4. Station: Aristoteles
Aristoteles von Stagira (384 - 322 v.Chr.) kannte Sokrates nicht mehr persönlich. Er war Schüler Platons bis zu dessen Tod, trennte sich dann aber von der platonischen Akademie, wurde Lehrer Alexanders des Großen am makedonischen Hof und gründete zuletzt eine eigene Philosophenschule in Athen, das Lykeion (Lyzeum). Weil seine Schüler beim Philosphieren in einer Wandelhalle auf- und abgingen, wurden sie auch als Peripatetiker (peripatos = griech. Wandelhalle) bezeichnet.
Aristoteles beantwortete die Frage nach dem Logos (nach dem Letztbegründenden, den letzten Ursachen, dem, was die Welt im Innersten zusammenhält) vollkommen anders als Platon. Das Letztbegründende liegt bei ihm in unserer Welt (lat. in re). Damit hat Aristoteles eine monistische Weltsicht (mono = griech. eins). Es gibt nur eine einzige Welt. Aristoteles erkennt die in ihr wirkenden Kräfte als "Form" (morphe) und "Zweck" (telos).
Aristoteles sieht in Anknüpfung an den Naturphilosophen Anaxagoras die Vernunft als das Erstbewegende, einen in sich ruhenden Erstbeweger. Die Vernunft ruhe in sich. Auch in der Naturwissenschaft griff Aristoteles auf das Denken der Vorsokratiker zurück.
Erst Straton von Lampsakos, Leiter der Aristoteles-Schule in Athen von 287-269 v.Chr., gab diese Verbindung zu Anaxagoras auf und ersetzte sie durch eine Anknüpfung an Demokrit. Er erklärte klipp und klar, dass die Materie Grund allen Seins sei, nicht der Geist; dass die Vernunft lediglich die innerweltliche Kausalität in Raum und Zeit sei; dass sich die Welt allein aus der Summe ihrer immanenten (ihr innewohnenden) Kräfte als ein in sich geschlossenes materielles Sein darstellen lasse.
Neben den Schriften zur Logik verfasste Aristoteles Schriften zur Naturwissenschaft, zur Metaphysik ("Unter diesem Namen ordnete ein antiker Herausgeber der Werke des Aristoteles die Schriften ein, in denen von den allgemeinen Ursachen der Dinge gehandelt wird. Sie standen in seiner Sammlung hinter den Naturwissenschaften, hinter der Physik, griechisch: meta ta physika." [Hans Joachim Störig: Kleine Weltgeschichte der Philosophie, Frankfurt/Main 1984, S. 176]), Schriften zur Ethik, zur Politik sowie zu Literatur und Rhetorik.
Aristoteles legte die Grundlagen der Biologie, gestützt auf ein für damalige Verhältnisse riesiges Anschauungsmaterial. "Wenn wir Plinius glauben dürfen, so gab Alexander (der Große) seinen Jägern, Wildhütern, Gärtnern und Fischern die Anweisung, Aristoteles mit allem zoologischen und botanischen Material zu versorgen, das er sich nur wünschen mochte. Andere antike Schriftsteller berichten uns, dass Aristoteles einmal tausend Mann, über ganz Griechenland und Asien verstreut, zu Gebote standen, um Exemplare der Fauna und Flora jedes Landes zu sammeln. Mit diesem Reichtum an Material konnte er den ersten großen zoologischen Garten der Welt errichten" (Will Durant: Die großen Denker, Bergisch Gladbach 1980., S. 84 f.).
Allerdings gab es auch bei Aristoteles noch keine moderne Naturwissenschaft im heutigen Sinne, die systematisch auf den Versuch, das Experiment zurückgreift. Auch fehlte es an modernen mathematischen, optischen und physikalischen Messinstrumenten. Bekannt waren in der Hauptsache Lineal und Zirkel, es gab keine zuverlässige Uhr, kein Fernrohr, kein Thermometer. "Der Aufbau des Experiments war noch nicht geschaffen, und das Beste, was er (Aristoteles) tun konnte, war, eine möglichst umfassende und stetige Beobachtung zu erreichen" (Durant,a.a.O., S. 86.)
Störig zieht das folgende Fazit: "Zwischen dem nüchternen, auf Sammlung und Katalogisierung alles Bestehenden und auf streng logische Beweisführung ausgehenden Geiste des Aristoteles und der dichterisch beflügelten, auf das Schöne und Ideale gerichteten Phantasie Platons besteht ein tiefgreifender Unterschied. [...] Aristoteles ist in erster Linie Wissenschaftler. [...] Sein Werk ist eine geistige Welteroberung, in ihrer Art nicht weniger großartig und für die Geschichte der Menschheit folgenreicher als die Siege seines welterobernden Schülers Alexander" (Störig, a.a.O., S. 177).
Der Text beruht vor allem auf folgenden Büchern:
Will Durant: Die großen Denker, Bergisch Gladbach 1980.
Hans Joachim Störig: Kleine Weltgeschichte der Philosophie, Frankfurt/Main 1984.
Aufgaben
1. Zeige, inwiefern sich Aristoteles' Philosophie von der Platons unterscheidet.
2. Erkläre, inwiefern sich Aristoteles' Denken von der modernen Naturwissenschaft unterscheidet.
3. Erläutere, worin Aristoteles' Bedeutung besteht.
Vertiefung/Binnendifferenzierung
Herausgeber: Landesbildungsserver Baden-Württemberg
Quelle: https://www.schule-bw.de
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