Rastatt in der Weimarer Republik

Hintergrund

Bedeutung


Als Grenzstadt war die Stadt Rastatt in besonderem Maße von den Waffenstillstandsbedingungen und den Folgen des Versailler Vertrags betroffen, denn sie lag in der neutralen Zone.

Auch hier bildete sich ein Soldatenrat und ein Arbeiterrat – die in enger Zusammenarbeit mit den städtischen Gremien die Geschicke der Stadt ein wenig mitgestalteten, ohne jedoch wirkliche Veränderungen zu bewirken. Mit dem Abzug des Militärs am 11. Dezember 1918 war der Soldatenrat bereits wieder aufgelöst; der Arbeiterrat existierte zwar noch bis August 1919, hinterlässt jedoch in den Akten keine einprägsamen Spuren, was darauf hinweist, dass er recht unbedeutend war.  

 

B 18 Eisenwarenhandel Gutemann mit der Straßburger Adresse, überschrieben mit der neuen Adresse Rastatt

Die Waffenstillstandsbedingungen und die Artikel des Versailler Vertrages führten zu einer Veränderung des Stadtbildes und des Wirtschaftsstandortes Rastatt. Die Garnison musste die Stadt verlassen, die Kasernen standen leer, die Industrie verlor einen wichtigen Absatzmarkt im Elsass und wirtschaftliche Beziehungen zum Elsass kamen zum Erliegen. Neben der Aufnahme von Kriegsheimkehrern und französischen Soldaten stellte vor allem die Aufnahme von Flüchtlingen aus dem Elsass und Lothringen eine Herausforderung dar, da der Wohnraum knapp war und die Versorgung sozial schwacher Familien eine Belastung für den städtischen Haushalt bedeutete.

Dennoch kann Rastatt mit seinem Bürgermeister August Renner als Vorbild für das sozialpolitische Wirken in der Weimarer Republik dienen, denn er war ständig – mit einigem Erfolg – bemüht, die wirtschaftliche und soziale Lage der Stadt zu verbessern. Er siedelte Industrie in Rastatt an, förderte den Wohnungsbau, setzte sich bei den ansässigen Wirtschaftsunternehmen für die Einstellung städtischer Arbeiter ein, beantragte Fördergelder vom Reich, beispielsweise für den Wohnungsbau, und kümmerte sich auch um die Unterbringung der Flüchtlinge. Das finanzielle Aufkommen für diese Flüchtlinge sah Renner jedoch nicht als seine Aufgabe, er beklagt hier immer wieder, dass das Reich Verantwortung übernehmen müsse, da Rastatt schon mit genug anderen Problemen zu kämpfen habe

  

B 9 Dankesadresse der Flüchtlinge an den Bürgermeister und Vertreter der Stadt, 1927

 

In städtebaulicher Hinsicht war Rastatt nicht sehr modern, nur die Carl-Franz-Halle wurde im Bauhaus-Stil erbaut, aber mit den Wohnungen der Baugenossenschaft Gartenstadt im Zay und im Dörfel schlug sich der soziale Aspekt nieder – ganz im Sinne der Weimarer Verfassung, die das menschenwürdige Dasein besonders betonte: Wohnungen sollten eine gewisse Größe haben, die Möglichkeit bieten, sich mit Bewohnern zu treffen, eigenes Gemüse oder Obst anzupflanzen oder Tiere zu halten. Noch heute prägen diese Projekte Teile des Rastatter Stadtbildes.

 

B 10 Plan eines Projektes in der Gartenstadt, Februar 1919, das nicht verwirklicht wurde.

 Aus der Not heraus, billigeren Wohnraum zu schaffen, wurden jedoch von städtischer Seite auch Bauprojekte unterstützt, die Kleinstwohnungen errichteten, weil diese auch durch Darlehen vom Reich mitfinanziert wurden.

Die Modernisierung des Alltagslebens schlug sich auch in Rastatt im Entstehen von Kinos, bürgerlicher Kunst und Kultur und einem blühenden Vereinsleben nieder und veränderte das vordem provinzielle Rastatt. 

 

B 19 Kinowerbung für den Film „Metropolis“ im Resi-Kino in Rastatt.

 

August Renner hat die Geschicke der Stadt ganz im Sinne der Weimarer Verfassung gelenkt und sich um ein menschenwürdiges Dasein bemüht, musste jedoch auch Rückschläge hinnehmen - auch aufgrund fehlender Unterstützung seitens der Landes- und Reichsbehörden. Immer wieder beklagte er, dass die Stadt die Folgen des Krieges alleine zu tragen habe.

Die Hyperinflation und dann die Weltwirtschaftskrise versetzten der Stadt einen enormen Rückschlag, von dem sie sich nicht mehr erholte. Wirtschaftliche und soziale Probleme prägten diese Zeit in einem hohen Maße sind und wohl ein Grund für die hohe Zustimmung zur NSDAP (5. März 1933: 48,8% der Stimmen gingen an die NSDAP, der Reichsdurchschnitt lag bei 43,9%), denn im Jahre 1934 hatte Rastatt mit 34,9% die höchste Arbeitslosenquote in Baden.


- Arbeitskreis Landeskunde/Landesgeschichte RP Karlsruhe -


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