2. Akt: Kandidat 2
Wie alle anderen hatte auch Herzog Georg Wilhelm von Braunschweig-Lüneburg , damals Herzog von Hannover, davon gehört, gerade als seine Stände ihn drängten, sich zu verheiraten. Er hatte geantwortet, er könne sich nur dazu entschließen, wenn sie seine Einkünfte erhöhten. Und, wenn er schon etwas tun solle, was ihm eigentlich zuwider sei, dann wollte er dafür mich haben, denn keine Prinzessin gefiele ihm besser. Er wollte daher wissen, ob die Nachricht von meiner Verlobung wahr sei, und schickte Herrn von Hammerstein , der an unserem Hof gut eingeführt war, das in Erfahrung zu bringen und um gleichzeitig von den Vorgängen in Hannover zu berichten.
Georg Wilhelm von Braunschweig-Lüneburg, 1624-1705
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Hammerstein erfuhr vom Kurfürsten den wahren Stand der Dinge, unter anderem dass Prinz Adolf vieles versprochen hatte, von dem sich nur weniges verwirklichen lassen würde. Wir wussten schon vom Obersten Moore, dass der König mir die Ausübung meiner Religion nicht erlauben würde und dass Prinz Adolf für meinen Unterhalt mehr versprochen habe, als er zu erfüllen imstande war. Hammerstein wurde daher gesagt, dass die Entscheidung beim Kurfürsten liege, die Verhandlungen mit Prinz Adolf abzubrechen oder der Heirat zuzustimmen. Mit dieser Antwort kehrte Hammerstein nach Hannover zurück. Kurz darauf kam der Herzog in Begleitung seines Bruders Herzog Ernst August nach Heidelberg, um von dort weiter nach Italien zu reisen. Er suchte sofort den Kontakt zu mir, befragte mich zu meinen Heiratsplänen und sagte mir tausend verbindliche Dinge, worauf ich wirklich nicht ungeschickt antwortete. Endlich ließ er das große Wort fallen und fragte mich, ob ich es gütigst gestatten würde, dass er um mich beim Kurfürsten anhalte. Ich antwortete nicht wie eine Romanheldin und gab ihm ohne weitere Umstände das Jawort. Denn er gefiel mir viel besser als Prinz Adolf, gegen den ich eine Abneigung empfand, die ich nur kraft der Tugend hätte überwinden können. Ich war sicher, dass der Kurfürst mir genug zugetan war, meine Wahl zu billigen. Zumal auch der Verstand auf meiner Seite stand, denn diese Partie war ansehnlicher als die andere. Der Kurfürst fragte mich auch nicht zweimal. Er willigte sofort ein, und es wurde ein Heiratsvertrag entworfen, den wir alle drei - der Kurfürst, der Herzog und ich - unterzeichneten. Darauf reiste der Herzog weiter nach Venedig. Er bat um Geheimhaltung, um in der Zwischenzeit mit seinen Ständen verhandeln zu lassen. Denn wenn sie von der Verlobung schon wüssten, würde er bei ihnen keine Einkommenserhöhung durchsetzen können. Der Kurfürst wünschte ebenfalls Geheimhaltung, um die Sache mit Prinz Adolf eleganter beenden zu können. Es wusste davon deshalb niemand außer Herzog Ernst August, der nicht sehr erfreut darüber war. Er hätte seinen Bruder, dessen vollkommenes Vertrauen er besaß, nämlich viel lieber ganz für sich gehabt als ihn mit einer Frau zu teilen, die die Beziehung der Brüder hätte ändern können. Die beiden Herzöge reisten mit der Versicherung ihrer baldigen Rückkehr ab. In der Zwischenzeit könnten Georg Wilhelm und ich Briefe wechseln.
Herausgeber: Landesbildungsserver Baden-Württemberg
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