Motive und Antriebskräfte: Frieden
Schon seit dem 18. Jahrhundert hat sich in Europa ein System der kooperativen Hegemonie herausgebildet, zunächst in der Pentarchie der fünf Großmächte England, Russland, Frankreich, Preußen und Österreich-Ungarn. In diesem System haben die Akteure gegenseitig akzeptiert, dass Konflikte möglichst nicht kriegerisch, sondern friedlich beigelegt werden. Als Paradebeispiel für eine solch friedliche Konfliktregelung wird gelegentlich der Berliner Kongress 1878 angeführt. Zugleich entstanden im 19. Jahrhundert in Europa aber auch pazifistische Bewegungen wie die "Ligue du Bien public" oder die "Ligue internationale de la Paix et da la Liberté". Nach dem 1. Weltkrieg erfährt das Friedensmotiv in der "Paneuropa-Union" von Graf Coudenhove-Kalergi eine ganze neue Bedeutung, indem im Europäischen Manifest 1924 gezielt herauf Bezug genommen wird: Ein europäischer Staatenbund soll Erbfeindschaften überwinden helfen. Das Schreckgespenst eines neuen vernichtenden Krieges wird als Drohszenario entworfen, dem allein die europäische Integration als Gegenbewegung beikommen kann.
Richard Coudenhove-Kalergi 1926
Foto: Wikipedia Commons
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Während des 2. Weltkrieges formiert sich die Europa-Idee in Exil-Regierungen und nationalen Widerstandsbewegungen; der klassische Nationalstaat war als friedenserhaltendes Instrument diskreditiert. Im "Manifest von Ventotene" ist der Europa-Gedanke ausschließlich positiv besetzt - die Vorstellung von der europäischen Einheit verspricht Frieden, Freiheit und Demokratie. Demonstrativ wurden Grenzanlagen zwischen Deutschland und Frankreich zerstört und man kann fast von einer Volksbewegung nach Europa sprechen. Das Bekenntnis zur europäischen Einheit fand einen festen Platz im rhetorischen Repertoire der Politik. Doch wandelt sich der Friedensbegriff sich im Zeichen der militärischen Abschreckung zwischen Ost und West.
Auch politisch zeichnet sich früh eine Trennung in europäische Föderalisten und Unionisten ab. Die Föderalisten nahmen sich die Schweiz oder die USA zum Vorbild, wie in ihrem Hertensteiner Programm nachzulesen ist. Sie strebten also eine sehr enge politische Kooperation an. Demgegenüber verstanden die sog. Unionisten eine europäische Zusammenarbeit vor allem als eine intergouvernementale Kooperation. Winston Churchill hat dies in seiner berühmten Züricher Rede vom 19.9.1946 unmissverständlich auf den Punkt gebracht.
Gedenktafel zu Ehren der Züricher Europa-Rede Churchills
Foto: Wikipedia Commons by Jürg Vollmer
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Nach dem 2. Weltkrieg ist Europa nicht mehr das Zentrum der politischen Welt. Die europäische Dimension reicht zunehmend nicht mehr aus, um friedenserhaltend wirken zu können. In Europa selbst wird hingegen der Frieden zunehmend selbstverständlicher. Diese Entwicklung wird durch die Neue Ostpolitik ab 1969 noch verstärkt. Prinzipien wie Nichteinmischung, Stabilität oder die "Unverletzlichkeit" der Grenzen, politische Praxis, in der kulturelle Kontakte intensiviert werden und Einrichtungen wie die KSZE trugen massiv dazu bei, dass die Wahrscheinlichkeit eines Kriegsgeschehens in Europa vermindert wurde. Zusätzliche neue Impulse gab das europäische Epochenjahr 1989/90. Von nun an sprach man vom "Europäischen Haus", das man bauen wolle (oft um die deutsche Widervereinigung herum). Heutzutage ist ein friedliches Europa vielen eine Selbstverständlichkeit, auch wenn an die blutigen Auseinandersetzungen um Ex-Jugoslawien erinnert werden muss, die bis in die jüngste Vergangenheit anhielten.
Herausgeber: Landesbildungsserver Baden-Württemberg
Quelle: https://www.schule-bw.de
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