"... vnd von den, so sy besitzen vnd beschirmen solten, hand sy vns geschunden vnnd geschaben, ..."

Hintergrund

Zeittafel

Frühmittelalter

Einzelhöfe und Weiler prägten die Agrarlandschaft. Ein Fronhof stand im Zentrum der Hofgenossenschaft und bestimmte als Rechts- und Abgabezentrum den bäuerlichen Alltag und die Wirtschaftsverhältnisse.

Bauern bei der Feldarbeit

B 2 : Bauern bei der Feldarbeit
© Universitätsbibliothek Heidelberg, digitale Bibliothek / Dieses Bild ist von der Lizenz CC-BY 4.0 ausgenommen

Hochmittelalter

Eine sogenannte Agrarrevolution ermöglichte durch neue Anbaumethoden und Innovationen im Bereich der Ackergeräte eine Verdreifachung der Ernteerträge. Die Getreidewirtschaft wurde im Hochmittelalter bedeutender als die Viehwirtschaft:

  • Übergang von der Zweifelder- auf die Dreifelderwirtschaft.

  • Der Hakenpflug wurde vom Räderpflug abgelöst.

  • Stirnjoch, Kummet und Hufeisen verstärkten die Zugkraft von Ochsen und Pferden.

  • Ausbreitung des Getreideanbaus, der Ackerbau verdrängte die Viehzucht.

  • Sense, Dreschflegel und der Bau von wasser- und windgetriebenen Getreidemühlen erleichtern die Getreideernte.

Im Zuge der Bevölkerungszunahme erfolgte die "Verdorfung" der Einzelhöfe und Weiler, die die Gewannflurbildung zur Folge hatte, welche wiederum zur Stärkung der Dorfgenossenschaft und zur Herausbildung von Dorfgemeinden mit eigenen Kompetenzen und Organen beitrug. Die Überschüsse an Agrarprodukten wurden auf städtischen Märkten abgesetzt.

Die durch das Aufblühen der Städte einsetzende Landflucht - "Stadtluft macht frei" - führte zur Auflösung des Fronhofsystems und leitete den Wandel der Grundherrschaft in ein Rentensystem ein. Unter dem Druck eines akuten Arbeitskräftemangels wurden die Lasten der Eigenleute vermindert und verdinglicht. Das Erbrecht der Herren an der Fahrnis verstorbener Eigenleute reduzierte sich auf eine feste Abgabe, das Besthaupt oder das Bestgewand. Insgesamt wurden Personallasten als Reallasten auf das bäuerliche Lehengut umgelegt, wo sie von grund- und gerichtsherrlichen Abgaben nicht mehr zu unterscheiden waren.

Darstellung eines mittelalterlichen Dorfes

B 3 Darstellung eines mittelalterlichen Dorfes
© Universitätsbibliothek Heidelberg, digitale Bibliothek / Dieses Bild ist von der Lizenz CC-BY 4.0 ausgenommen

Spätmittelalter

Die Pestjahre zur Mitte des 14. Jahrhunderts bewirkten einen enormen Bevölkerungsrückgang, der zu einem Preisverfall für Getreide führte. Die infolge des Arbeitskräftemangels angestiegenen Reallöhne verstärkten die Landflucht. Die damit verbundenen Einkommenseinbußen der Grundherren erzwangen als herrschaftliche Reaktion die Herausbildung der Leibeigenschaft:

  • Vermögenswerte, die der Leibeigene durch seine Arbeit erwirbt, gehören dem Leibherren, der im Todesfall dessen Erbschaft antritt. Der Leibherr besitzt Anspruch auf die Arbeitsleistung des Leibeigenen in Form von Fronen und Diensten.

  • Um den Bestand an Leibeigenen zu sichern, ist dem Leibeigenen die Eheschließung nur im Kreis der leibeigenen Leute seines Herrn erlaubt.

  • Ohne Erlaubnis des Leibherren ist dem Leibeigenen die Freizügigkeit verwehrt. Erst "nach Jahr und Tag" konnten sich Leibeigene ihren Herren entziehen, wenn sie in eine Stadt entkommen waren.

Im Zuge der Territorialisierung versuchten einige Landesfürsten darüber hinaus durch Ausnutzung der Leibherrschaft eine flächenstaatliche Herrschaft mit einheitlicher Untertanenschaft zu schaffen. So wurden in Klosterstaaten alle Untertanen, ob Gotteshausleute oder freie Vogtleute, als "Leibeigene" tituliert, um einen rechtlich gleichförmigen Untertanenverband zu schaffen

Die Zwölf Artikel der Bauernschaft, 1525

B4 Die Zwölf Artikel der Bauernschaft, 1525 © Wikimedia Commons

Zeittafel Sebastian Lotzer

Um 1490
Sebastian Lotzer wird in Horb am Neckar geboren.

1505
Die Matrikel der Universität Tübingen nennen ein Sebastianus ex Horb. Weil sein gleichnamiger Vater ihn vermutlich zum Studium der Theologie genötigt hat, kommt es zum Zerwürfnis und Sebastian Lotzer der Jüngere macht eine Kürschnerlehre.

Um 1515
Sebastian Lotzer gelangt auf seiner Wanderschaft in die freie Reichsstadt Memmingen und verheiratet sich dort mit der Kramerstochter Margret Weigelin.

1521
Sebastian Lotzer übernimmt das Geschäft seines Schwiegervaters in der Herrenstraße 3 und ist Mitglied der Memminger Kramerzunft.

1522
Sebastian Lotzer, der vom Alten Testament eine vorlutherische Übersetzung besitzt, erwirbt das Septembertestament des Dr. Martin Luther. Eine enge Freundschaft verbindet ihn mit Dr. Christoph Schappeler, der in der Memminger Martinskirche predigt und mit dem Schweizer Reformator Ulrich Zwingli befreundet ist. Lotzer kennt die Schriften von Martin Luther, Ulrich Zwingli, Joachim Vadian, Johann Eberlin und Hartmut XII. von Kronberg.

1523 / 1524
Sebastian Lotzer verfasst fünf frühreformatorische Flugschriften.

1525
Nachdem im Januar in Memmingen die Reformation unter maßgeblicher Beteiligung von Christoph Schappeler und Sebastian Lotzer eingeführt worden ist, bildet diese freie Reichsstadt das erste evangelische Gemeinwesen im süddeutschen Raum.

Im darauffolgenden Monat sammeln sich zwischen Donau, Bodensee und Iller die unterdrückten Bauern und beginnen sich im Baltringer Haufen, im Allgäuer Haufen und im Seehaufen zu organisieren. Sebastian Lotzer ist mit den Beschwerden der Bauernschaft gut vertraut, denn er schreibt Ende Februar für die Bauern der zur Reichsstadt Memmingen gehörigen Dörfer zehn Beschwerdeartikel als Eingabe an den Stadtrat. Aus diesem Grunde wird Huldrich Schmid von Sulmingen, der als Hauptmann des Baltringer Haufens im evangelischen Memmingen nach Beratern für die Sache der Bauern sucht, auf Lotzer aufmerksam.

Vom 6. bis 8. März tagt zum ersten Male ein Bauernparlament in der Stube der Kramerzunft am Memminger Weinmarkt. Schon der Ort der Zusammenkunft verrät die ordnende Hand des seit wenigen Tagen amtierenden Feldschreibers Sebastian Lotzer. Am 14. bis 16. März erfolgte nach internen Beratungen in den einzelnen Bauernhaufen während des zweiten Memminger Bundestages die Annahme der von Sebastian Lotzer verfassten Bundesordnung und der Zwölf Artikel, die am 19. März erstmals in Augsburg im Druck erscheinen.

Bislang sind insgesamt 28 Druckauflagen der Zwölf Artikel bekannt, die sich in Windeseile über ganz Mitteleuropa verbreiten. Sie dienen den aufständischen Bauern als Grundlage für ihre Forderungen, mit ihnen setzt sich Martin Luther in seiner "Ermahnung zum Frieden auf die Zwölf Artikel der Bauernschaft in Schwaben" auseinander und über sie diskutieren die Reichsstände noch auf dem Reichstag 1526 in Speyer.

Nach Niederschlagung der Bauernerhebungen besetzen die Truppen des Schwäbischen Bundes unter der Führung von Truchseß Georg III. von Waldburg am 9. Juni die freie Reichsstadt Memmingen. Christoph Schappeler und Sebastian Lotzer fliehen aus gutem Grunde in die Schweiz nach St. Gallen. Dort verstirbt Schappeler 1551 im Alter von 79 Jahren als Prediger bei St. Mang, während sich die Spur des Sebastian Lotzer von Horb im Nichts verliert.

Bauernkriegsskulptur von Lutz Ackermann

B 5: Bauernkriegsskulptur von Lutz Ackermann auf dem Sebastian-Lotzer-Platz in Horb a. N. © Joachim Lipp

 

- Arbeitskreis Landeskunde/Landesgeschichte RP Karlsruhe -

letzte Änderung: 2016-03-01