Der Stuttgarter Tumult 1948: Kampf um Mitbestimmung und Soziale Marktwirtschaft

Hintergrund

Bedeutung


Die Demonstration und Massenkundgebung in Stuttgart am 28.10.1948 erhielt auf Grund des Einsatzes von US-amerikanischer Militärpolizei schon zeitgenössisch die Bezeichnung "Stuttgarter Tumult". Anders als dieser Name es vermuten lässt, handelte es sich dabei aber weder um ein isoliertes, ausschließlich lokal zu erklärendes Geschehen noch um bloße Randale, wie es von Zeitgenossen zur Herabspielung der Vorfälle behauptet wurde. Der Stuttgarter Tumult muss vielmehr als wichtiger Teil, ja geradezu als Kulminationspunkt der Proteste gegen die EInführung der Währungsreform im Juni 1948 in den Westzonen gesehen werden. 

Blick auf den überfüllten Karlsplatz, aufgenommen während der Rede von Karl Stetter um ca. 15 Uhr

B 5 Blick auf den überfüllten Karlsplatz, aufgenommen während der Rede von Karl Stetter um ca. 15 Uhr

 

Die Unzufriedenheit in Teilen der Bevölkerung steigerte sich im Laufe des Sommers 1948 und resultierte vor allem aus der Freigabe der Preisbildung durch den Wirtschaftsrat und seinen wichtigsten Vertreter, Ludwig Erhardt, bei gleichzeitiger Beibehaltung des Lohnstopps aus dem Jahre 1936. Während sich die Schaufenster, wie auf der Stuttgarter Königsstraße, mit teuren, ja luxuriösen Waren füllten, konnten sich nicht geringe Teile der Bevölkerung immer weniger Lebensmittel für ihren Lohn kaufen. Die aus dieser Diskrepanz resultierende Unzufriedenheit wurde von den Betriebsräten und Gewerkschaften aufgegriffen und politisch kanalisiert: Sie forderten eine Rücknahme des Lohnstopps, Preisdeckelungen und planwirtschaftliche Elemente. Höhepunkt dieser Bewegung war der erste und größte westzonale Generalstreik am 10.11.1948, der aber auf Grund der Stuttgarter Erfahrungen gewaltlos blieb und letztlich zu einem Einlenken des Wirtschaftsrates geführt hat. Staatliche Intervention gerade bei der Grundversorgung sollte die Marktwirtschaft ergänzen. Nun war das Schlagwort der "Sozialen Marktwirtschaft" geboren, mit dem gerade die CDU 1949 in den Wahlkampf ging. Anders als in manchen Schulbüchern suggeriert, kann die Herausbildung dieser Sozialen Marktwirtschaft als Kennzeichen der späteren BRD aber ohne den Druck der Straße und ohne die Proteste nicht erklärt werden. Insofern bilden die Proteste, exemplarisch am Stuttgarter Tumult vorgestellt, die historische Brücke zwischen der Währungsreform und dem späteren Wirtschaftssystem der BRD.   

Menschenmenge auf der unteren Königsstraße, die sich vor dem Modehaus Stahl (rechts im Bild nicht zu sehen) versammelt

B 6 Menschenmenge auf der unteren Königstraße, die sich vor dem Modehaus Stahl (rechts im Bild nicht zu sehen) versammelt


Sie zeigen zudem grundsätzlich Handlungsmöglichkeiten, Erfolge und Chancen zivilgesellschaftlicher Protestebewegungen im Rahmen des sich zuspitzenden Ost-West-Konfliktes und der Weststaatsgründung auf.

Aufruf Generalstreik

B 1 Aufruf zum Generalstreik


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