Von der Ostfront nach Spaichingen - Feldpost subjektive, entmythologisierende Zeugnisse eines Krieges
Methodenvorschlag
Verlaufsplanung mit Materialien
Zeit / Phase | Inhalt / methodische Hinweise | Material | |
1. Doppelstunde |
Sek I | Sek II | |
Einstieg / 10 Min.
UG/PA/GA
|
Inszenierung versus Frontalltag Wahrheit oder Fälschung? Am 4. Februar 1943 war in der lokalen Tageszeitung für Tuttlingen und Spaichingen dem "Gränzbote(n)" auf der Titelseite die Schlagzeile "Die Helden von Stalingrad rufen zur Tat - Sie wiesen uns den Weg zum Sieg - Bis zum letzten Atemzug blieb die unsterbliche 6. Armee ihrem Fahneneid treu" zu lesen. Bereits zwei Tage zuvor am 2. Februar 1943 hatten die letzten Truppenteile der 6. Armee im Süden der Stadt kapituliert. In der gleichgeschalteten lokalen Presse wurde das Ende des wochenlangen, menschenverachtenden Ringens um die Stadt Stalingrad als Mythos und Heldengeschichte dargestellt. Diese Propagandakonstruktion hatte militärisches Fehlverhalten des Oberbefehlshabers zu kaschieren und gleichzeitig Soldaten und Zivilbevölkerung zum weiteren Kampf zu motivieren. Den Schülerinnen und Schülern werden als Einstieg vier Schlagzeilen vorgelegt, sie überlegen, entweder im Plenum (UG) oder in Kleingruppen (PA oder GA), welche der Schlagzeilen tatsächlich zu lesen war und welche Fälschungen sind. (Reflexionskompetenz) Es ist zu erwarten, dass nach der Besprechung der Aufgabe Verwunderung darüber herrscht, dass die drei sachlich richtigen Überschriften die Fälschungen sind. Die Zusammenschau ermöglicht eine Sensibilisierung, dass zwischen brutalem Alltag an der Front und propagandistischer Überhöhung eine Diskrepanz bestand. Dadurch wird Neugier geweckt, die entdeckendes Lernen fördert und animiert, Fragen zu stellen. |
|
|
Erarbeitung I / 10 Min.
GA
UG / 5 Min. |
Entwicklung von Leitfragen Im nächsten Unterrichtsschritt werden in Kleingruppen (GA) Arbeits- und Leitfragen entwickelt. (Fragekompetenz und Reflexionskompetenz) Die Ergebnisse können in einer digitalen Pinnwand gesammelt und auch während der Unterrichtseiheit ergänzt werden. Mögliche Fragen:
(Vorgehen nach einer Idee von Wigbert Benz, in: Stalingrad. Mythos und Wirklichkeit einer Schlacht, hg. von W. Wette und G. R. Ueberschär, Frankfurt a. M., 1992, S. 244.) |
||
Überleitung / 8 Min. UG
LV oder EA |
Welche Quellenarten könnten Informationen bieten? Im Unterrichtsgespräch (UG) werden Ideen gesammelt, welche Quellenarten (Funksprüche, Anweisungen, Zeitungsartikel, Tagebücher, Briefe....) Informationen zu den genannten Fragen bieten könnten. Anschließend nennt die Lehrkraft Feldpostbriefe als historische Quelle für die Unterrichtssequenz. (Reflexions- und Methodenkompetenz) Es schließt sich eine Vorstellung des Briefschreibers Karl Bühler an. (Sachkompetenz) |
||
Erarbeitung II/ 25 Min.
EA
Auswertung/ 10 Min. Präs/ UG |
Eine Zusammenschau der individuellen Geschichte und der historisch-politischen Ereignisse erstellen Um sich mit der Geschichte des "kleinen Mannes" beschäftigen zu können, müssen die Rahmenbedingugen, in denen der Infanterist Karl Bühler gelebt hat, bekannt sein. Deshalb wird in diesem Unterrichtsschritt eine Synopse erstellt, die bereits die Makrohistorie der Schlacht um Stalingrad beschreibt. Die Schülerinnen und Schüler ordnen die Briefe Karl Bühlers in den historischen Verlauf ein. Dabei wird auf eine erste Textarbeit Wert gelegt, die Datierung der Briefe muss mit Textzitaten belegt werden und eine zentrale, besondere oder auch berührende Aussage wird notiert. (EA) (Sach-, Rekonstruktions- und Reflexionskompetenz) So entsteht eine Zusammenschau der Makro- und Mikrohistorie, die bereits darauf sensibilisiert, dass Mythos und Propaganda im Kontrast zum Alltag des Soldaten stehen. Um die genannte Sensibilisierung zu erreichen werden in der Ergebnissicherung beide Aspekte (Makro- und Mikrohistorie in verteilter Lesung vorgetragen. (Präs) Anschließend sollte ein Gedankenaustausch im Plenum stattfinden. (UG) |
|
|
Problematisierung/ Konkretisierung / 10 Min.
EA oder PA
Auswertung/ 10 Min.
UG/Präs
Überprüfung/ Ergänzung der Leitfragen/ 2 Min. UG |
Propaganda versus Alltag Die Schülerinnen und Schüler erhalten den Beginn des Artikels aus den "Gränzboten", dessen Überschrift als Einstieg bereits präsentiert wurde. Der Zeitungsausschnitt überhöht das Ende der Schlacht um Stalingrad und inszeniert einen Mythos. In der Oberstufe wird analytisch mit dem Text gearbeitet, indem die Sprache des Artikels untersucht wird, um die Konstruktion des Mythos deutlich werden zu lassen. Ein Vergleich mit den Texten Karl Bühlers führt zur Erkenntnis, dass seine Texte nichts heldenhaftes aufweisen und er sich vermutlich auch nicht als solcher sehen würde. (EA oder PA) (Methoden-, Sach- und Reflexionskompetenz) In der Sekundarstufe I wird eine produktiv-kreative Vorgehensweise gewählt. (EA oder PA) (Methoden-, Sach- und Reflexionskompetenz) Die Schülerinnen und Schüler notieren mögliche Gedanken Karl Bühlers, hätte er den vorliegenden Zeitungsartikel lesen können. Im anschließenden Unterrichtsgespräch (UG) sollte erarbeitet werden, dass eine Diskrepanz zwischen Propaganda und Alltag an der Front besteht. Zum Abschluss der ersten Doppelstunde wird geprüft, welche der zu Beginn gestellten Fragen beantwortet werden können. (Frage-, Sach- und Methodenkompetenz) |
||
Hausaufgabe |
Recherche Arbeitsteilig recherchieren die Schülerinnen und Schüler zur Organisation Feldpost, zum Bereich Zensur, zur Bedeutung der Feldpost und zum Themenkomplex Feldpostbriefe als historische Quelle. Als Recherchehinweis wird auf das Feldpostarchiv verwiesen. (www.feldpost-archiv.de) (Sach- und Methodenkompetenz) |
||
2. Doppelstunde | Sek I | Sek II | |
Einstieg/ 10 Min.
EA/UG |
Feldpostbrief als historische Quelle? Täter - Opfer?
Ein Briefumschlag und sein Kontext Als Einstieg werden Informationen ermittelt, die ein Briefumschlag, der an Karl Bühler adressiert ist, enthält. Die Schülerinnen und Schüler ordnen die Quelle in den historischen Kontext ein, damit wird das Erlernte aus der vergangenen Stunde wiederholt. Mit der Rekonstruktion, was das Ausbleiben von Post für Karl Bühler bzw. die Rücksendung für die Verwandten in der Heimat bedeuten musste, wird der Brief als Medium in den Fokus gerückt. (EA / UG) (Sach-, Methoden- und Reflexionskompetenz) |
|
|
Hausaufgabenbesprechung Sek II /Präs/UG /10 Min. Sek I /GA/UG/ 15 Min. |
Rechercheergebnisse In der Sekundarstufe II präsentieren die Schülerinnen und Schüler die erarbeiteten Ergebnisse, die im UG ergänzt, bzw. kritisch betrachtet werden. (Präs/ UG) (Sach-, Methoden- und Reflexionskompetenz) Gemäß der Recherchethemen bilden sich in der Sekundarstufe I Gruppen. (GA) Die Schülerinnen und Schüler vergleichen die zuhause erarbeiteten Inhalte und reduzieren diese auf wesentliche Aspekte, die dann dem Plenum präsentiert werden. (Präs/ UG) (Sach-, Methoden- und Reflexionskompetenz) |
||
Erarbeitung III / 20 Min.
EA |
Inhaltliche und sprachliche Analyse der Feldpostbriefe Karl Bühlers Im Zentrum der zweiten Doppelstunde stehen die Brieftexte Karl Bühlers. Die Schülerinnen und Schüler beschreiben Aspekte (EA), die der Briefschreiber thematisiert. (Sach- und Methodenkompetenz) Es wird beurteilt, inwieweit sich der Infanterist an die offiziellen Sprachregelungen von Feldpostbriefen hält. Besonders spannend ist eine Untersuchung des "uneigentlichen" Sprechens. Karl Bühler schreibt teilweise sehr direkt und hält sich nicht immer an die Vorgaben. Gleichzeitig verdrängt er Ängste und beruhigt die Empfänger in der Heimat. Diese Ambivalenz soll erfasst werden. (Reflexionskompetenz)
|
|
|
Auswertung/10 Min. GA
UG/TA/ 10 Min. |
Analyse der Briefe In Kleingruppen werden die Analyseergebnisse verglichen. Auch sollte überprüft werden, ob die Leitfragen beantwortet werden können. (GA) (Sach-, Methoden- und Reflexionskompetenz) Gemeinsam kann im UG ein Tafelbild entwickelt werden, das die zentralen Erkenntnisse zusammenfasst. |
||
Problematisierung I/ 10 Min.
EA/UG
EA/ UG/ 10 Min. |
Karl Bühler - Täter oder Opfer? Durch die Analyse der Feldpostbriefe kommt dem Leser der Verfasser sehr nahe. Karl Bühler wirkt sehr ehrlich, sympathisch und optimistisch. Gerne ließe man sich als Leser hinreißen, ihn ganz unkritisch als Opfer des Krieges wahrzunehmen. Diese Einschätzung hat auch Berechtigung, die Eindimensionalität reicht aber nicht, die Wirklichkeit ist komplizierter. Zunächst wird eine erste Abstimmung vor dem Hintergrund der Briefanalyse vorgenommen, ob Karl Bühler der Rolle des Täters, des Opfers oder beiden Rollen zuzuordnen ist. Die Abstimmung kann analofg erfolgen oder es könnte eine Mentimeter-Abfrage (Mentimeter ist ein kostenfreies Umfragetool, die Schülerinnen und Schüler benötigen ein Tablet oder Smartphone) gestartet werden. (EA) (Reflexions- und Orientierungskompetenz) Entscheidungen sollten im Unterrichtsgespräch begründet werden. (UG) Ein Auszug aus einem Tagesbefehl von Gfm Walter von Reichenau an die 6. Armee vom Oktober 1941 macht in ideologischem Duktus der Truppe unmissverständlich klar, gegen die Bevölkerung der Sowjetunion einen Vernichtungskrieg zu führen. Nun wird die Rolle des Infanteristen noch einmal beurteilt. (EA/ UG) (Reflexions- und Orientierungskompetenz. |
|
|
Problematisierung II/ 10 Min.
UG |
Feldpostbriefe als historische Quelle? Am Ende der beiden Doppelstunden werden die eingangs gestellten Fragen auf entsprechende Antworten überprüft, die dann auch ergänzt werden können. In einer Art "Bilanzgespräch" sollen die Chancen und Probleme von Feldpostbriefen als historische Quelle diskutiert werden. (UG) (Reflexions- und Orientierungskompetenz) |
- Arbeitskreis Landeskunde/Landesgeschichte an der ZSL-Regionalstelle Freiburg -
Herausgeber: Landesbildungsserver Baden-Württemberg
Quelle: https://www.schule-bw.de
Bitte beachten Sie eventuell abweichende Lizenzangaben bei den eingebundenen Bildern und anderen Dateien.