Hintergrund
Bedeutung
Die Frage nach dem Umgang mit den nationalsozialistischen Verbrechen beschäftigt uns, wie die voraussichtlich letzten noch laufenden Prozesse gegen ehemalige Wachmänner und -frauen oder der Prozess um die frühere KZ-Sekretärin des Konzentrationslagers Stutthof, Irmgard F., zeigen, noch bis in die Gegenwart.
Verantwortliche des nationalsozialistischen Konzentrationslagersystems wurden nach 1945 in verschiedenen Phasen mit ihrer NS-Vergangenheit konfrontiert. Damit einher gingen auch die Fragen nach der Verjährung von NS-Straftaten und dem Grad der Verantwortlichkeit der jeweiligen Personen. Der vornehmlich in den 1960er-Jahren angestoßene Wandel in der Geschichtsaufarbeitung – ausgelöst u.a. durch den „Ulmer Einsatzgruppen-Prozess“ (1958) oder den „Eichmann-Prozess“ in Jerusalem (1961) – führte auch zu der Frage nach der Verantwortung von sogenannten „Schreibtischtätern“, also Verantwortlichen, die nicht unmittelbar in den Tötungsprozess involviert waren. Der daraus resultierende Wandel des Moralverständnisses spiegelt sich auch im juristischen Wandel in Form der „Verjährungsdebatten“ wider. Oftmals wurden nun auch die Nachkriegskarrieren der am Holocaust Beteiligten beleuchtet, was zu einer unmittelbaren Konfrontation dieser mit ihrer NS-Vergangenheit führte.
B 3 Selektion in Auschwitz-Birkenau am 26. Mai 1944
Das Thema „Auseinandersetzung mit der eigenen NS-Vergangenheit am Beispiel von Kurt Knittel“ ermöglicht es, verschiedene Ebenen und Phasen der Aufarbeitung zu beleuchten. Dabei steht zu Beginn die Bewertung des Handelns Knittels Handeln in der Zeit zwischen 1941 und 1945 im Mittelpunkt. In einem zweiten Schritt stellt sich die Frage nach dem Umgang mit der NS-Vergangenheit zum einen durch Kurt Knittel selbst – sowohl in der unmittelbaren Nachkriegszeit als auch in den 1960er-Jahren im Umfeld der Frankfurter Auschwitz-Prozesse“ - zum anderen aber auch durch das gesellschaftliche Umfeld und das Kultusministerium Baden-Württemberg als Knittels Arbeitgeber.
Das Handeln Knittels wird in verschiedenen Phasen der deutschen Nachkriegsgeschichte unterschiedlich bewertet. Dabei liegen sowohl moralische als auch juristische Maßstäbe zugrunde, die es ermöglichen, Rückschlüsse auf das politische und gesellschaftliche Bild in unterschiedlichen Phasen der bundesrepublikanischen Geschichte zu ziehen.
B 7 „Allgemeine Zeitung“ vom 22.6.1960
Ziel der beiden Doppelstunden ist es, sich mit der Frage von moralischer und juristischer Schuld auseinanderzusetzen und zu erkennen, dass zwar beides einander bedingt, in einem konkreten Zeitabschnitt nicht unbedingt deckungsgleich ist. Mit dem vorhandenen Material und der zeitlichen Distanz können wir die Taten von Personen differenziert betrachten und ein anderes Urteil, als es vor einigen Jahrzehnten getroffen wurde, treffen.
Wie würden wir urteilen, wenn die Täter heute vor Gericht stehen würden? Wie müssen wir die Aussagen von Personen (Entlastungszeugen) aus heutiger Sicht bewerten? Was heißt Schuld? Was heiß Recht?
In der Auseinandersetzung mit Kurt Knittel wird zum einen der Operator „erörtern“, zum anderen aber auch die Fähigkeit zur Beurteilung geschult. Ebenfalls doll die Erkenntnis wachsen, dass Urteile nicht emotional, sondern aufgrund einer bestehenden Rechtsgrundlage und der damit verbundenen Kriterien getroffen und begründet werden.
- Arbeitskreis Landeskunde/Landesgeschichte an der ZSL-Regionalstelle Karlsruhe -
Herausgeber: Landesbildungsserver Baden-Württemberg
Quelle: https://www.schule-bw.de
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