Station 1: Die Nürnberger Prozesse
„Die Untaten, die wir zu verurteilen und zu bestrafen suchen, waren so ausgeklügelt, so böse und von so verwüstender Wirkung, dass die menschliche Zivilisation es nicht dulden kann, sie unbeachtet zu lassen, sie würde sonst die Wiederholung solchen Unheils nicht überleben.“
Mit diesen Worten des Chefanklägers R.H. Jackson begann am 21. November 1945 der internationale Hauptkriegsverbrecherprozess gegen führende Nazi-Größen in Nürnberg. Neun Monate später wurden die Urteile verkündet. War damit ein „Lehrstück“ an moderner sich auf die Menschenrechte berufender Rechtsprechung zu einem vorläufigen Ende gekommen? Oder wurden hier bestehende Rechtsgrundsätze missachtet und „Siegerjustiz“ betrieben?
Robert H. Jackson, Hauptanklagevertreter bei den Nürnberger Prozessen |
Vor dem Internationalen Militärtribunal (IMT) der vier Siegermächte musste sich die deutsche Reichsregierung, mehrere Organisationen (SS, Gestapo, NSDAP, u.a) und 22 führende Politiker, Beamte, Funktionäre der NSDAP und Generale der Wehrmacht verantworten. Sie waren nach vier hauptsächlichen Punkten aus dem Statut IMT; Art. 6a-6c angeklagt:
- Verschwörung gegen den Weltfrieden
- Planung, Entfesselung und Durchführung eines Angriffskrieges
- Kriegsverbrechen
- Verbrechen gegen die Menschlichkeit
Trotz ausführlicher und gründlicher Beweisführung, dem Zugeständnis eines deutschen Verteidigers und der Differenziertheit der Urteile, wurde mit Hinweis auf das rechtsstaatliche Rückwirkungsverbot „Nulla poena sine lege“ (keine Strafe ohne Gesetz) der Prozess von manchen Deutschen als „Siegerjustiz“ diffamiert.
Tatsächlich aber war das Hauptanliegen der Alliierten, der Weltöffentlichkeit und vor allem auch dem deutschen Volk die Schwere und Ungeheuerlichkeit der NS-Verbrechen bekannt zu machen. Die Mehrheit der Bevölkerung akzeptierte dann auch den Prozess und seine Urteile. Dies änderte sich allerdings mit den anschließenden zwölf Nachfolgeprozessen, die bis 1949 andauerten. Ein großer Teil der Deutschen war zu diesem Zeitpunkt bereits überzeugt, die Alliierten hätten den Bogen überspannt und man habe mehr Deutsche verurteilt, als wirklich schuldig waren und plädierte für ein sofortiges Ende von Entnazifizierung und Strafverfolgung von Kriegsverbrechen.
International war mit dem Statut für das IMT ein Präzedenzfall für die Bestrafung von Kriegsverbrechen geschaffen worden. Die dort festgelegten Rechtsgrundsätze gelten als „Geburtsurkunde des Völkerstrafrechts“, bereits 1945 wurden die „Nürnberger Prinzipien“ in der UN-Charta verankert und so zur Grundlage für den späteren internationalen Gerichtshof in Den Haag. Auch wenn auf nationaler Ebene die Entnazifizierung ins Stocken geriet, sind seit diesen Prozessen die Gräuel der NS-Zeit im kollektiven Gedächtnis des deutschen Volkes fest verankert und jede Generation muss sich dieser Verantwortung stellen und dafür Sorge tragen, dass die Wahrheit nicht in Vergessenheit gerät.
Die ehemalige Stadt der „Reichsparteitage“ bemüht sich sehr um die Erinnerung des Nationalsozialismus. Seit 1993 gibt es in Nürnberg die „Straße der Menschenrechte“, eine 170 Meter lange Gasse aus 27 Betonsäulen, in die die Artikel der Menschenrechtserklärung eingemeißelt sind. Einmal im Jahr verleiht die Stadt zudem einen Internationalen Menschenrechtspreis.
Anklagebank im Prozess gegen die Hauptkriegsverbrecher vor dem Internationalen Militärgerichtshof |
Herausgeber: Landesbildungsserver Baden-Württemberg
Quelle: https://www.schule-bw.de
Bitte beachten Sie eventuell abweichende Lizenzangaben bei den eingebundenen Bildern und anderen Dateien.