Hintergrundinformationen
1. Bedeutung
Berthold Auerbach (1812 – 1882) wurde wie Fichte, Goethe, Hegel, Herder, Hölderlin, Kleist, Jean Paul, Schelling und Schiller von der Cotta’schen Verlagsbuchhandlung, dem wichtigsten Literaturverlag seiner Zeit, verlegt. In den zum Jahresende 1843 erstmals erschienenen „Schwarzwälder Dorfgeschichten“ machte Berthold Auerbach seinen Geburtsort Nordstetten sozusagen zu einem Schauplatz der Weltliteratur. Die ersten neun Dorfgeschichten, die ihren Verfasser über Nacht berühmt werden ließen, die innerhalb kurzer Zeit ins Englische, Italienische oder Schwedische übersetzt und bald darauf fast überall auf der Welt gelesen wurden, spielen alle in seinem schwäbischen Heimatdorf, das ihn in seiner Kindheit entscheidend geprägt hat. In den „Schwarzwälder Dorfgeschichten“ propagierte Auerbach einen neuen europäischen Realismus und schilderte Bilder einer versunkenen Epoche, deren soziale Konflikte und psychischen Probleme aber nicht der Vergangenheit angehören.
Der Volksaufklärer Auerbach schrieb Literatur aus dem Volk und für das Volk, die das Gute in die Menschen bringen sollte. Unter den Pädagogen, Pfarrern und Politikern, die sich in der Bildungsbewegung des Vormärz engagierten, nahm er als Schriftsteller eine gewichtige Rolle ein. Der in Vergessenheit geratene Berthold Auerbach war wohl der international bekannteste deutsche Erzähler des 19. Jahrhunderts und als Humanist, Liberaler und Demokrat einer der klügsten und intensivsten Beobachter seiner Zeit. Auerbachs Leben ist exemplarisch für die Hoffnungen und Niederlagen des Umbruch-Jahrhunderts. Als jüdisch geborener Deutscher, der in den „Schwarzwälder Dorfgeschichten“ seinen Heimatort Nordstetten als überregionales Modell deutsch-jüdischer Harmonie idealisierte und lange auf die Versöhnung von Juden und Deutschen fest vertraute, musste Auerbach am Ende seines Lebens das Scheitern aller humanistischen Hoffnungen und die Wiederkehr eines unversöhnlichen Antisemitismus miterleben.
Der Wendepunkt in Auerbachs Wirkungsgeschichte liegt in der Zeit des Nationalsozialismus. Die antisemitische Literaturkritik zeigte ihre verheerende Wirkung selbst noch nach dem Ende des nationalsozialistischen Regimes. Wurde Auerbach im ausgehenden 19. Jahrhundert noch in den bedeutenden Enzyklopädien und Konversationslexika mit umfangreichen Artikeln gewürdigt, so findet man ihn ein halbes Jahrhundert später selbst in Literatur- und Autorenlexika kaum noch erwähnt.
2. Geschichte
B 2 Geburtshaus von Berthold Auerbach in Horb-Nordstetten, Fabrikweg 2
© Joachim Lipp
1812
Berthold Auerbach (eigentlich Moses Baruch Auerbacher) wurde am 28. Februar als neuntes von elf Kindern des Viehhändlers Jacob Auerbach (1764 – 1840) und seiner Ehefrau Edel Frank (1775 – 1851) in Horb-Nordstetten geboren, wo er während der ersten 13 Lebensjahre entscheidende Prägungen erhielt.
Er besuchte die 1822 in Nordstetten im ehemaligen Gasthaus zur Sonne eröffnete erste israelitische Volksschule im Königreich Württemberg, die von dem jüdischen Lehrer Bernhard Frankfurter (1801 – 1867) geleitet wurde, und sollte nach dem Vorbild des gleichnamigen Großvaters Moses Baruch Auerbacher (1726 – 1802) Rabbiner werden.
B 3 Ehemaliges Gasthaus zur Sonne.
© Joachim Lipp
1825
Berthold Auerbach feierte dreizehnjährig seine Bar Mizwa und wurde auf die Talmudschule (Beth-Hamidrash) nach Hechingen geschickt. Nach dem Tod des Großvaters Samuel Frank (1742 – 1827) verschlechterte sich die finanzielle Lage der Familie, so dass sie kein weiteres Kostgeld an Rabbi Nathan Reichenberger bezahlen konnte.
Auerbach verließ Hechingen und wurde zur Fortsetzung seiner Ausbildung nach Karlsruhe geschickt, wo er bei seinem Onkel Meier Auerbacher wohnte. In der Karlsruher Talmudschule schloss er eine lebenslange Freundschaft mit dem entfernt verwandten Jakob Auerbach (1810 – 1887) aus Emmendingen.
1830
Da von den württembergischen jüdischen Theologen eine Gymnasialbildung gefordert wurde, wechselte Auerbach an das Obere Gymnasium in Stuttgart. Als er im zweiten Anlauf die Aufnahmeprüfung bestand, wurde ihm ein kleines königliches Stipendium zugebilligt.
1832
Auerbach immatrikulierte sich als Jurastudent an der Universität Tübingen, wechselte aber schon im nächsten Semester zum Fach Philosophie und war an der Eberhard-Karls-Universität als einziger Student der jüdischen Theologie eingetragen. In Tübingen wurde er Kneip-Mitglied der verbotenen Burschenschaft Germania. Wegen des zunehmenden politischen Drucks entschloss sich Auerbach, der zum Mitglied der äußeren Verbindung der verbotenen Burschenschaft avanciert war, sein Studium in München fortzusetzen.
1833
Auerbach immatrikulierte sich in München für das Fach Philosophie. Am 23. Juni wurde er um 5 Uhr morgens verhaftet und als radikal-liberaler Burschenschafter wegen staatsfeindlicher Umtriebe unter Polizeiaufsicht gestellt. Nach seiner Haftentlassung kehrte er nach Tübingen zurück, wo er auf dem Schloss in Untersuchungsarrest kam. Ende November wurde Auerbach von der Universität Tübingen verwiesen.
1834
Der unter Polizeiaufsicht stehende Auerbach durfte sein Theologiestudium an der Universität Heidelberg fortsetzen. Da ihm das königliche Stipendium entzogen worden war, musste er sich einer literarischen Brotarbeit zuwenden und verfasste unter dem Anagramm >Theobald Chauber< für den Stuttgarter Verleger Johann Scheible eine Geschichte Friedrichs des Großen. Nachdem sich Auerbach im Spätherbst 1835 in Stuttgart auf das Rabbinatsexamen vorbereitet hatte, wurde er aber wegen des Verdachts der Teilnahme an einer hochverräterischen Verbindung zum Examen nicht zugelassen.
1836
Auerbach übernahm die Redaktion für die Lieferungen 4 und 5 der „Gallerie der ausgezeichneten Israeliten aller Jahrhunderte, ihre Porträts und Biographien“ und begann seine Arbeit am Spinoza-Roman. Das Oberamtsgericht Tübingen verurteilte Berthold Auerbach in der Untersuchungssache gegen die Mitglieder der Tübinger Burschenschaft am 17. Dezember zu einem zweimonatigen Festungsarrest.
1837
Am 8. Januar trat Auerbach seine Strafe auf der Festung Hohenasperg an und arbeitete dort am Spinoza-Roman weiter. Am 8. März wurde er nach Stuttgart entlassen. Als Vorbestrafter war ihm nun der Weg ins Rabbinat verschlossen und er wandte sich der Schriftstellerei zu. Im November zeigte der Stuttgarter Verleger Johann Scheible das Erscheinen von Auerbachs erstem Roman „Spinoza. Ein Denkerleben“ an.
1838
Auerbach übersiedelte nach Frankfurt, wo er Aufnahme in die Freimaurerloge „Zur aufgehenden Morgenröte“ fand. Zwei Jahre später zog er nach Bonn. Ein vom religiösen und politischen Liberalismus bestimmtes Lebensgemälde des geistig erwachten Judentums im Zeitalter der Aufklärung entstand mit dem Roman „Dichter und Kaufmann. Ein Lebensgemälde“. Danach arbeitete Auerbach an der Übersetzung der in Latein verfassten Werke des niederländischen Philosophen Baruch de Spinoza (1632 – 1677). Im Juli 1840 notierte er den ersten Entwurf zu acht Dorfgeschichten. Nach dem Tod des Vaters im August 1840 begann Auerbach die „Schwarzwälder Dorfgeschichten“ zu schreiben.
1841
Auerbach übersiedelte nach Mainz und fristete ein Leben verbunden mit erheblichen finanziellen Schwierigkeiten. Im Januar des darauffolgenden Jahres bat er seinen ehemaligen Lehrer Bernhard Frankfurter um Nordstetter Realien zur Darstellung von Geschichten. Seine ersten fünf Dorfgeschichten konnte er 1842 einzeln in verschiedenen Zeitungen und Zeitschriften veröffentlichen. So erschien im April die Dorfgeschichte „Des Schloßbauers Vefele“ in der „Zeitung für die elegante Welt“ und im September wurde die Dorfgeschichte „Der Tolpatsch“ in der Zeitschrift „Europa“ veröffentlicht. Auerbach, der die Gattung Dorfgeschichte nicht erfunden, aber populär gemacht hat, war sich bewusst, dass es eine epochemachende Idee war, den Heimatort Nordstetten und die einfachen Bauern und Dorfbewohner zum Gegenstand der Literatur zu machen. Vergeblich suchte er auch im Jahr darauf nach einem Verleger für seine Dorfgeschichten.
B 4 Erstausgabe der Schwarzwälder Dorfgeschichten.
© Kultur- und Museumsverein Horb a. N. e. V.
1843
Auerbach übersiedelte nach Karlsruhe, um dort als Redakteur sein Geld zu verdienen. Im Februar nahm Karl Mathy (1807 – 1868), Kompagnon im neugegründeten Mannheimer Verlag von Friedrich Bassermann (1811 – 1855), das Manuskript mit Auerbachs Dorfgeschichten an. In den in einem Doppelbändchen zum Jahresende erschienenen „Schwarzwälder Dorfgeschichten“ machte Berthold Auerbach seinen Geburtsort Nordstetten zu einem Schauplatz der Weltliteratur. Die ersten neun Dorfgeschichten, die ihren Verfasser über Nacht berühmt werden ließen, die innerhalb kurzer Zeit ins Englische, Italienische oder Schwedische übersetzt und bald darauf fast überall auf der Welt gelesen wurden, spielen alle in Nordstetten.
1844
Auerbachs literarischer Volkskalender „Der Gevattersmann. Neuer Kalender für den Stadt- und Landbürger auf 1845“ begann erstmals im Karlsruher Verlag Gutsch & Rupp zu erscheinen. Als Kalendermann sah er sich in der Nachfolge Johann Peter Hebels (1760 – 1826) und seine umfangreiche Arbeit an den Volkskalendern, die Nützliches und Erzähltes beinhalteten, verstand er als Kulturarbeit am Volk. Er nutzte dieses Medium, um mit eigenen kleinen Texten seine liberalen und staatskritischen Überzeugungen auf anschauliche Art zu verbreiten. Nach der gescheiterten 1848er Revolution durfte die Ausgabe für das Jahr 1849 nicht mehr erscheinen.
Der so plötzlich berühmt gewordene Auerbach machte sich auf eine mehrmonatige Triumphfahrt durch Hessen, Thüringen, Preußen, Sachsen und Schlesien und sah sich überall aufs Herzlichste empfangen.
B 5 Lithographisches Portrait Berthold Auerbachs aus der Zeitschrift >Europa< von 1844 mit einer biographischen Skizze von August Lewald
© Landesmedienzentrum Baden-Württemberg, LMZ311730
1847
Im Mai heiratete Berthold Auerbach Auguste Schreiber in Breslau. Die Hochzeitsreise führte über Dresden, Leipzig, Weimar, Frankfurt und Mainz nach Nordstetten. Im Winter erregte eine öffentliche Auseinandersetzung mit der Theaterschriftstellerin Charlotte Birch-Pfeiffer (1800 – 1868) großes Aufsehen, die Auerbachs neue Dorfgeschichte „Lorle, die Frau Professorin“ in Berlin unter dem Titel „Dorf und Stadt“ äußerst erfolgreich auf die Bühne brachte. Der Urheberrechtsstreit verursachte zwar viel Wirbel, aber Auerbach ging dabei schließlich leer aus.
Auerbachs „Lorle“-Motiv fand weitere Verarbeitung durch den österreichischen Operettenautor August Neidhart (1867 – 1934), der in Allerheiligen die „Schwarzwälder Dorfgeschichten“ im Gepäck das Libretto zur Erfolgsoperette „Schwarzwaldmädel“ von Leon Jessel (Uraufführung 1917, Verfilmung 1950) schrieb. Dieses Motiv findet sich auch in George Bernard Shaws Schauspiel „Pygmalion“ (1913) und schließlich im Broadway-Musical „My Fair Lady“ (Uraufführung 1956, Verfilmung 1964).
1848
Nach der Übersiedlung nach Heidelberg wurde am 4. März während der dortigen Judenkrawalle Auerbachs Sohn August geboren. Seine Frau Auguste verstarb am 4. April an Kindbettfieber. Auerbach löste die Heidelberger Wohnung umgehend auf und brachte sein Kind zu den Schwiegereltern nach Breslau. Seine innere Unruhe führte ihn im September nach Wien, wo er die Revolutionswirren miterlebte, die er in dem „Tagebuch aus Wien. Von Latour bis auf Windischgrätz“ festhielt.
Während seines Aufenthalts in Wien lernte Auerbach Nina Landesmann kennen, die Schwester des österreichischen Schriftstellers Heinrich Landesmann, der sich zum Schutz seiner jüdischen Familie vor Verfolgung des Pseudonyms Hieronymus Lorm bediente.
1849
Auerbach heiratete Nina Landesmann am 1. Juli im mährischen Eisgrub und übersiedelte mit seiner Familie nach Dresden, wo aus der zweiten Ehe die Kinder Ottilie (1850), Eugen (1852) und Rudolf (1855) hervorgingen. Im Sommer 1850 erfolgte Auerbachs letzter Besuch bei der Mutter in Nordstetten.
In Dresden, wo er die Dramen „Andreas Hofer“ (1850) und „Der Wahrspruch“ (1855) schuf, publizierte Auerbach den Roman „Neues Leben“ (1852). Im Verlag von Bassermann und Mathy erschienen als dritter Band der Dorfgeschichten „Diethelm von Buchenberg“ (1852) und der vierte Band der „Schwarzwälder Dorfgeschichten“ (1854).
B 6 Auerbach-Büste aus der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts, hergestellt in der Nymphenburger Porzellanmanufaktur Goebel.
© Badisches Landesmuseum Karlsruhe
1855
Nachdem der Verleger Friedrich Bassermann am 29. Juli Selbstmord begangen hatte, wechselte Auerbach zum renommierten Stuttgarter Cotta-Verlag, wo er 1842 vor dem großen Erfolg der Dorfgeschichten noch abgewiesen worden war.
In Cottas Verlagsangebot gab es bald die Dorfgeschichten in verschiedenen Ausführungen vom Papiereinband bis zur Prachtausgabe. Sie erschienen in mehreren Neuauflagen als Einzelausgaben und 1857/58 als zehnbändige Teilsammlung „Sämtliche Schwarzwälder Dorfgeschichten“ innerhalb der zwanzigbändigen Gesamtausgabe „Auerbachs Gesammelte Schriften“. Auerbachs Verkaufszahlen lagen gleichauf mit denen der Klassiker Goethe und Schiller und brachten dem Verleger und dem Autor ein kleines Vermögen ein.
1856
Als erste neue Schwarzwälder Dorfgeschichte beim Cotta-Verlag erschien 1856 das „Barfüßele“. Wie auch bei den folgenden Dorfgeschichten „Joseph im Schnee“ (1860) oder „Edelweiß“ (1861) siedelte Auerbach die anrührende Geschichte nicht mehr im heimatlichen Nordstetten an. Das „Barfüßele“ wurde weltweit zu Auerbachs größtem Erfolg. Diese Dorfgeschichte wurde am häufigsten übersetzt. So gibt es neben den gängigen Sprachen beispielsweise Übersetzungen ins Russische, Finnische, Lettische, Estnische oder neuhebräische Iwrit. Mehrere der übersetzten „Barfüßele“-Ausgaben wurden eigens illustriert. Die englische sowie die französische Prachtausgabe verwendete die Holzstiche der Cotta-Ausgaben von 1870/71, die der Schweizer Genremaler Benjamin Vautier (1829 – 1898) geschaffen hatte. Bis 1927 erschienen im Cotta-Verlag 49 Auflagen.
1859
Im Dezember übersiedelte Berthold Auerbach mit seiner Familie nach Berlin, das Auerbachs Wohnsitz bis Juni 1881 blieb. Sommer für Sommer unternahm er aber ausgedehnte Reisen nach Württemberg, Baden, die Schweiz oder zu seinen Verwandten nach Nordstetten. Auerbach besuchte Bekannte in Weimar, in Düsseldorf und Frankfurt. Der kleine, oft kränkliche Mann verkehrte in angesagten Kurorten wie Bad Kissingen, Baden-Baden, Gernsbach, Rigi-Kaltbad, Bad Ragaz, Tarasp, St. Moriz, Karlsbad, Marienbad, Bad Ischl, Cannstatt oder Bad Imnau. Dabei nutzte Auerbach die Eisenbahn als modernes Verkehrsmittel, wo er nur konnte. Die zahlreiche Reisen waren des Öfteren aber auch den Differenzen mit seiner Ehefrau Nina geschuldet.
Während des Deutsch-Deutschen Krieges wurde es in der aufstrebenden Hauptstadt Berlin zu unruhig, weshalb Auerbachs Familie 1866 für zwei Jahre in Bingen und Bonn lebte und dann wieder nach Berlin zurückkehrte, wo sie weiterhin alle paar Monate die Wohnung wechselte. In den ersten Berliner Jahren schrieb er seinen zweiten großen Roman „Auf der Höhe“, dem 1869 der dritte große Roman „Das Landhaus“ am Rhein folgte.
B 7 Photographisches Bildnis aus der zweiten Ausgabe der Gesammelten Schriften, 1863 - 1864
© Landesmedienzentrum Baden-Württemberg, LMZ050033
1870
Im Sommer veröffentlichte Auerbach mit dem Flugblatt „Was will der Deutsche und was will der Franzos“ eine nationalistische Propaganda, in der er die Notwendigkeit unterstrich, gegen Frankreich einen offensiven Verteidigungskrieg zu führen und sich als einiges Deutschland zu präsentieren. Während des Deutsch-Französischen Krieges wurde er im August 1871 von Großherzog Friedrich I. von Baden (1826 – 1907) ins Hauptquartier der badischen Truppen nach Lampertheim geladen und wurde im Oktober Augenzeuge des Kampfs um Straßburg. Als der erste tote Soldat an ihm vorbei getragen wurde, ließ Auerbachs Kriegsbegeisterung allerdings sehr schnell nach und er verließ das badische Heerlager.
In Leipzig erschien von 1858 bis 1869 jährlich Berthold Auerbachs Deutscher Volkskalender mit Beiträgen namhafter Autoren. Darunter fand sich auch eine Novelle des Schweizer Dichters Gottfried Keller (1819 – 1890), für die Auerbach den glücklichen Titel „Das Fähnlein der sieben Aufrechten“ fand.
Der Absatz seiner vier großen Romane erklärte sich weniger aus ihrer literarischen Qualität als vielmehr aus Auerbachs Popularität als Verfasser der Dorfgeschichten. Gleichwohl wurden diese Romane, die ihre Leserinnen und Leser weltweit fanden, in mehreren Auflagen und teilweise in luxuriöser Ausstattung gedruckt. Auch mit seinen späten Romanen „Landolin von Reutershofen“ (1878), „Der Forstmeister“ (1879) und „Brigitta (1880)“ konnte er literarisch nicht überzeugen.
Für seine vielen treuen Leserinnen und Leser schrieb Auerbach die Schicksale einiger Helden der frühen Dorfgeschichten fort. „Der Tolpatsch aus Amerika“, „Des Lorles Reinhard“ und „Das Nest an der Bahn“ veröffentlichte er 1876 unter dem Titel „Nach dreißig Jahren. Neue Dorfgeschichten“. An den Erfolg der ersten Schwarzwälder Dorfgeschichten konnte er damit jedoch nicht mehr anknüpfen.
B 8 Auerbach-Portrait mit Autogramm, 1878
© Kultur- und Museumsverein Horb a. N. e. V.
1881
Im Juni verließ Auerbach Berlin wegen eines geplanten Kuraufenthaltes im schweizerischen Tarasp. Obgleich er am kaiserlichen Hof in Berlin vor allem bei Kaiserin Auguste Viktoria (1858 – 1929) eine hohe Wertschätzung genoss, begann er in der Reichshauptstadt mehr und mehr unter dem aufkeimenden Antisemitismus zu leiden. Als Gast des Bankiers und Mäzens Kilian von Steiner (1833 – 1903), der sich kurz vor seinem Tod maßgeblich an der Eröffnung des Schiller-Nationalmuseums in Marbach beteiligte, verfasste Auerbach zu Herbstbeginn während seines Aufenthalts in Bad Niedernau die Erinnerungen an seine Kindheit in Nordstetten. Anfang Oktober übersiedelte er zu seiner Schwester nach Cannstatt, wo er weiter an seinen Kindheitserinnerungen schrieb. Nachdem Auerbach an einer schweren Lungenentzündung erkrankt war, reiste er anfangs Dezember auf ärztliche Anordnung in Begleitung seiner Tochter Ottilie von Cannstatt über Zürich ins südfranzösische Cannes, wo er in der Privatklinik des ihm bekannten schwäbischen Arztes Dr. Tritschler wohnte.
1882
Ende Januar verschlechterte sich Auerbachs Gesundheitszustand dramatisch und sein Sohn Eugen fand sich inzwischen am Krankenbett ein. Am 8. Februar hatte Auerbach nachmittags den Tod vor Augen und äußerte noch den Wunsch, dass all seine seit 1830 verfassten Briefe an den vertrauten Freund Jakob Auerbach als biographisches Denkmal herausgegeben werden sollen. Um sechs Uhr abends schloss Berthold Auerbach für immer die Augen.
Seinem Wunsch gemäß wurde Berthold Auerbach am 15. Februar auf dem Nordstetter Judenfriedhof in der Nähe der Gräber seiner Großeltern, Eltern und Geschwister beerdigt.
B 9 Der Nordstetter Judenfriedhof
© Joachim Lipp
1883
Am ersten Jahrestag seines Todes erfolgte auf dem Nordstetter Judenfriedhof unter Beteiligung der bürgerlichen Kollegien, der israelitischen Schuljugend und der Gemeinde die Einweihung des Grabdenkmals, das nach Auerbachs Wunsch einfach und prunklos gestaltet wurde. Eine Grabplatte aus grauem Granit ruht auf zwei Blöcken aus rotem Buntsandstein. Diese beiden Gesteinsarten finden sich aber nicht in Auerbachs Geburtsort Nordstetten, dem Schauplatz seiner ersten Dorfgeschichten, sondern nur im Schwarzwald.
B 10 Auerbachs Ehrengrab auf dem Nordstetter Judenfriedhof
© Joachim Lipp
1889
Die Gebrüder Jakob und Richard Gidion gründeten in Nordstetten eine Zigarrenfabrik, die den Dichter Berthold Auerbach posthum als Werbeträger für ihre Rauchwaren einsetzte.
B 11 Aschenbecher und Banderole aus der Nordstetter Zigarrenfabrik mit Berthold Auerbach als Werbeträger. © Joachim Lipp
1907
Im Februar wurde anlässlich des 25. Todestages von Berthold Auerbach am Geburtshaus des Dichters eine Gedenktafel angebracht, die vom Vorstand des Schiller-Nationalmuseums der Gemeinde Nordstetten übergeben worden war. Im selben Jahr erschien die umfangreiche Auerbach-Biografie des österreichischen Literaturwissenschaftlers Anton Bettelheim (1851 – 1930).
B 12 Abbildung der nach 1933 zerstörten Gedenktafel im Berthold- Auerbach-Museum.
© Joachim Lipp
1909
Im Mai wurde in den Kursaalanlagen in Bad Cannstatt ein Denkmal für Berthold Auerbach eingeweiht. Auf der Höhe des Platzes, an den sich der Dichter oft Ruhe suchend zurückzog, fand das von dem Karlsruher Bildhauer Hermann Volz (1847 – 1941) geschaffene Denkmal gegenüber der Auerbach-Linde seine Aufstellung . Eine Bronzebüste in doppelter Lebensgröße mit den Zügen des Dichters erhob sich auf einem Granitquader aus dem Schwarzwald.
1912
Nach dem Erlöschen der exklusiven Druckrechte des Cotta-Verlages nutzte die Konkurrenz dreißig Jahre nach dem Tod des Verfassers die Gelegenheit, preisgünstige Ausgaben des beliebten Lesestoffs anzubieten. Auerbachs Dorfgeschichten erschienen als Einzelausgaben unter anderem bei den Leipziger Verlagen Reclam sowie Hesse & Becker. Oft wurden zwei oder drei Dorfgeschichten zu einem Bändchen zusammengefasst. Kalender- und andere Volksbuchverlage boten billige Heftreihen im Papierumschlag an. Der Berliner Globus-Verlag führte Auerbachs Dorfgeschichten als gebundene Auswahlausgaben und als farbenfrohe Groschenhefte im Sortiment.
1933
Nach der Machtergreifung Adolf Hitlers wurde die Büste auf dem Cannstatter Auerbach-Denkmal ebenso wie die als Relief gestaltete Gedenkplatte an Auerbachs Geburtshaus auf Betreiben der Nationalsozialisten entfernt und eingeschmolzen.
Ob und welche von Auerbachs Schriften bei der Bücherverbrennung vom 10. Mai Opfer der Flammen wurden, lässt sich nicht mit Bestimmtheit sagen. Sichtbare Belege der antisemitischen Diskriminierung finden sich aber als Kontrollstempel durch die Gestapo oder in Form des sogenannten Judengift-Stempels in wenigen erhaltenen Exemplaren von Schriften von oder über Berthold Auerbach.
B 13 Ausgabe von Auerbachs Ghettoroman Dichter und Kaufmann, versehen mit dem so genannten Judengift-Stempel.
© Joachim Lipp
1951
Das zerstörte Cannstatter Auerbach-Denkmal wurde erneuert. An Stelle der Büste ziert den Granitstein nun jenes Bronzerelief des Dichters, das sich auf der Nordstetter Gedenktafel befand. Als Vorlage dazu diente ein Marmorrelief von Anton Haendler (gest. 1878). Dieser verwendete wiederum ein Relief, das der Bildhauer Ernst Rietschel (1804 – 1861) nach dem Gemälde von Julius Hübner (1806 – 1882) schuf und 1847 zu Auerbachs Hochzeit nach Breslau schickte.
B 14 Erneuertes Auerbach-Denkmal in den Kursaalanlagen von Bad Cannstatt.
© Joachim Lipp
1959
Die erste Straße im Nordstetter Neubaugebiet wurde nach Berthold Auerbach benannt.
1962
Im Beisein des baden-württembergischen Ministerpräsidenten Kurt Georg Kiesinger wurde anlässlich des 150. Geburtstages von Berthold Auerbach eine bronzene Gedenktafel am Nordstetter Schloss enthüllt.
B 15 Gedenktafel am Nordstetter Schloss.
© Joachim Lipp
1982
Anlässlich des 100. Todestages von Berthold Auerbach vergab die Stadt Horb a. N. zur Erinnerung an den großen Sohn Nordstettens zum ersten Mal den heute mit 2500 Euro dotierten Berthold-Auerbach-Literaturpreis. Bisherige Preisträger waren Klaus-Dieter Lauer (1982), Walle Sayer (1996), Kurt Oesterle (2002), Egon Gramer (2007) und Susann Pásztor (2012).
B 16 Nordstetter Schloss mit dem alten Wehrturm, in dem sich die Mikwe der jüdischen Gemeinde befand.
© Joachim Lipp
1986
Von der Arbeitsstelle für Literarische Museen in Marbach am Neckar wurde im Nordstetter Schloss eine Dauerausstellung eröffnet, die anhand von zahlreichen Dokumenten und Büchern die Lebensstationen Berthold Auerbachs vom Nordstetter Schulbub bis zum gefeierten, weltbekannten Verfasser der „Schwarzwälder Dorfgeschichten“ aufzeigt.
B 17 Eingangsraum im Berthold-Auerbach-Museum.
© Joachim Lipp
1993
Der Kultur- und Museumsverein Horb a. N. eröffnete im Oktober 1993 die Sonderausstellung „150 Jahre Schwarzwälder Dorfgeschichten von Berthold Auerbach“ und gab dazu eine gleichnamige Publikation heraus.
1995
Die Narrenzunft Nordstetten gründete die Tolpatsch-Gruppe.
B 18 Tolpatsch-Gruppe der Narrenzunft Nordstetten.
© Narrenzunft Nordstetten e. V. 1993
1996
Die Grundschule Nordstetten wurde in Berthold-Auerbach-Grundschule umbenannt.
2006
Der Kultur- und Museumsverein Horb a. N. eröffnete zusammen mit dem Berthold-Auerbach-Literaturkreis im Oktober die Sonderausstellung „Barfüßele auf seinem Weg in die Welt. Berthold Auerbachs erfolgreichste Dorfgeschichte wird 150“ und gab dazu eine gleichnamige Publikation heraus.
2012
Anlässlich des 200. Todestages von Berthold Auerbach eröffnete die Stadt Horb a. N. in Zusammenarbeit mit dem Berthold-Auerbach-Literaturkreis im März eine Jubiläumsausstellung im Gang des Nordstetter Schlosses.
3. Anlage
B 19 Nebenraum im Berthold-Auerbach-Museum.
© Joachim Lipp
Seit 1986 befindet sich das von der Arbeitsstelle für literarische Museen, Archive und Gedenkstätten in Baden-Württemberg eingerichtete Berthold-Auerbach-Museum im ersten Obergeschoss des Nordstetter Schlosses, das Karl Heinrich Keller von Schleitheim in den Jahren 1739/40 an Stelle eines im 16. Jahrhundert von den Herren von Habsberg errichteten Renaissanceschlosses erbauen ließ. Das stattliche Nordstetter Schloss ist der einzige Profanbau, der am oberen Neckar im Zeitalter des Barock von einem Mitglied der schwäbischen Reichritterschaft vollständig neu errichtet worden ist.
In zwei Räumen wird die Lebens- und Wirkungsgeschichte des Erzählers und Romanciers Berthold Auerbach illustriert. Einige der Ausstellungsstücke stammen aus Privatbesitz. Bei manchen Exponaten handelt sich um Faksimiles, deren Vorlagen aus dem Nachlass Berthold Auerbachs stammen, der im Deutschen Literaturarchiv verwahrt wird.
Den ersten Raum des Museums ziert das Marmorrelief von Anton Haendler und in ihm befinden sich 4 Vitrinen:
1 Ein Denkmal für Berthold Auerbach
2 Kindheit in Nordstetten
3 Literarische Anfänge
4 Die ersten „Schwarzwälder Dorfgeschichten“
Den zweiten Raum schmückt ein Ölporträt von Berthold Auerbach, das sein Freund German von Bohn 1881 gemalt hat. Hier befinden sich neben einem gläsernen Bücherschrank mit zahlreichen Einzel- und Gesamtausgaben, die das umfangreiche Werk von Berthold Auerbach eindrucksvoll dokumentieren, 5 weitere Vitrinen:
5 „Barfüßele“. Zehn Jahre Dresden
6 Auerbachs Volkskalender
7 Wechselnde Sonderausstellung mit Illustrationen zu Auerbachs Werken
8 Der gefeierte Schriftsteller in Berlin
9 Letzte Jahre
Mit Vorträgen und Autorenlesungen, organisiert vom Berthold-Auerbach-Literaturkreis, wird in diesen beiden Räumen auch das Erbe des Schriftstellers gepflegt.
B 20 Vitrine 4 im Berthold-Auerbach-Museum.
© Joachim Lipp
- Arbeitskreis Landeskunde/Landesgeschichte RP Karlsruhe -