltregionen erfolgt ("Globalisierung vor der Globalisierung")?
Offen bleibt dabei die Frage nach den Linien und den Knotenpunkten sowie der Dichte des Netzes.
M 5 Feiern am Hofe des Großkhans
Bibilothèque Nationale de France
Bild: unknown / (of the reproduction) Staatsbibliothek Berlin/Schacht [Public domain], via Wikimedia Commons © wikipedia gemeinfrei
Quelle 1024x1373 Pixel
2. Doppelstunde
Einstieg
Impuls/Leitfrage: Inwiefern brachte das mongolische Reich eine Vernetzung? Was muss noch geklärt werden? Inwiefern war es überhaupt ein Imperium?
Erarbeitung 1: Arbeitsteilige Gruppenarbeit mit anschließender Präsentation
Leitfragen:
1. Inwiefern bringt das Mongolenreich eine Vernetzung?
2. Welche Faktoren tragen zur Stabilität und zum Erfolg des Imperiums bei?
- Wirtschaft: Papiergeld und Handelskompanien
- Infrastruktur: Poststationen und Schutz der Händler
- Herrschaft: Der Großkhan - der mächtigste Mensch der Welt?
- Religion: "Toleranz" bei den Mongolen?
Präsentation der Ergebnisse
Fazit: Das mongolische Reich kann sehr wohl als ein Imperium bezeichnet werden.
- Der Großkhan als Integrationsfigur mit göttlicher Legitimation und höchster Machtfülle
- ein überall einsetzbares, kaum geschlagenes Heer mit bis zu einer Million Soldaten
- ein flächendeckendes Handelsnetzwerk mit regem Austausch, Papiergeld, Handelskompanien
- ein staatlich garantiertes Zusammenleben der verschiedenen Kulturen und Religionen
- aber: bereits ab 1290 erkennen die Khanate der Goldenen Horde und Tschagatai die Oberhoheit des Großkhans nicht mehr an
Multiperspektivische Kontroverse zur mongolischen Herrschaft:
- Mongolensturm
- Mongolische Segnungen
Abrundung: Der Weg zurück nach Europa
Die Pest: Schattenseite der ersten Globalisierung
Ausbreitung der Pest von Asien nach Europa
Bild: Peter Palm, Berlin
Hohe Auflösung
Dieses Unterrichtsmodul ist der Kooperation der Fachredaktion Geschichte am LBS mit Herr Dr. Michael Hoffmann vom RP Stuttgart zu verdanken.
Herausgeber: Landesbildungsserver Baden-Württemberg
Quelle: https://www.schule-bw.de
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