Fritz Kiehn – sozialer Arbeitgeber, NS-Funktionär, Opportunist? – eine kontroverse historische Bewertung in jüngster Vergangenheit
Autorin: Nadine Hermann
Arbeitskreis Landeskunde/Landesgeschichte an der ZSL-Regionalstelle Freiburg
Kurzbeschreibung des Moduls:
Im Jahr 2020 wurde in einer kleinen Gemeinde in Baden-Württemberg, in Deißlingen, kontrovers diskutiert, ob die Fritz-Kiehn-Straße, die an den ehemaligen Arbeitgeber, Spender, NS-Funktionär und Unterstützer des nationalsozialistischen Regimes erinnert, umbenannt werden müsse. Diese noch nicht lange zurück liegende Debatte ist der Einstieg in eine Unterrichtseinheit, die sich mit historischen Werturteilen auf verschiedenen Ebenen beschäftigt. Zunächst nähern sich die Lernenden der Person Fritz Kiehn, um beurteilen zu können, ob Kiehn Opportunist oder doch überzeugter Nationalsozialist gewesen ist. Die Schülerinnen und Schüler arbeiten mit historischen Fachtexten und an Digitalisaten des Staatsarchives Sigmaringen und reflektieren über Kiehn als Arisierungsgewinner, dem Prototyp des radikalisierten Kleinbürgers, einem für heutige Begriffe milden Entnazifizierungsteil und der Reputation Kiehns in den 50er Jahren unter den Vorzeichen der damaligen Verdrängungsmentalität. Reflexions- und Fragekompetenz sowie die Einübung historischer Denkprozesse stehen im Mittelpunkt der Unterrichtssequenz. Disparate Wahrnehmungen zur Person Kiehns und Gedanken zum Umgang mit der NS-Vergangenheit bieten den Einstieg in die zweite Doppelstunde. Im Fokus dieser Unterrichtsstunde steht die Frage, ob Namensumbenennungen von Straßen heute eine wichtige Konsequenz für eine demokratische Gesellschaft sind. Die Schülerinnen und Schüler werden mit Werturteilen von Zeitzeugen und Beteiligten konfrontiert und kommen in einer Debatte zu eigenen Werturteilen. Historisch fundierte Urteilsbildung ist ein wesentlicher Bestandteil der Unterrichtseinheit und ein wichtiger Beitrag zur Demokratiebildung. Arbeit mit digitalen Materialien und Tools wird gefördert. Die vorliegende Unterrichtseinheit ist für die Sekundarstufe II konzipiert.
Hintergrund
Im Herbst des Jahres 2020 entschied sich der Deißlinger Gemeinderat mehrheitlich, die Fritz-Kiehn-Straße umzubenennen. Bevor es zur Entscheidung kam, wurde differenziert diskutiert und informiert zur Person Fritz Kiehn. Wesentliche fachliche Grundlage bot die Biografie, die im Jahr 2000 erschien und von den Historikern Hartmut Berghof und Cornelia Rauh-Kühne verfasst worden ist. In Trossingen sorgte jene Biografie bereits damals für eine Debatte, wie mit dem Namen Fritz Kiehn umgegangen werden soll. Fritz KIehn wurde 1885 geboren und gründete nach dem Ersten Weltkrieg in Trossingen die Efka-Werke, die Zigarettenpapier herstellten. Hierbei hatte er einen gewissen Erfolg, dies genügte dem egomanisch und geltungssüchtig veranlagten Unternehmer nicht. Mit dem Aufkeimen des Nationalsozialismus sah er die Chance, politischen Einfluss zu gewinnen und sich diesen wirtschaftlich zunutze zu machen. Bereits zu einem frühen Zeitpunkt (1930) trat Fritz Kiehn in die NSDAP ein. 1931 wurde er als Gemeinderat in Trossingen für die NSDAP gewählt. Ab 1932 war Kiehn Mitglied des Reichstags für die NSDAP. Und 1933/34 wurde er zum Präsidenten der Handelskammern Rottweil und Stuttgart sowie des Württembergischen Industrie- und Handelstages ernannt. Als SS-Obersturmbannführer wurde er 1938 in den persönlichen Stab Heinrich Himmlers aufgenommen. Auch in den "Freundeskreis Reichsführer SS" wurde er berufen. Ganz bewusst pflegte Fritz Kiehn den Kontakt zur nationalsozialistischen Führungsebene. In Trossingen ging Kiehn als NSDAP-Ortsgruppenleiter rücksichtslos gegen fast alle Mandatsträger vor, die nicht der NSDAP angehörten. Er entfernte sie 1933 von ihren Ratssitzen und besetzte die vakanten Ratssitze in seiner Funktion als Kreisinspektor nach seinem Gutdünken mit Nationalsozialisten. Auf sein Betreiben hin wurde in Trossingen ein SS-Ausbildungslager errichtet, mit dem er seine Machtbasis sicherte. Mit fragwürdigen und korrupten Methoden gelang es ihm, einige Firmen unter Wert zu übernehmen, indem er seine NS-Kontakte nutzte. Kiehn bereicherte sich bei der "Arisierung" jüdischen Eigentums und darf als Arisierungsgewinner bezeichnet werden. 1945 floh Kiehn und wurde in Innsbruck durch US-Soldaten gefangen genommen, es schloss sich eine Haft in 14 verschiedenen Internieriungslagern und Gefängnissen der Alliierten an. In den Jahren 1948 und 1949 musste sich Kiehn Verfahren der Landgerichte Ellwangen und Sigmaringen stellen, wegen Mordverdachts im Zusammenhang des sogenannten "Röhmputsches" und Erpressungen jüdischer NS-Verfolgter. Wegen Beweismangels wurden die Verfahren eingestellt, Kiehn aus der Haft entlassen und es erfolgte eine Entnazifizierung als "Minderbelasteter". Sein Trossinger Unternehmen durfte er behalten, auch sah man von einem Berufsverbot ab, da es galt Arbeitsplätze und die Steuerkraft zu erhalten. Zwischen 1949 und 1972 führte er die Efka-Werke und war Eigentümer mehrerer Unternehmen, so auch der Chiron-Werke in Tuttlingen, die er mithilfe eines umstrittenen Landeskredits erwarb. Fritz Erler (Mitglied des Bundestages für die SPD und ehemaliger Landrat des Landkreises Tuttlingen) erwirkte die Einsetzung eines Landtagsuntersuchungsausschusses zur Klärung der Subventionsvergabe an Kiehn. Allerdings musste das Verfahren ohne greifbare Resultate aufgelöst werden. Ebenfalls in diesem Zeitraum baute Kiehn ein betriebliches Versorgungsnetz für ehemalige Nationalsozialisten auf. Auch Baldur von Schirach fand nach seiner Spandauer Haft für vier Jahre Unterschlupf in Trossingen bei der Familie Kiehn. Durch erneut geknüpfte politische und gesellschaftliche Kontakte sowie durch hohe Geldspenden wollte Kiehn seine Reputation wieder herstellen. Dieses Unterfangen war erfolgreich, er wurde wieder in den Gemeinderat gewählt, die vormals aberkannte Ehrenbürgerwürde wurde stillschweigend wieder zuerkannt. Zu seinen Verbrechen während der NS-Zeit stand er nie. 1950 tat er Berichte über seine Rolle in der NS-Diktatur als "Kübelschmutz" ab und fabulierte von seinem angeblichen Kampf gegen die NSDAP. In Trossingen und seinem Betrieb wurde das Thema zum Tabu. Die Verbindung zwischen Fritz Kiehn und der Gemeinde Deißlingen beginnt erst in der Nachkriegsgeschichte. Auf der Suche nach Arbeitskräften für seine Efka-Werke war Kiehn bald im Umland von Trossingen präsent und gründete auch in Deißlingen ein Zweigwerk. Dabei war er in Deißlingen um gute Kontakte bemüht, die er mit dem damaligen Bürgermeister Reuter pflegte. Dies führte dazu, dass Kiehn im Jahr 1961 eine Spende für den Neubau des Kindergartens tätigte. Der Betrag belief sich auf 15.000 DM, bei Baukosten für den gesamten Kindergarten von 300.000 DM. Der Gemeinderat bedankte sich für diese Spende im Gegenzug mit der Benennung der Straße, die zum Kindergarten führte. Immer wieder trat Fritz Kiehn in den Nachkriegsjahren als Mäzen und Spender auf. 1972 schied er nach wirtschaftlichen Schwierigkeiten gezwungenermaßen aus der Leitung der Efka-Werke aus. Am 1. September 1980 starb Fritz Kiehn. Für Trossingen bedeutete das Erscheinen der Biografie zu Fritz Kiehn im Jahr 2000 den Ausgangspunkt für einen Tabubruch, eine öffentliche Diskussion zum Umgang mit der ambivalenten und schillernden Person Fritz Kiehns. In den Folgejahren wurden Konsequenzen gezogen, indem Kiehn die Ehrenbürgerwürde noch einmal aberkannt wurde, eine Straße und ein Platz, die nach ihm benannt waren, wurden umbenannt. Allerdings trägt heute eine Sporthalle in Trossingen immer noch den Namen Kiehns.
Bedeutung
Er war ein sozialer Aufsteiger, Fritz Kiehn, der vom Handeslreisenden zum Unternehmer wurde. Die etablierten Honoratioren der Kleinstadt Trossingen betrachteten ihn stets als Emporkömmling. Sicher war diese Zurückweisung ein Grund für das Interesse an der NSDAP und deren Radikalisierungstendenzen. Kiehns Biografie ist ein Beispiel für den Menschen, der sich gesellschaftlich nicht so etablieren konnte, wie er sich das gewünscht hatte, erst die nationalsozialistische Bewegung bot die Möglichkeit des Aufstiegs. Noch bevor die nationalsozialistische Diktatur Wirklichkeit war, schloss sich Kiehn der NSDAP an. In der Anfangszeit war er rühriger Aktivist und bedeutender Geldgeber der NSDAP in Württemberg. er stieg zum Trossinger Ortsgruppen- und bald zum Tuttlinger Kreisleiter auf, 1932 wurde er sogar Mitglied der NSDAP-Fraktion im Reichstag. 1934 wurde Kiehn zum Präsidenten der Württembergischen Wirtschaftskammer bestellt und 1938 verlieh man ihm den Titel eines "Wehrwirtschaftsführers". Kiehn konnte die Zurückweisung in der etablierten Gesellschaft kompensieren. Die Biografie des Unternehmers bietet einen Einblick, wie das nationalsozialistische System funktionierte und mit welchen Beweggründen Menschen Unterstützer der nationalsozialistischen Bewegung wurden. Kiehn entwickelte sich zum weiteren Nutznießer der nationalsozialistischen Diktatur, als skrupelloser "Arisierungsgewinner" versuchte er aus seinem Efka-Werk ein Großunternehmen zu machen. In Trossingen arbeitete er mit der Inszenierung nationalsozialistischer Ideen, stilisierte sich im Sinne des Führerkults als patriarchalischer "Betriebsführer", für Trossingen bot seine Figur eine Anbindung an die "große Politik". Es drängt sich die Frage auf, ob Kiehn aus rein opportunistischen Gründen handelte oder ein überzeugter Nationalsozialist gewesen ist. Diese Fragestellung führt zur generellen Abwägung, ob dies für eine Schuldeinschätzung überhaupt relevant ist. Strukturmerkmale des "NS-Führerstaats" wie Korruption, Kameraderie und Nepotismus können am Leben Kiehns exemplarisch wahrgenommen werden. Bedeutsam ist das Thema auch deshalb, weil an seiner Biografie die rechtliche und moralische "Bewältigung" der Verstrickung in das NS-Unrechtssystems thematisiert werden kann. Man erhält Einblicke in die Rechtsprechung der frühen Bundesrepublik, der Praxis der Entnazifizierung und dem schier unentwirrbaren Knäuel an mehr oder weniger Verstrickungen von Individuen im NS-Deutschland, die nun in der Nachkriegszeit Handlungsweisen bestimmten. Kiehn arbeitete in den 50er Jahren an seiner wirtschaftlichen, politischen und sozialen Reputation. An seinem Leben kann man sehen, dass die soziale Kontinuität möglich war, er wurde in den 50er Jahren wieder zum geachteten Bürger Trossingens und darüber hinaus. Die Ambivalenz der frühen Bundesrepublik wird ebenfalls sehr deutlich, da Kiehn sein Unternehmen auch zu einem "Auffangbecken" für ehemalige Nationalsozialisten machte. Kiehns gesellschaftliche Rehabilitation gelang auch insofern, dass Straßen, Plätze und eine Turnhalle in der Nachkriegszeit nach ihm benannt wurden. Aus heutiger Perspektive stellt sich die Frage, ob es ein notwendiges Zeichen der Verantwortung ist, jene Ehrerbietung zu tilgen. In der Unterrichtseinheit steht die gesellschaftliche und kommunalpolitische Debatte in Trossingen und Deißlingen im Fokus. Schülerinnen und Schüler gelangen zu eigenen Werturteilen, denen historische Fragestellung und Forschungsarbeit vorausgegangen sind. Drei Zeitebenen werden in der Unterrichtseinheit thematisiert: die Mechanismen des Nationalsozialismus, die Nachkriegszeit und der Umgang mit der NS-Vergangenheit in den 50er Jahren spielt eine wichtige Rolle, gerade für eine demokratische Gesellschaft, die im 21. Jahrhundert mit rechtspopulistischen und rechtsradikalen Ideen konfrontiert wird, ist eine differenzierte Auseinandersetzung mit dem geschilderten Themenkomplex äußerst wichtig.
Verlaufsplan
Zeit/ Phase |
Inhalte/ methodische Hinweise |
1. Doppelstunde |
Umgang mit Schuld und Veantwortung heute - eine historische Annäherung an die Person Fritz Kiehn |
Einstieg
EA
UG |
Straßenumbenennung - Facetten lokaler Auseinandersetzung mit ehemaligem NS-Funktionär Im Jahr 2020 wurde in der Gemeinde Deißlingen kontrovers diskutiert, ob die Fritz-Kiehn-Straße, die an den ehemaligen NS-Wirtschaftsführer Württembergs und an den Arbeitgeber und Spender erinnerte, umbenannt werden müsse. Die Schülerinnen und Schüler lesen einen Auszug aus der lokalen Presse ("Die Neckarquelle"), der sie mit dem Problem lokaler Erinnerungskultur konfrontiert. Die Quelle gibt Hinweise zur Schuld Fritz Kiehns: Reichstagsabgeordneter für die NSDAP, Unterstützer des NS-Regimes, Kontakt zur Führungsebene und Arisierungsgewinner. Entnazifizierung, ein Landeskredit und die gesellschaftliche Reputation Kiehns in der Nachkriegszeit sind weitere Problemfelder auf die der Artikel verweist. Angedeutet werden wertende Positionen des Jahres 2020, man könne mit der Namenstilgung keine Verbrechen ungeschehen machen, man solle Gras über die Sache wachsen lassen und der Appell, es sei aber die Pflicht der Nachkriegsgenerationen, die Erinnerung wach zu halten, beschließt den Artikelauszug. Die Werturteile regen zur Aussprache an, die in einem ersten Unterrichtsgespräch diskutiert werden. Selbstkritisch erkennen die Schülerinnen und Schüler, dass es weiterer Nachforschung bedarf, um historisch fundiert urteilen zu können. |
Erarbeitung 1
PA
UG |
Wer war Fritz Kiehn? - erste Hypothesen und Entwicklung von Forschungsansätzen Die Schülerinnen und Schüler arbeiten an Bildquellen, die facettenreiche Inszenierung Kiehns erkennen lassen. Er zeigt sich als Fabrikant, auch als Mensch nationalsozialistisch geprägter Ansichten, in der Nachkriegszeit zeigt er sich mit Adenauer und betont so die Nähe zur neuen demokratischen Grundordnung. Bewusste Konstruktion wird in den Bildquellen deutlich. Erste Hypothesen zur Person Kiehn werden aus den Ergebnissen der Bildanalyse und aus dem zuvor bearbeiteten Zeitungsartikel formuliert. Es drängt sich die Problemfrage auf, ob Kiehn ein Opportunist gewesen ist oder doch ein überzeugter Nationalsozialist. Weiter bleibt die Frage zu klären, ob Namensumbenennungen heute eine notwendige Konsequenz bzw. ein wichtiges Zeichen der Verantwortung sind und ob die Einschätzung als Opportunist oder überzeugter Nationalsozialist für die Entscheidung eine Rolle spielt. Die Schülerinnen und Schüler planen, mit welchen Quellen sie die beiden Fragen adäquat beantworten bzw. beurteilen könnten. In PA wird eine Internetrecherche zur Person Fritz Kiehn vorgenommen. Dabei stoßen die Schülerinnen und Schüler auf einen Beitrag auf der Seite von Leo-BW, der weiter zum Staatsarchiv Sigmaringen verweist. Im Plenum werden die Pläne zur Weiterarbeit und Quellen beurteilt. |
Erarbeitung 2
EA
PA UG |
Beweisaufnahme zur Causa Kiehn Im nächsten Unterrichtsschritt erhalten die Lernenden detailliertere Informationen zur Person Fritz Kiehn. Sie lesen eine kurze Biografie auf der Seite von Leo BW, der Beitrag ist ein historischer Fachtext der Historiker Berghoff und Rauh-Kühne. Nach der Lektüre bietet sich die Methode Think-Pair-Share an. Die Schülerinnen und Schüler tauschen sich über das Entnazifizierungsurteil "minderbelastet" aus, formulieren eine Zwischenbilanz zur Problemfrage, ob Kiehn als Opportunist oder überzeugter Nationalsozialist zu bewerten ist. Der Fachtext bietet Informationen, denen weiter nachgegangen werden kann. Die Schülerinnen und Schüler überlegen, welche Aspekte weiter untersucht werden müssten, um die Problemfragen beantworten zu können. Untersuchungsaspekte könnten beispielsweise auf einem TaskCard Pad gesammelt werden, hier könnten auch Ergebnisse aus der folgenden Arbeitsphase ergänzt werden. |
Erarbeitung 3
GA |
weitere Beweisaufnahme, Forschung an digitalisiertem Archivmaterial Die Klasse wird in vier Gruppen eingeteilt, jede Gruppe bekommt Archivalien aus dem Bestand Wü 13 T 2 Nr. 2775/001 des Staatsarchives Sigmaringen zugeteilt. Die Dokumente sind digitalisiert und frei zugänglich, so dass die Schülerinnen und Schüler an Originalen arbeiten. Das Quellenmaterial wird zu den Untersuchungsaspekten aus der vorigen Arbeitsphase untersucht. So prüfen die Lernenden zu welchen Themenbereichen (Arisierungsgewinner, Skandalfigur in den 30er Jahren, Entnazifizierung, Prototyp des radikalisierten Kleinbürgers, Kreditvergabe in den 50er Jahren und Rehabilitation Kiehns in der Nachkriegszeit) die Quellen Aufschluss bieten. Erkenntnisse können im TaskCard Pad gesammelt werden. Eine kritische Arbeit mit den Quellen wird verlangt, auch eine Überprüfung des bisher formulierten Urteils zu Fritz Kiehn. |
Auswertung GA UG |
Präsentation der Untersuchungsergebnisse Bleibt am Ende der ersten Doppelstunde Zeit, präsentiert jede Arbeitsgruppe die erlangten Forschungsergebnisse, die bereits auf dem Pad eingetragen sind. So kann am Ende der Arbeitsphase überprüft werden, für welche Thesen Beweise erbracht sind und zu welchen Bereichen noch keine Hinweise in den Dokumenten gefunden werden konnten. Ist die Zeit zu knapp, kann diese Phase auch als Einstieg in die zweite Doppelstunde eingeplant werden. |
2. Doppelstunde |
Umgang mit Schuld und Verantwortung heute - eine differenzierte Diskussion über Schuld und deren über Schuld und deren Facetten |
Einstieg
EA
UG |
Disparate Aussagen zu Fritz Kiehn Disparate Aussagen zur Person Fritz Kiehns und Gedanken zum Umgang in der heutigen Zeit mit der NS-Vergangenheit bilden den Einstieg in die zweite Doppelstunde. Knappe Zitate aus verschiedenen Jahrzehnten geben einen Eindruck von der facettenreichen Person Fritz Kiehn und dem ebenso vielfältigen Umgang mit NS-Funktionären in der Nachkriegsgeschichte. Die Aussagen werden einzeln ausgedruckt und im Klassenzimmer ausgelegt. Die Schülerinnen und Schüler gehen still durch die Galerie und lesen die Aussagen. Anschließend positionieren sie sich bei der Aussage, die sie unterstützen, oder die sie besonders stark ablehnen oder dort, wo sich Fragen auftun. Im Unterrichtsgespräch begründen die Lernenden ihre Positionierung. Die Gesprächsphase dient der Wiederholung, der Konsolidierung von Wissen und der Schaffung einer Diskussionsgrundlage für die Unterrichtsstunde. Im Zentrum der Doppelstunde steht die Frage, ob Namensumbenennungen von Straßen heute eine notwendige Konsequenz sind und ob es für die Entscheidung wichtig ist, ob ein Funktionär wie Kiehn als Opportunist oder als überzeugter Nationalsozialist zu sehen ist. Sollte die Präsentationsphase der arbeitsteiligen Gruppenarbeit aus der ersten Doppelstunde noch nicht durchgeführt sein, dann passt dies nach diesem Einstieg ganz gut. |
Erarbeitung 4
GA/EA
EA/Präs/GA |
Reflexionen zur öffentlichen Auseinandersetzung mit Fritz Kiehn in Deißlingen und Trossingen - Zeitzeugen berichten In Gruppen von je acht Schülerinnen und Schüler werden Interviewausschnitte mit Ralf Ulbrich, Bürgermeister von Deißlingen, und Martin Häffner, Stadtarchivar von Trossingen, gehört. Da es acht Audioaufnahmen sind, hört jedes Gruppenmitglied einen Beitrag, protokolliert wesentliche Inhalte und beantwortet eine spezifische Frage zum gehörten Beitrag. Anschließend stellt jedes Gruppenmitglied die Ergebnisse in der Gruppe vor. Die beiden Zeitzeugen berichten über Entscheidungsprozesse, Reaktionen in der Bevölkerung, Schuld, Aufarbeitung, Verantwortung heute, die Erkenntnis, dass an der historischen Diskussion Disparatheiten der heutigen Gesellschaft deutlich werden und wie heutige Medien dazu beitragen, dass Meinungen verletzend und radikal geäußert werden. |
Erarbeitung 5
EA/PA |
Debatte zur Causa Fritz Kiehn (Vorbereitung) Nach Forschungsarbeit, Beweisaufnahme und der Konfrontation mit verschiedenen Positionen zur Causa Kiehn kommen die Schülerinnen und Schüler zu eigenen Werturteilen. Eine Debatte zu den Fragen: Ist es 80 Jahre nach dem Zerfall der nationalsozialistischen Diktatur für eine demokratische Gesellschaft eine wichtige Konsequenz der Verantwortung eine Straße, einen Platz, eine Turnhalle, die den Namen eines NS-Funktionärs trägt, umzubenennen? Spielt es dabei eine Rolle, ob Kiehn Opportunist oder überzeugter Nationalsozialist gewesen ist? wird vorbereitet. Zwei Schülerinnen und Schüler übernehmen die Rolle der Moderatoren und zwei Lernende führen Protokoll. Als Vorbereitungszeit sollten zehn Minuten genügen. In dieser Zeit bereiten die Moderatoren einen thematischen Einstieg in die Debatte und eine Abstimmung der Teilnehmenden über die Problemfragen vor (dies kann mit digitalen Tools verwirklicht werden oder über eine analoge Punktabfrage). Die Protokollanten bereiten in der Vorbereitungsphase die Zuständigkeitsbereiche vor und die Diskutierenden legen sich ein begründetes Werturteil zurecht. |
Erarbeitung 6
UG/Präs |
Durchführung der Debatte Im nächsten Unterrichtsschritt wird die Debatte durchgeführt. Ablauf der Debatte 1) Die Moderatoren eröffnen die Debatte mit einer thematischen Einführung und Erläuterung der Diskussionsfragen 2) Erste Abstimmung der Teilnehmenden zu den Debattenfragen 3) Diskussion 4) Die Protokollanten präsentieren die wesentlichen Argumente aus der Diskussion 5) Zweite Abstimmung der Teilnehmenden und Vergleich mit der ersten Abstimmung 6) Reflexion über eventuelle Veränderungen im Abstimmungsergebnis Die Schülerinnen und Schüler kommen in dieser Unterrichtsphase zu einer eigenen differenzierten Urteilsfindung. Dies ist ein wichtiger Beitrag zur Demokratiebildung. |
Transfer
UG |
Relevanz der Fragestellung für heute An die Debatte schließt sich ein Unterrichtsgespräch über die Relevanz des Themas an. Die Schülerinnen und Schüler realisieren, dass Opportunismus stets ein Thema in der Menschheit ist, gleichgültig in welcher Zeit. Diese Eigenschaft spielt Systemen wie der nationalsozialistischen Diktatur in die Hände, wie am Beispiel Kiehn gezeigt werden kann. Das demokratische System ist keine Selbstverständlichkeit, autokratische Systeme heute zeigen das und die Bedrohung unserer Demokratie durch rechtspopulistische bis extremistische Ideen ist Realität. Deshalb ist es wichtig, dafür zu sensibilisieren, dass menschliche Eigenschaften leicht politisch missbraucht werden könnten. |
Materialien
Für Abbildungen, Materialien und differenzierte Arbeitsblätter zu diesem Modul und deren Verwendung im Unterricht schreiben Sie bitte eine email an landeskunde@zsl-bw.de.
Didaktische Hinweise und Bildungsplanbezug
Standardstufe: Sek. II
Inhaltbezogene Kompetenzen:
BPE 2.4 Umgang mit Schuld und Verantwortung heute
Die Schülerinnen und Schüler erfassen die Machtstruktur und die Ausübung der Herrschaft in der menschenverachtenden Diktatur des Nationalsozialismus.
Eine Auseinandersetzung mit dem Umgang von Schuld und Verantwortung heute ist zentraler Aspekt der Unterrichtseinheit.
Prozessbezogene Kompetenzen:
Historischer Denkprozess, Entwicklung von Leit- und Problemfragen
nachvollziehe2.2 2.2 Methodenkompetenz:
Auswertung unterschiedlicher Quellenarten, Arbeit in verschiedenen Sozialformen, Nutzung digitaler Tools und Quellen
Formulieren eigener Werturteile zum Bereich Umgang mit Schuld und Verantwortung heute
Umgang mit Schuld und Verantwortung heute, regionalgeschichtliches Beispiel als Exempel für übergeordnete Zusammenhänge
Herrschaftspraxis im Nationalsozialismus, Arisierung, Entnazifizierung, Umgang mit Schuld und Verantwortung heute
Leitperspektive
Literatur
Literaturliste als Aufzählung:
- Berghoff, Hartmut, Rauh-Kühne, Cornelia, Fritz K. Ein deutsches Leben im zwanzigsten Jahrhundert, Stuttgart 2000.
- Giordano, Ralph, Die zweite Schuld oder von der Last Deutscher zu sein, Köln 2000.
- Häffner, Martin, Trossingen vom Alemannendorf zur Musikstadt, Trossingen 1997.
- Häffner, Martin (Hg.), Trossinger Jahrbuch 2000, Trossingen 2001.
- Arbeitskreis Landeskunde/Landesgeschichte an der ZSL-Regionalstelle Freiburg-
Herausgeber: Landesbildungsserver Baden-Württemberg
Quelle: https://www.schule-bw.de
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