Reise nach Utopia - ein Exit Game

Methodenvorschlag

Verlaufsplanung mit Materialien


Zeit / Phase Inhalt / methodische Hinweise   Material
  1. Doppelstunde Sek II
 Einstieg /
10. Min.
Fantasiereise:
Die Schülerinnen und Schüler werden aufgefordert, für eine gedankliche Reise in die Vergangenheit die Augen zu schließen und sich bequem hinzusetzen bzw. den Kopf auf den Tisch zu legen. Die Lehrperson liest dann den Ausschnitt aus Edward Bellamys utopischem Roman „Looking Backward – Ein Rückblick aus dem Jahr 2000 auf 1887“ vor. Im Anschluss werden die Eindrücke ausgetauscht und die Frage gestellt, ob die Lernenden in der dargestellten Zeit, nämlich Ende des 19. Jahrhunderts, in den USA, hätten leben wollen. Im Anschluss wird die Herkunft des Textausschnittes geklärt und erläutert, dass in dem utopischen Roman eine Gegenwelt zur damaligen Gegenwart in Boston entworfen wird. Dies mündet in die Frage, wie sich der Autor 1887 wohl eine ideale Welt vorgestellt hat. Sie soll in Form eines Exit Games von den Schülerinnen und Schülern geklärt werden.
AB 1 
 Erarbeitung  / 75. Min.

Den Schülerinnen und Schülern werden ein offenes Starträtsel sowie die weiteren Rätselblätter in verschlossenen Umschlägen vorgelegt. Bei allen geht es darum, in Gruppenarbeit einen Code herauszufinden, mit dem das jeweils nächste Rätsel identifiziert werden kann.

Alternativ zur analogen Form kann man das Exit Game auch digital aufbereiten. MSWord bietet unter „Dokument schützen“ einen Funktion zum Verschlüsseln des Dokuments. Hierfür kann man die Codes nutzen, die jeweils im vorangegangen Rätsel gefunden und dann zum Öffnen des nächsten Arbeitsblattes angewandt werden.

Auf diese Weise lernen die Schülerinnen und Schüler unterschiedliche Utopien kennen und sollen herausfinden, welche der Gegenentwürfe eine Reaktion auf die im Einstieg erfahrenen Lebenswelt darstellt. Daher liegen am Ende sieben Schatzkisten mit den gleichen Codes wie die der „bereisten“ Welten bereit, aber nur in der „richtigen“ (Code 41) befindet sich die Lösung (AB 10).

Den Schülerinnen und Schülern werden ein offenes Starträtsel sowie die weiteren Rätselblätter in verschlossenen Umschlägen vorgelegt. Bei allen geht es darum, in Gruppenarbeit einen Code herauszufinden, mit dem das jeweils nächste Rätsel identifiziert werden kann.

Zu den verwendeten Textauszügen:

AB 2 Starträtsel: Johann Valentin Andreae: Christianopolis
In der 1619 entstandenen Utopie entwirft Andreae eine vollkommen harmonische, ganz der Hinwendung zu Gott verpflichtete Gemeinschaft, die eine nach Idealmaßen konstruierte Stadt bewohnt. Ein durch Schiffbruch gestrandeter Reisender erlebt bei seinem Besuch alle Bereiche der Christianopolis. Er trifft auf ein Wirtschaftsgefüge, das ohne Geldmittel auskommt, lernt eine dem Gemeinwohl verpflichtete Regierung bestehend aus durch die Bürger gewählte besonders tugendhafte Vertreter kennen sowie ein aufwändiges Bildungswesen.

AB 3 Code 27: H. G. Wells: Die Insel des Dr. Moreau
In dem 1896 erschienenen Roman strandet der schiffbrüchige Edward Prendick auf einer abgelegenen Insel, wo der Chirurg Dr. Moreau lebende Tiere zu menschenähnlichen Wesen operiert. Als die Tiermenschen sich gegen Moreaus Gesetz auflehnen und ihn töten, überlebt Prendick knapp und entkommt der Insel des Schreckens nach elf Monaten, in denen er zahlreiche Gefahren bestehen muss.

AB 4 Code 41: Edward Bellamy: Looking Backward – Ein Rückblick aus dem Jahr 2000 auf 1887

In dem 1888 veröffentlichten Roman geht es um einen jungen Mann aus Boston, der sich wegen seiner chronischen Schlafstörungen in einem schalldichten unterirdischen Schlafzimmer regelmäßig von einem Hypnotiseur in Schlummer versetzen lässt. Eines Tages wacht er aus einer dieser Hypnosen im Jahr 2000 in einer veränderten Welt auf.

AB 5 Code 60: Thomas Morus: Utopia
Der Roman aus dem Jahr 1516 gilt als erste Sozialutopie. Rahmenhandlung ist die Erzählung eines Seemannes, der eine zeitlang bei den Utopiern gelebt haben will. Diese bilden eine Gesellschaft mit demokratischen Grundzügen, die auf rationalen Gleichheitsgrundsätzen, Arbeitsamkeit, dem Streben nach Bildung und einer aufgeklärten Religion der Toleranz basiert.

AB 6 Code 102: Suzanne Collins: Die Tribute von Panem. Tödliche Spiele. (2008)

Panem, ein Land der Zukunft auf dem ehemaligen Gebiet Nordamerikas, aufgeteilt in 12 Distrikte, wird von einer grausamen und unerbittlichen Regierung geführt. Während in den Distrikten das Leben zum Teil in allergrößter Armut und unter mittelalterlich anmutenden Bedingungen stattfindet, leben die Menschen im Kapitol umgeben von neuesten technischen Errungenschaften in Reichtum und Überfluss. Einst war eine Revolte der Distrikt-Bevölkerung niedergeschlagen worden. Dafür werden die Einwohner fortwährend bestraft durch alljährlich stattfindende Hungerspiele. Per Los erwählte Jungen und Mädchen kämpfen vor den Augen der Öffentlichkeit, die das „Spiel“ medial verfolgt, um ihr Leben. Nur der bzw. die Letzte kann als gefeierter Sieger die Arena verlassen.

AB 7 Code 5: Francis Bacon: Neu-Atlantis

In Nova Atlantis, veröffentlicht 1627, beschreibt Francis Bacon die Entdeckung einer fremden und fortschrittlichen Kultur, die auf einer empirisch-wissenschaftlichen Verfassung basiert: Das „Haus Salomons“ ist interdisziplinäre Forschungsstation und Regierungsgebäude zugleich. Der Staat wird nicht von Politiker oder Parteien gelenkt, sondern von Wissenschaftlern: Astrologen, Biologen, Physiker, Chemiker, Architekten, Ingenieure, Ökonomen, Psychologen und Philosophen. Durch systematische Naturbeobachung sollen Erkenntnisse gewonnen werden mit dem Ziel, das Leben der Menschen zu vereinfachen.

AB 8 Code 11: Gudrun Pausewang: Die Wolke

Der 1987 veröffentlichte Roman warnt vor den Risiken der Atomenergie. Die Autorin entwirft das Szenario eines Reaktorunglücks in Westdeutschland am Beispiel der Erlebnisse eines 14-jährigen Mädchens, das bei einem Reaktorunfall zum Strahlenopfer wird. Es verliert bei dem SuperGAU des Atomkraftwerks in Grafenrheinfeld sein Eltern, seine beiden Brüder und eine seiner Großmütter. Das Mädchen selbst überlebt den Zwischenfall und wird in der Folge mit den Auswirkungen der Katastrophe und den gesellschaftlichen sowie politischen Reaktionen konfrontiert.

AB 9 Code 3: Schlussrätsel

AB 10 Code 19: Schatzkiste

Die Lösungen sowie Quellennachweise finden sich auf AB 11.

AB 2 

AB 3 

AB 4

AB 5

AB 6

AB 7

AB 8

AB 9

AB 10

AB 11

  2. Doppelstunde Sek II 
 Auswertung I/ 10 Min. Im Unterrichtsgespräch sollen der Prozess der Lösungsfindung gemeinsam reflektiert sowie die Begründungen der Gruppen für ihre Wahl besprochen werden. Hierbei ist die Rückbindung von Bellamys Gesellschaftskritik und dessen literarische Alternative an den historischen Kontext wichtig. Es sollte deutlich werden, dass die Kritik am kapitalistischen Wirtschaftssystem und der damit einhergehenden Verelendung breiter Bevölkerungsschichten gekoppelt ist mit einem Gegenentwurf, der sozialistische Ideen Realität werden lässt. Doch obwohl Bellamys idealistische Utopie in mehr als 20 Sprachen übersetzt wurde und in den USA einen gesellschaftlichen Aufbruch auslöste wie kein anderes Buch seit „Onkel Toms Hütte“, konnte sich sozialistisches Gedankengut in den USA nicht durchsetzen.  
 Auswertung II / 40 Min. Im nächsten Schritt werden die kennengelernten Gegenwelten miteinander verglichen und ihre Besonderheiten herausgestellt. Die Schülerinnen und Schüler sollten erkennen, dass die Entwürfe politische, gesellschaftliche und wirtschaftliche, aber auch technische Visionen entwickeln, die teilweise tatsächlich eingetreten sind bzw. noch eintreten könnten.   
 Problematisierung /20 Min. In der Problematisierung sollen nun die Entstehungsjahre der Texte offen gelegt werden, um den historischen Kontext der Utopien zu thematisieren. Dabei fällt auf, dass die jüngeren schwarzen Utopien bzw. Dystopien dazu dienen, vor kommenden Gefahren bzw. pervertierten Entwicklungen der modernen Industrie- und Mediengesellschaft zu warnen. Die älteren Utopien entwerfen dagegen positive Gegenwelten, mittels derer die zur Entstehungszeit real herrschenden Zustände kritisiert werden. In der Renaissance sind das v.a. der entstehende Absolutismus, die soziale Polarisierung, der von den Autoren wahrgenommenen Verfall der Sitten und der zentralen Institutionen des Gemeinwesens sowie v.a. bei Johann Valentin Andreae das unzureichende Bildungssystem. Bellamy kritisiert im Zeitalter der Hochindustrialisierung die katastrophalen Lebensbedingungen der Arbeiter im kapitalistischen System.   
 Transfer /
20 Min.
Zum Abschluss werden die Schülerinnen und Schüler aufgefordert zu reflektieren, in welcher Gegenwelt sie gerne leben würden bzw. wie sie sich eine ideale Welt vorstellen. Es ist aber auch denkbar, eigene Dystopien zu entwerfen, was manchen Lernenden gerade in der momentanen von vielen als krisenhaft empfundenen Zeit eventuell näher liegt. Diese sollten aber nicht als Negativpunkt am Ende der Stunde stehen bleiben, sondern ebenfalls dazu dienen zu diskutieren, was getan werden muss, um eine solche Entwicklung zu vermeiden.  

 - Arbeitskreis Landeskunde/Landesgeschichte an der ZSL-Regionalstelle Stuttgart -

 


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Quelle: https://www.schule-bw.de

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