Vom "Truppenjesus" zum Regierungsschulrat: Kurt Knittel und der Umgang mit der eigenen SS-Vergangenheit

Methodenvorschlag

Verlaufsplanung mit Materialien

Zeit/
Phase
Inhalte/
methodische Hinweise
Material
G M E (G8/G9)
1. Doppelstunde

Einstieg/

15 Min.

Als Einstieg bietet sich der kurze zdf-Filmbeitrag vom 20.10.2021 (QR-Code s. AB1) über den Prozess gegen die Sekretärin des früheren KZ Stutthof an. Im Plenum erörtern die Schüler:innen sodann die Frage nach dem Ziel und dem Ergebnis der Verhandlung einer Tat, die vor nunmehr über 80 Jahren stattfand. Leitfragen können hierfür sein: Muss eine 96-jährige Frau rund 80 Jahre nach der Tat vor Gericht angeklagt werden? Wie viel Schuld trägt eine Sekretärin, die in einem Konzentrationslager arbeitete?
Lohnt es sich noch, ein solches Gerichtsverfahren zu führen? Nach welchen Kriterien beurteilen wir die Tat?

Eine erste Definition der Begriffe "Schuld" und "Verantwortung" können mitprotokolliert werden. In den weiteren Schritten werden diese Begriffe definiert.

AB 1  AB 1  AB 1 
Erarbeitung I / 15 Min. Um eine Antwort auf die Frage finden zu können, warum wir heute noch Verbrechen, die zur Zeit des Nationalsozialismus begangenen wurden, vor Gericht verhandeln, ist es für die Schüler:innen notwendig, den Wandel der Rechtsprechung bis heute skizzenhaft nachvollziehen zu können. Der Informationstext der Bundeszentrale für politische Bildung (QR-Code s. AB2) ermöglicht eine unterschiedliche Erarbeitungsweise. Je nach Leistungsstärke der Klasse kann der Text in unterschiedlich große Abschnitte eingeteilt werden. AB 2   AB 2 AB 2 
Auswertung I / 15 Min. Anhand des Wandels in der Rechtsprechung, ausgelöst durch die sogenannte "Verjährungsdebatte", können in Form eines Unterrichtsgesprächs wesentliche Stationen bis heute gesichert werden. Die Ergebnisse können in einem Zeitstrahl (AB11) festgehalten werden. Am Ende des Moduls sollen diese Ergebnisse in die Abschlussdiskussion wieder aufgegriffen werden.  AB 11 AB 11  AB 11 
Erarbeitung II / 20 Min.

Als Übergang und Hinführung zum eigentlichen Thema, kann die Lehrperson nun die Person "Kurt Knittel" in wenigen Sätzen vorstellen. (Lebenslauf bis 1945)

Alternativ kann die Biografie Knittels aber auch Teil der arbeitsteiligen Gruppenarbeit sein, die nun in der zweiten Erarbeitungsphase folgt.

In ihr soll die Geschichte des Lagerkompexes Auschwitz, die Bedeutung der weltanschaulichen und politischen Schulung, Aufgaben und Rolle der Lager-SS und der konkrete Aufgabenbereich Knittels untersucht werden.

AB 3

 AB 4

AB 5

AB 6

AB 7

AB 3

AB 4

AB 5 

AB 6

AB 7

AB 3

 AB 4 

AB 5

AB 6

AB 7

Auswertung II / 15 Min.

In der zweiten Auswertungsphase gilt es nun, Kurt Knittel und seine Funktion als "Leiter der politschen und weltanschaulichen Schulung" zu bewerten. Hierfür tragen die Schüler:innen in einem ersten Schritt ihre Ergebnisse zusammen. Eine Möglichkeit zur Ergebnissicherung bietet AB 8.

In einem zweiten Schritt ist es aber sodann auch notwenig, die Rolle und Bedeutung Knittels im KZ-System zu analysieren und zu bewerten.

 AB 8 AB 8  AB 8

Transfer

10 Min.

In einer ersten Diskussion soll der Frage nachgegangen werden, inwieweit Knittel sich für sein Handeln verantworten muss. Dabei ist es sinnvoll, den zu Beginn angefertigten Zeitstrahl in das Gespräch mit einzubeziehen.      
2. Doppelstunde

Einstieg

10 Min.

Für den Einstieg in die zweite Doppelstunde bietet es sich an, die Fotografie Knittels aus dem Jahr 1955 den Schüler:innen zu zeigen. Das Foto zeigt Knittel mit drei Schülerinnen. Eine von ihnen schreibt den Satz "Je ne travaille jamais, je m'amuse." ("Ich arbeite nie, ich habe Spaß.") an die Tafel. Im Mittelpunkt der nachfolgenden ersten Erarbeitungsphase seht die Frage, wie es Kurt Knittel nach 1945 wieder gelang, in den Schuldienst zu kommen und welche Karriere er dort machte. Eine Problematisierung ergibt sich durch das Hinzuziehen der Ergebnisse der vorangegangenen Stunde.

 B 6  B 6 B 6  
Erarbeitung I / 15 Min.

In Einzel- oder Partnerarbeit gilt es in dieser Phase, den Spruch der Spruchkammer näher zu betrachten und auzuwerten.

 AB 9 AB 9  AB 9 
Auswertung I / 10 Min.

Anhand der Begründung und dem möglichen Vergleich mit den Ergebnissen der vorangegangenen Stunde, wird zum einen deutlich, warum Kurt Knittel von der Gruppe der Belasteten in die Gruppe der Minderbelasteten überführt wurde. 

Eine zeitliche Einordnung des Spruchs auf der Zeitleiste hilft bei einer Einordnung

     
Erarbeitung II / 30 Min.

Die letzte Erarbeitungsphase stellt die Auseinandersetzung Knittels mit seiner eigenen Vergangenheit und die Reaktionen in der Öffentlichkeit in den Mittelpunkt. Als zentrales Dokument dient ein Artikel aus der Allgemeinen Zeitung, der die Vorwürfe gegen Knittel sprachlich deutlich zum Ausdruck bringt. 

Durch die Analyse des Artikels entsteht die Möglichkeit, verschiedene Positionen und Reaktionen zu beziehen.

Hier soll den Schüler:innen Raum zur freien Auseinandersetzung mit den Vorwürfen gegeben werden, indem sie sich in in eine der nachfolgenden Rollen hineinversetzen:

a) Ein Freund von Knittel, der ihn Mitte der 1950er-Jahre im Karlsruhe Kulturbetrieb kennenlernte und nun einen Brief an Knittel verfasst.

oder:

b) Ein verantwortlicher Mitarbeiter des Karlsruher Oberschulamtes nach der Lektüre des Zeitungsartikels und der nun ein Schreiben an seine(n) Vorgesetzte(n) aufsetzt.

oder:

c) Ein junger Kollege, der sich mit den nationalsozialistischen Verbrechen und ihrer Aufarbeitung auseinandersetzt, und einen Leserbrief für eine lokale Zeitung oder einen Brief an das Kultusministerium verfasst.

Auf den Arbeitsblättern finden sich auch Originalstellungnahmen, die zum Vergleich herangezogen werden können.

Ziel dieser Phase ist es, die Schüler:innen für die verschiedenen emotionalen, moralischen und juristischen Reaktionen zu sensiblisieren.

AB 10    AB 10  AB 10  

Auswertung und Abschlussdiskussion / 25 Min.

In der letzten Phase sollen in einem ersten Schritt die verschiedenen Schreiben vorgestellt werden. 

Als Grundlage für die Diskussion nach Knittels Schuld und Verantwortung kann das nachfolgende Zitat Knittels dienen:

„Ich habe keine Gewalttätigkeit irgendwelcher Art begangen und meine Stellung niemals zu ungerechten Maßnahmen ausgenützt.“ (Schreiben Kurt Knittels an die Spruchkammer Kornwestheim vom 5.7.1947)

In der abschließenden Diskusision sollte darauf geachtet werden, dass die Schüler:innen aus heutiger Perspektive Werturteile formulieren, die Entwicklung der Rechtsprechung jedoch nicht außer Acht lassen.

Ein Rückbezug zum Einstiegsfilm und zur Frage, ob eine 96-jährige Sekretärin eines Konzentrationslagers sich heute noch vor Gericht verantworten muss, rundet die beiden Doppelstunden ab.

     

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- Arbeitskreis Landeskunde/Landesgeschichte an der ZSL-Regionalstelle Karlsruhe -

 


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