Pattonville: Wie gestaltet sich amerikanische Besatzung in Deutschland
Hintergrund - Bedeutung
Im badischen und württembergischen Gebiet nördlich der heutigen Autobahn A8 zwischen Karlsruhe und Ulm lebten die Menschen nach den Beschlüssen der Konferenzen von Jalta und Potsdam 1945 unter amerikanischer Besatzung. Dieses Zusammenleben gestaltete sich zunächst als distanziert, da für die Amerikaner eine „non fraternization“ Politik galt. Der amerikanische General Eisenhower verlangte 1945 von der Army diese strenge Regelung: Beziehungen zu Deutschen sollten möglichst nicht stattfinden. Im Juni 1945 bestand für amerikanische Soldaten noch das Verbot, mit deutschen Kindern zu sprechen. Diese Regeln musste nach und nach gelockert werden.
Die amerikanische Zone unterstand dabei der US-Militärregierung, also dem Office of Military Government for Germany, zu deren Aufgabe die Entnazifizierung oder auch die Beschaffung detaillierter Informationen über die Verstrickungen der deutschen Wirtschaft in die NS-Herrschaft zählte. Während der Gültigkeit des Besatzungstatuts in Deutschland von 1945 bis 1955 waren rund 400.000 ausländische Soldaten in Südwestdeutschland stationiert, davon die Hälfte Amerikaner.
Infolgedessen wurden viele Militärbasen für die US-Armee errichtet oder ehemalige Wehrmachtsstandorte umgebaut. 1954 beschlossen die Amerikaner, in Pattonville eine Wohnsiedlung für umgerechnet 50 Mio. Mark zu errichten.
Trotz mehrfacher Einwände des Landratsamtes Ludwigsburg, das unter anderem feststellte, dass die Amerikaner keine Rücksicht auf deutsche Landkreiseinteilungen nahmen, wurde die Siedlung Pattonville erbaut, deren Namensgeber der ehemalige General George Smith Patton Jr. war. Grund für die Errichtung war der wenige hundert Meter entfernte Flugplatz Pattonville, der als Basis der US-Armee diente, wie für Fernmelde- und Transporttruppensoldaten des VII. US-Corps. Auf der Basis wurden zudem Raketen stationiert, die während der Zeit des Kalten Krieges eine strategisch wichtige Schlüsselrolle einnahmen. Die neue Siedlung, welche bis zu 3750 Militärangehörige beherbergte, diente der Unterbringung der Soldaten und deren Familien, die dort arbeiteten. Eine eigene amerikanische Stadt sollte unter anderem den Soldaten und Familien vor Ort ein gewisses Heimatgefühl geben. Dies erkennt man gut an den verschiedenen amerikanischen Läden wie zum Beispiel der Smart Weddings UG oder auch der dort ansässigen amerikanischen High-School, die von 1953 bis 1992 existierte.
Dieses Modul zielt darauf, gemäß dem Bildungsplan die Folgen des Zweiten Weltkrieges als Ausgangsbedingung der Nachkriegszeit in Europa zu charakterisieren und zu beurteilen (3.3.2.1). Das Beispiel Pattonville macht deutlich, wie die Kriegsfeinde zu Unterstützern und Freunden wurden. So halfen die Amerikaner beim Wiederaufbau immer wieder mit ihren aus den Vereinigten Staaten mitgebrachten schweren Maschinen. Zwei amerikanische Raupen planierten den Ludwigsburger Schlossgarten für das weltbekannte „blühende Barock“, eine Blumenausstellung im Sommer jeden Jahres. Beispiele für Zusammenarbeit gibt es zahlreiche: Viele deutsche Zivilisten arbeiteten direkt oder indirekt mit den Amerikanern zusammen. Einer von ihnen war der Vater der Ludwigsburgerin Ute Werner, von Beruf Landwirt, der regelmäßig die Essensreste aus den Messen der Ludwigsburger Kasernen einsammelte, um sie an seine Schweine zu verfüttern. Dabei fand er hin und wieder darunter oft makellose Besteckteile.
Auch Kulturtransfer lässt sich zwischen Amerikanern und Deutschen nachweisen: Neben der Militärpräsenz brachten die Amerikaner ihre Kultur, ihre Waren und ihr Lebensgefühl nach Deutschland. Für viele Ludwigsburgerinnen und Ludwigsburger stellte dieser Hauch der „Neuen Welt“ eine willkommene Abwechslung dar.
Amerikanische „Straßenkreuzer“, Sportarten und Musik waren zu einem Teil des Ludwigsburger Stadtbildes geworden, und viele Ludwigsburger begeisterten sich für Roller Skates oder Rock’n Roll. Andererseits zeigten die in Deutschland stationierten amerikanischen Soldaten früh eine Vorliebe für deutsche Bierkrüge, besonders für solche mit Zinndeckel. Inspiriert durch die Reservistenkrüge aus dem deutschen Kaiserreich gestalteten viele Soldaten und ganze Truppenteile auch eigene Krüge, die sich mal mehr und mal weniger eng an den deutschen Vorbildern orientierten.
B 2, Straßenschild von Pattonville
- Arbeitskreis Landeskunde/Landesgeschichte an der ZSL-Regionalstelle Stuttgart -
Herausgeber: Landesbildungsserver Baden-Württemberg
Quelle: https://www.schule-bw.de
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