Der „Mössinger Generalstreik“ – Warum ein schwäbisches Dorf gegen Hitler streikt
Methodenvorschlag
Verlaufsplanung mit Materialien
Zeit/ Phase |
Inhalte/ methodische Hinweise |
Material | ||
G | M | E (G8/G9) | ||
1. Doppelstunde: Der „Mössinger Generalstreik“ – Warum gerade Mössingen? | ||||
1.1. Einstieg/ Fragekompetenz: Aufruf zum Massenstreik | Mit dem Plakat „Heraus zum Massenstreik“ sollen die Schüler für die Thematik sensibilisiert werden und eine Fragehaltung entwickeln: Was war die Absicht der KPD? Warum weiß man von dem „Massenstreik“ nichts? Ist er irgendwo durchgeführt worden? Wo? Warum nur und gerade in Mössingen, einem kleinen Industriedorf am Fuße der Schwäbischen Alb? Das Plakat (AB 1a, 1b, 1c) kann in unterschiedlicher Ausführlichkeit eingesetzt werden, je nachdem, ob man der Lerngruppe auch Passagen in Frakturschrift zutrauen kann. |
AB 1a | AB 1b | AB 1c |
1.2 Erarbeitung I und Auswertung I: Protokoll des Streiks (und Kommentare) | Die Schüler lernen die Mössinger Ereignisse des 31. Januar 1933 anhand eines Protokolls (AB 2) kennen und vertiefen je nach Lerngruppe den Ablauf des Tages mithilfe von Kommentaren von Mössinger Bürgern zu den Ereignissen (die allerdings aus den frühen 80er-Jahren stammen; AB 3). In der Auswertung werden die wesentlichen Etappen und Ereignisse des Tages festgehalten und durch die Kommentare ergänzt. |
(AB 3) |
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1.3 Erarbeitung II und Auswertung II: Warum gerade in Mössingen | Auf der Basis der Ereignisgeschichte können die Schüler Hypothesen äußern, warum sich gerade in Mössingen Streikende gegen Hitler zusammenfanden. Daraufhin analysieren die Schüler die Hintergründe des „Mössinger Generalstreiks“: Was sind die Voraussetzungen Mössingens dafür, dass sich in einem kleinen Bauerndorf die Opposition gegen Hitler zu einer Aktion formiert?
Je nach Lerngruppe können dafür weitere Zitate von Mössinger Bürgern (AB 4), die Wahlergebnisse Mössingens in den Reichstags-, Landtags-, und Gemeinderatswahlen (AB 5) und/oder Zeitungsausschnitte aus den 1920er- und 1930er Jahren eingesetzt werden. Die strukturelle Besonderheit Mössingens wird dadurch klar: ein Industriedorf mit einem hohen kommunistischen Wähleranteil, eine straffe Organisation auf der Basis von vielen Vereinsstrukturen (Sport, Gesang, Konsum) neben der Partei, großes Selbstbewusstsein der Kommunisten, ein lokales Sonderbewusstsein und Achtung der kommunistischen Bürger auch von bürgerlicher Seite aufgrund des politischen Engagements. Als Impulse können zusätzlich die Aussagen der Historiker Frie und Warneken dienen (AB 7). |
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1.4 Reflexion/ Urteilskompetenz: Die besondere Situation in Mössingen und im Reich | Die Schüler sollen die Ereignisse in Mössingen ins Verhältnis setzen zu dem fehlenden offenen Widerstand gegen Hitler und die Nationalsozialisten auf Reichsebene: Mutiger Akt des Widerstands und Herausforderung der NS-Machthaber? Angst um die politische Zukunft der Kommunistischen Partei unter einem Reichskanzler Hitler? Sinnlose lokale Einzelaktion? Linksextremisten/Stalinisten gegen Nationalsozialisten? Kurzes Aufflammen eines rebellischen Geistes auf dem Dorf? Hier sollen die Schüler auch schon zu einem eigenen Urteil finden. |
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1.5 Hausaufgabe/ Überleitung zur DS 2: Die Protagonisten des Streiks | Als Scharnier zur zweiten Doppelstunde sollen die Schüler sich nochmals mehreren Protagonisten des Generalstreiks (AB 8) zuwenden. Dabei soll arbeitsteilig nur je eine Person von Schülerseite in den Blick genommen werden – die Fragestellung sollte vor allem ihr Augenmerk auf das Schicksal nach dem 31. Januar 1933 legen. | AB 8 | ||
2. Doppelstunde: Wie der „Mössinger Generalstreik“ unterschiedlich bewertet wurde | ||||
2.1 Einstieg der Hausaufgabe: anonyme Denunziation | Dass die politische Aktion vom 31. Januar nicht folgenlos für die Akteure war, zeigt als Einstieg in die zweite Doppelstunde die anonyme Denunziation mit verstellter Schrift. Die Transkription findet sich am unteren Ende des Dokuments, das zeigt, dass es in Mössingen nicht nur Gegner des politischen Regimes gab. | AB 9 | ||
2.2 Auswertung der HA: Die Protagonisten des Streiks | Die Hausaufgabe, sich vertieft mit dem Schicksal eines Protagonisten zu beschäftigen, wird ausgewertet. Dabei zeigt sich, dass der Generalstreik für die Beteiligten Prozesse, Verurteilungen zu Gefängnisaufenthalt und Emigration zur Folge hatte. Nach 1945 erfolgte die Rehabilitierung langsam und in unterschiedlicher Form. Jakob Stotz wurde von den Besatzungsmächten sogar als kommissarischer Bürgermeister eingesetzt. | AB 8 | ||
2.3 Erarbeitung I und Auswertung I: Zeitgenössische Bewertung des Streiks | Um die Reaktion des Staates und die einhellige Verurteilung der Streikenden aus zeitgenössischer Warte zu verstehen, befassen sich die Schüler mit einem Auszug der Lokalpresse vom 1. Februar 1933: Der Steinlach-Bote beschäftigt sich mit den Ereignissen und wertet diese stark. Die Schüler finden anhand des Zeitungstextes die wertenden Passagen und erarbeiten sich so einen Überblick über die umgehende Negativwertung des Generalstreiks aus liberal-bürgerlicher Sicht. Je nach Lerngruppe kann der Text als Frakturtext (AB 10c), mit Transkription (AM 10b) und mit Hervorhebungen (AB 10a) genutzt werden. |
AB 10a | AB 10b | AB 10c |
2.4. Erarbeitung II und Auswertung II: Erinnerungskultur in Mössingen | In einem arbeitsteiligen Verfahren sollen die Schüler sich mit der Rezeptionsgeschichte des Mössinger Generalstreiks auseinandersetzen. Dazu können die Schüler selbstständig am Virtuellen Lernort „Mössinger Generalstreik“ (moessinger-generalstreik.de/) unter den Rubriken „Folgen“ (moessinger-generalstreik.de/folgen) und Bewertung“ (moessinger-generalstreik.de/bewertung) forschen (z.B. mit mobilen Endgeräten) oder mithilfe der AB 11, 12 und 13 (am umfangreichsten), die drei der Kapitel auf der Seite des Lernortes abbilden. Auch in homogenen Lerngruppen sollten alle drei ABs bearbeitet werden, um den Überblick von den 1950ern bis zur heutigen Zeit zu erzielen. In der Auswertung sollen die Schüler die unterschiedlichen Phasen des Erinnerns überblicksartig kennenlernen und die Entwicklung vom Verschweigen zur aktiven Auseinandersetzung nachvollziehen können. Ungewöhnlicherweise tut sich der Ort bis heute schwer mit dem historischen Erbe, was an Vorwürfen liegt, die den Mössinger Streikenden die Absicht unterstellen, eine stalinistische Diktatur angestrebt zu haben. |
AB 11 | AB 12 | AB 13 |
2.5 Reflexion/ Orientierungskompetenz: Wie soll man sich des Generalstreiks erinnern? | Abschließend sollen die Schüler sich Gedanken machen, wie man sich der Ereignisse von Mössingen am 31. Januar 1933 würdig erinnern könnte. In der Gemeinde ist es bis heute Gegenstand der Debatte, wie man einen Erinnerungsort bzw. Museum gestalten könnte. Die Schüler können hier einen Vorschlag entwickeln oder in eine Schlussdiskussion kommen, ob die Mössinger Streikenden einen Platz in der (baden-württembergischen) Erinnerungsgeschichte verdient haben. Als Anregung können Äußerungen der Historiker Schnabel und Frie (AB 14) dienen. |
AB 14 |
- Arbeitskreis Landeskunde/Landesgeschichte RP Tübingen -