Zwangsarbeit im Überlinger Stollen und die Erinnerung daran
Hintergrund
Zeittafel
1. März 1944
Auf Anordnung des Reichsministeriums für Rüstung und Kriegsproduktion unter Albert Speer wurde der sogenannte Jägerstab eingerichtet. Er war für die Instandsetzung beschädigter Werke und deren Verlagerung zuständig.
28. April 1944
Bei einem besonders schweren Luftangriff auf die Stadt Friedrichshafen wurden die dortigen vier Rüstungsbetriebe „Luftschiffbau Zeppelin“, Motorenfabrik „Maybach“, Hallenbaufirma Dornier und die Getriebefirma „ZF-Zahnradfabrik“ dem Erdboden gleichgemacht.
B2 Zerstörte Werkanlage der ZF in Friedrichshafen |
29. April 1944
Um sich von der Situation ein Bild machen zu können flog der Stellvertretende Chef des Jägerstabs, Hauptdienststellenleiter Saur, nach Friedrichshafen.
30. April 1944
Sauer berichtete Hitler über die desolate Situation am Bodensee. Dieser ordnete an, die Werke Dornier und ZF wegen der starken Zerstörung nicht mehr aufzubauen, sondern zu dezentralisieren. Längerfristiges Ziel war es, sie unter Tage zu legen. Hierzu sollten in Überlingen und Hohenems entsprechende Stollenanlagen gebaut werden. In Überlingen wurden die Molassefelsen als besonders für den Stollenbau geeignet angesehen.
Das Überlinger Bauvorhaben wurde unter dem Decknamen MAGNESIT geplant und sollte eine Größe von 100.000m2 erreichen. Die vier Friedrichshafener Rüstungsbetriebe sollten darin bombensicher untergebracht werden.
Anfang Juni 1944
12 Mann begannen mit dem Stollenbau. Als Bauzeit wurden 100 Tage veranschlagt.
September 1944
Für den Bau der Stollenanlage wurden Häftlinge aus dem KZ-Dachau erstmals Ende September 1944 nach Überlingen gebracht. Diese wurden im KZ-Außenlager Aufkirch untergebracht, wo sich durchschnittlich 700 Häftlinge befanden.
B4 Wassili Sklarenko und Adam Puntschart (rechts) nach ihrer gelungenen Flucht in Schaffhausen am 30. März 1945 |
22. Februar 1945
Überlingen wurde von den amerikanischen und britischen Luftstreitkräften bombardiert, die Bahnanlagen, Stolleneingänge und technischen Geräte wurden durch den Bombenangriff zerstört, 20 Menschen kamen dabei ums Leben.
B3 Zerstörung der Bahnanlage durch den Bombenangriff am 22. Februar 1945 auf Überlingen |
20./21. April 1945
Nachdem die Häftlinge vollständig mit dem Zug nach Dachau zurücktransportiert worden waren, wurde das KZ Aufkirch in Brand gesetzt.
8./9. April 1946
Auf Betreiben des französischen Militärgouvernements wurden die 97 Opfer aus dem KZ Aufkirch aus dem Massengrab geborgen und auf dem neu angelegten Friedhof bei Birnau beigesetzt.
B5 Bergung der Leichen aus dem Massengrab im Wald Degenhardt, April 1946 |
1947
Die Franzosen sprengten und verfüllten einen Teil der Stollenanlage, vor allem Eingänge, größere Hallen und Kreuzungspunkte.
27. August – 17. September 1983
Workcamp mit 22 Jugendlichen aus Belgien, England, Irland, Italien, Neuseeland, den Niederlanden, Polen, Schottland, Ungarn, den USA und der BRD. Deren Hauptaufgabe bestand darin, Informationstafeln zur Erinnerung zu entwerfen, zu gestalten und aufzustellen.
1983-1989
Sanierung der Stollenanlage durch das Bundesvermögensamt. Seither ist der Stollen auch mit Führungen durch den Verein „Dokumentationsstätte Goldbacher Stollen und KZ Aufkirch in Überlingen“ für die Öffentlichkeit zugänglich.
1993
In der Nähe des Geländes des ehemaligen KZ-Aufkirch wurde eine neue Gedenkstätte errichtet.
B6 Gedenkstätte zur Erinnerung an das KZ-Aufkirch |
1996
Einrichtung einer Dokumentationsstätte in der Stollenanlage
B7 Der Aushub wurde auf Loren geladen, mit kleinen Dieselloks nach draußen gefahren und in den See gekippt. |
27. Januar 2001
Errichtung einer neuen Informationstafel in unmittelbarer Nähe zur KZ-Gedenkstätte Aufkirch.
Sommer 2016
Die 46 Kreuze auf dem KZ-Friedhof Birnau, die mit fortlaufenden Ziffern gekennzeichnet waren, wurden durch 97 Steinplatten ersetzt. Auf einer Bronzeplakette sind nun die Namen aller 97 auf dem Friedhof bestatteter Männer zu lesen, ihre Geburtsdaten, Geburtsorte und ihre Sterbedaten.
B1 KZ-Friedhof bei Birnau |
- Arbeitskreis Landeskunde/Landesgeschichte RP Tübingen -
Herausgeber: Landesbildungsserver Baden-Württemberg
Quelle: https://www.schule-bw.de
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