Das Schicksal des Adolf H. - Die (land-)jüdische Gemeinde und Gedenkstätte PKC Freudental mit besonderem Blick auf die Zeit des Nationalsozialismus. Ein Zugang über Quellen, Actionbound und Gedenkstättenbesuch
Hintergrund
Zeittafel
1525 und 1544
Erste Nachrichten über jüdische Bürger in Freudental.
1723
Schutzbrief des Besitzers von Freudental, Freiherr Johann Gottlob Zobel, gegen höheren Geldbetrag für die jüdische Großfamilie Seligmann Wolffen (insgesamt 6 Familien).
B 1 , Außenansicht/ Innenhof PKC Freudental © PKC Freudental |
1770
Die heute noch stehende Synagoge (jetzt: PKC-Freudental) wird erbaut (es gab allerdings Vorgängerbauten).
1862
Freudental hat 377 jüdische Einwohner (knapp 50% der Bevölkerung)
1864
Vollständige Rechtsgleichheit der jüdischen Bürger von Württemberg (vgl. Baden 1862), auch Niederlassungsfreiheit. Abwanderung aus den jüdischen Landgemeinden (auch Freudental) in die Städte.
1914-1918
5 Freudentaler jüdische Bürger gehören zu den Gefallenen im 1. Weltkrieg.
1920
Die jüdische Religionsschule, die seit 1816 als öffentliche – jüdische – Schule bestand, wird wegen fehlender Schüler aufgelöst.
1923
Adolf H. wird am 14. Juni in Freudental geboren als Sohn des Viehhändlers und Bauern Moritz Herrmann.
1929
Im Freudentaler Gasthaus zum „Hirsch“ sind die jüdischen Mitbürger unerwünscht. Hermann L. vom „Hirsch“ wird später erstes Freudentaler NSDAP-Mitglied.
1932
Die Muss-Vorschrift zur Straßenbenennung tritt ein, die Bezeichnung "Judengasse" in Freudental gefällt der jüdischen Gemeinde nicht.
1933
Adolf Hitler wird Reichskanzler. Der Freudentaler Hauptlehrer Ludwig Bauer wird lokaler Führer der NSDAP. Der jüdische Lehrer und Kantor der Synagoge Simon Meisner wird ausgegrenzt von der Schule, antisemitische Hetze eingeleitet.
1936
Die letzten jüdischen Kinder müssen die öffentliche Schule in Freudental verlassen.
1937
Mehrere jüdische Bürger emigrieren aus Freudental.
1938
Der junge jüdische Mann und Mannheimer Fotolaborant Eric Sonnemann (später: Sonneman) fotografiert die jüdische Gemeinde („Last summer“).
Am 10. November, ein Tag nach dem reichsweiten Pogrom wird auch die Freudentaler Synagoge geschändet und die jüdischen Bürger werden misshandelt. Der jüdische Kantor und die Familie Herrmann beantragen Reisepässe für die Flucht in die USA oder Südamerika.
1939
Adolf Herrmann überquert illegal im April die belgische Grenze, durch Schließung der Grenze zu Belgien können die Eltern Herrmann nicht nachkommen.
1940
Adolf Herrmann wird nach Frankreich deportiert und durchläuft verschiedene Lager.
1941
Die jüdische Wohnbevölkerung beträgt nur noch 14 Personen
1942
Während in Freudental die jüdischen Eltern Herrmann in das Zwangsaltersheim Dellmensingen bei Ulm eingewiesen und im August nach Theresienstadt deportiert werden, wird Adolf H. von Frankreich nach Auschwitz deportiert und ermordet.
1944
Auch die Eltern Herrmann werden in Ausschwitz ermordet.
1945
Nach dem 2. Weltkrieg kommt kein Emigrierter dauerhaft nach Freudental zurück. Von 1933 bis 1942 verließen insgesamt 88 Juden Freudental, die letzten 14 wurden deportiert. Insgesamt kamen 21 Freudentaler Juden in der Shoah um.
1970
Auf dem jüdischen Friedhof Freudental findet das vorerst letzte jüdische Begräbnis statt, des in Freudental geborenen Kaufmannes und Schriftstellers Julius Marx.
1985
Seitdem ist das Pädagogisch-Kulturelle-Centrum Freudental als Gedenk- und Begegnungsort aktiv, als Ort der Demokratiebildung, Toleranz und „Schul“ gegen Antisemitismus. Das 1979 kurz vor dem Abriss stehende Haus wurde durch einen Verein gerettet und seitdem immer wieder modernisiert.
2007
Anfang Oktober massive Schändung (110 Grabsteine) des Friedhofs Freudental
Nach:
Bez, Ludwig u.a. (Hg.): Der jüdische Friedhof in Freudental. Stuttgart – Berlin – Köln. 1996.
Kosial, Matthias [Jüdische Friedhöfe in BW, … Freudental]. www.uni-heidelberg.de/institute/sonst/aj/FRIEDHOF/BADENWUE/PROJEKTE/f-bw.htm#FreudentalSeegeberg
Pross, Steffen: Adolf. Bruchstücke einer deutschen Jugend. Freudental 2015 (= Freudentaler Blätter 9). S. 101ff.
Pross, Steffen: Freudental `38. Eine Ermittlung. Freudental 2009 (= Freudentaler Blätter 4).
Pross, Steffen: Pädagogisch-Kulturelles Centrum Ehemalige Synagoge Freudental. In: www.gedenkstaetten-bw.de/fileadmin/gedenkstaetten/pdf/gedenkstaetten/freudental_ehema_synagoge.pdf
Pross, Steffen: Später erhielt ich noch zwei Karten aus Theresienstadt. Freudentaler Adressbuch 1935. Bd. 1. Freudental 2011 (= Freudentaler Blätter 6). S. 233.
(Links aufgerufen am 16.02.22)
- Arbeitskreis Landeskunde/Landesgeschichte an der ZSL-Regionalstelle Stuttgart -
Herausgeber: Landesbildungsserver Baden-Württemberg
Quelle: https://www.schule-bw.de
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