Heilbronnerlesen - Eine literarische Spurensuche im Literaturhaus Heilbronn
Hintergrund
Bedeutung
B3 Hörstation mit Kurzlesungen literarischer Texte der im Literaturhaus vorgestellten Autorinnen und Autoren
Das Heilbronner Literaturhaus im Trappenseeschlösschen am Ostrand der Stadt ist zu einem lebendigen Ort kultureller Begegnung geworden. Hier finden Lesungen mit zeitgenössischen Autorinnen und Autoren statt, Vorträge, Tagungen, Workshops und Diskussionsrunden. Außerdem fungiert das Literaturhaus als literarisch-kulturelles Netzwerk der Stadt und ihrer Region. So führt es z.B. Projekte zum Thema Literatur und Kreatives Schreiben mit Schulklassen und der Hochschule Heilbronn durch (Wortstatt). Einige Wochen vor der schriftlichen Abiturprüfung bietet das Literaturhaus Online-Vorträge zu den Sternchenthemen der Abiturprüfung im Fach Deutsch in Kooperation mit der Akademie für Innovative Bildung und Management Heilbronn-Franken (aim) an.
Interessierte Besucher informiert das Literaturhaus über eine Reihe von Autorinnen und Autoren, die einen besonderen Bezug zu Heilbronn haben, wie Wilhelm Waiblinger, Heinrich von Kleist, Ludwig Pfau, Justinus Kerner oder Vitoria Wolff. Besucher können selbständig auf Entdeckungsreise gehen und an verschiedenen Stationen Mitmach-Angebote wahrnehmen oder Texte lesen. Diese werden zur Vertiefung auch zum Mitnehmen angeboten. Hörstationen und Kurzfilme ergänzen das Angebot dieser anschaulichen Präsentation.
Träger des Literaturhauses ist die Stadt Heilbronn. Dem Literaturhaus Heilbronn ist seit dem Jahr 2019 das von der Stadt Heilbronn getragene Kleist-Archiv Sembdner angeschlossen. Es ist in erster Linie Anlaufpunkt für die Kleistforschung, bietet aber auch allgemeine Veranstaltungen zu Kleist, seiner Zeit und seiner Rezeption an. Außerdem steht es offen für Schulprojekte. Ein zentrales Arbeitsfeld des Archivs ist Kleists Drama „Das Käthchen von Heilbronn oder die Feuerprobe“, mit dem der Dichter die Stadt international bekannt gemacht hat.
Anlage
Das Trappenseeschlösschen gehört zu den reizvollsten historischen Orten Heilbronns. Es liegt mitten in einem Park an der Jägerhausstraße in unmittelbarer Nähe zu einem traditionellen Ausflugslokal. Überschreitet man die Steinbrücke zur Insel, taucht man ein in das Interieur des Barockschlösschens, welches dem Literaturhaus ein fast traumhaftes Ambiente bietet.
Links vom Eingang lädt ein Empfangsraum zur ersten Orientierung ein. Über eine Hörstation können Texte von Wilhelm Waiblinger und Heinrich von Kleist abgerufen werden, vorgelesen von dem Heilbronner Schauspieler Lucas Janson. Der Tübinger Schriftsteller Joachim Zelter liest Texte von Ernst Siegfried Steffen, Hanns Zischler Gedichte von Ludwig Pfau.
Im ersten Obergeschoss befindet sich der Veranstaltungssaal mit Grafiken des Leipziger Künstlers Rolf Kuhrt zu Kleists Käthchen von Heilbronn, im Saal des zweiten Obergeschosses wird die Ausstellung „Heilbronnerlesen. Eine literarische Spurensuche“ gezeigt.
B4 Blick in den Ausstellungssaal
Heilbronnerlesen. Eine literarische Spurensuche
Die ständige Ausstellung Heilbronnerlesen. Eine literarische Spurensuche präsentiert neun Persönlichkeiten, die einen besonderen Bezug zu Heilbronn haben. Die Stationen sind Heinrich von Kleist, Justinus Kerner, Wilhelm Waiblinger, Ludwig Pfau, Theodor Heuss, Victoria Wolff, Otto Rombach, Herbert Asmodi und Ernst Siegfried Steffen gewidmet. Erinnert wird auch an Friedrich Schiller, der sich längere Zeit in der Reichsstadt Heilbronn, an der Grenze zum Herzogtum Württemberg aufhielt, um von dort aus illegal Besuche in der Heimat rund um Stuttgart durchzuführen, was ihm offiziell verboten war. Besucherinnen und Besucher können in der Ausstellung literarische Spuren in der Stadtgeschichte und Heilbronner Spuren in der Literaturgeschichte entdecken und je nach Interesse an einzelnen Beispielen vertiefen. Die Ausstellung wurde von der Heilbronner Gruppe Sepia mit Texten des Literaturhauses gestaltet.
B5 Mitmachstation mit Rätseln zu den Stationen
B6 Bekannte Heilbronnerinnen und Heilbronner lesen aus dem Kinderbuch „Das Käthchen von Heilbronn“. Monitorstation in der Kleistecke der Ausstellung
Heinrich von Kleist (1777 – 1811)
In der Reichsstadt Heilbronn, wo Goethe sein Drama „Götz von Berlichingen“ enden lässt, beginnt Kleists „Käthchen von Heilbronn“. Die Figur des Käthchens ist seitdem eng mit der Stadt verbunden. Das mittelalterliche Steinhaus am Marktplatz ist nach Käthchen benannt, beim historischen Fleischhaus steht eine bronzene Skulptur des Bildhauers Dieter Läpple und bei offiziellen Anlässen tritt das Käthchen als Repräsentationsfigur der Stadt auf. Als möglicher Zugang für Schülerinnen und Schüler bieten sich die kurzen Kleisterzählungen „Der Branntweinsäufer und die Berliner Glocken“, „Anekdote“ oder „Die beiden Tauben. Eine Fabel nach Lafontaine“ an, die in der Hörstation vorgelesen werden.
B7 Kleistwand mit Texten zum Mitnehmen
B8 Stationen zu Justinus Kerner und Wilhelm Waiblinger mit Informationstexten und literarischen Texten zum Mitnehmen.
Justinus Kerner (1786-1862)
Über 40 Jahre lebte Justinus Kerner im nahen Weinsberg. Als Oberamtsarzt der Stadt baute er sich am Fuß der Weibertreu sein gastliches Haus, das bald zum Mittelpunkt der Schwäbischen Romantik wurde. Mit Heilbronn war er eng verbunden und stand im Zentrum der honorigen „Gräßlegesellschaft“. In einem Gedicht aus dem Jahr 1846 „An Heilbronn“ bezeichnete er sich als „Weinsbergs Bürger, Heilbronns Gast“. Kerners Wirken ist erstaunlich vielseitig. Er gilt als Entdecker des Botulinumtoxins (Botox), als Pionier der Psychoanalyse und befasst sich mit alternativen Heilmethoden. Als Medizinstudent betreut er den geistig verwirrten Hölderlin und setzt sich später für die Herausgabe seiner Gedichte ein. Manche seiner eigenen romantischen Gedichte sind zu Volksliedern geworden, wie „Der reichste Fürst“, das als „württembergischen Landeshymne“ galt. Zu Lebzeiten wird er nicht nur in Württemberg als Dichter verehrt. Ein interessanter Ansatzpunkt zur Auseinandersetzung mit Kerner im Unterricht sind seine „Klecksographien“.
B9 Mitmachstation zu Kerners Klecksographien Foto: Ulrich Maier
Wilhelm Waiblinger (1804 – 1830)
Als „enfant terrible der schwäbischen Dichterfamilie“ wurde er bezeichnet. In seinem kurzen Leben entstanden Gedichte, Dramen, Romane, Reisereportagen und Satiren. Der Verleger Johann Friedrich Cotta schickt das junge Genie auf eine Italienreise. In Rom ist Waiblinger gestorben. Sein Grab befindet sich auf dem Protestantischen Friedhof. Das Grabmal, eine abgebrochene weiße Marmorsäule mit dem Relief seines Kopfes trägt die Inschrift: „Zum Andenken gewidmet von seinen Freunden aus dem Schwabenland“.
B 10 Station zu Ludwig Pfau und Victoria Wolff
Ludwig Pfau (1821 – 1894)
Der Heilbronner Gärtnersohn veröffentlicht bereits im Alter von 21 Jahren seinen ersten Gedichtband. Kurz vor Ausbruch der Revolution 1848 gründet er in Stuttgart das Satireblatt „Eulenspiegel“, in dem viele seiner revolutionären Gedichte erscheinen. Aber auch politisch wird er aktiv im Landesausschuss der Volksvereine, beteiligt sich am Kampf gegen die preußischen Invasoren in Baden, die der badischen Demokratie ein Ende machen, flieht in die Schweiz und anschließend nach Paris. Nach der Amnestie für Achtundvierziger kehrt er nach Württemberg zurück und gründet mit seinen politischen Freunden die demokratische „Volkspartei“, aus der letztlich die FDP hervorging. Mehrfach muss sich der Oppositionelle wegen seiner Kritik am autoritären Regime Bismarcks vor Gericht verantworten. Geeignete Zugänge zu Pfau bieten sich z.B. durch seine Revolutionslieder wie „Badisches Wiegenlied“ oder „König Humbug“.
Victoria Wolff (1903 – 1998)
Trude Victoria Victor kommt 1903 als Tochter einer jüdischen Kaufmannsfamilie in Heilbronn zur Welt. Schon vor dem Abitur als einziges Mädchen ihrer Klasse am Heilbronner Realgymnasium beginnt ihre journalistische Karriere mit Reportagen für die Neckarzeitung, später für die Frankfurter Zeitung, die Kölnische Zeitung, das Stuttgarter Neue Tagblatt und den Süddeutschen Rundfunk. 1932 erscheint ihr erster Roman "Eine Frau wie du und ich" über George Sand. Gleich nach der Machtergreifung der Nationalsozialisten emigriert sie in die Schweiz nach Ascona. Wegen ihres Romans „Gast in der Heimat“, in dem sie sich kritisch mit dem Aufstieg des Nationalsozialismus auseinandersetzt, landet sie auf der Liste der „unerwünschten Schriftsteller“ in Hitler-Deutschland. Über Frankreich und Spanien kommt sie 1941 in die USA. In Hollywood wird ihr Roman „Das weiße Abendkleid“ verfilmt, weitere Drehbuchaufträge folgen. Für den Unterricht ist ihre Biographie besonders aufschlussreich, ergänzt mit Auszügen aus dem Roman „Gast in der Heimat“, der deutliche Bezüge zum Heilbronn der 1920er und 1930er Jahre aufweist.
B11 Station zu Theodor Heuss und Otto Rombach Foto: Ulrich Maier
Theodor Heuss (1884 – 1963)
In Brackenheim geboren, kommt Heuss im Alter von sechs Jahren nach Heilbronn, wo er zur Schule geht und am Karlsgymnasium Abitur macht, das heute nach ihm benannt ist. „Was mir Heilbronn gegeben hat? Demokratie als Lebensform. Das ist das Erbe dieser Stadt“, bekennt Heuss in einer Rede 1950. Er wird Journalist, dann Reichstagsabgeordneter. Sein Buch „Hitlers Weg“ (1932) befasst sich kritisch mit dem aufkommenden Nationalsozialismus. Nach der Machtübernahme der Nazis muss sich Heuss, überwacht von der Gestapo, zurückziehen und schreibt unteranderem eine Biographie über den Industriellen Robert Bosch. 1945 erhält Heuss die Lizenz zur Herausgabe der Heidelberger „Rhein-Neckar-Zeitung“, wird Landtagsabgeordneter und Kultusminister, 1948 Vorsitzender der neugegründeten FDP und 1949 erster Bundespräsident. Aus seiner Feder stammen unter anderem biographische Porträts von Schiller, Uhland, Gottfried Keller und Ludwig Pfau.
Otto Rombach (1904 – 1984)
Der in Heilbronn-Böckingen geborene Rombach lebt ab 1929 in Berlin als Journalist, Dramatiker, Lyriker und Romancier. Bekannt wird er vor allem durch seine Romane „Adrian der Tulpendieb“ , 1966 für das Fernsehen verfilmt, oder „Der junge Herr Alexius“, der die Geschichte der mittelalterlichen Großen Ravensburger Handelsgesellschaft zum Hintergrund hat.
B12 Station zu Herbert Asmodi mit Texten zum Mitnehmen Foto: Ulrich Maier
Herbert Asmodi (1923-2007)
1923 in Heilbronn als Herbert Kaiser geboren, lebt Asmodi ab 1952 als freier Schriftsteller und Theaterkritiker in München. Bekannt ist er vor allem als Dramatiker und Drehbuchautor von Literaturverfilmungen.
B13 Station zu Ernst Siegfried Steffen Foto: Ulrich Maier
Ernst Siegfried Steffen (1936 – 1970)
Nur vierunddreißig Jahre wird er alt. Nach einer Kindheit in Heimen begeht er mehrere Delikte und landet im Gefängnis. Dort entdeckt er das Schreiben. Bekannt wird er, als Rolf Zelter im Stuttgarter Theater der Altstadt seine Texte vorliest . Auf dem Blechnapf getrommelt stellt Steffen seine eigenen Texte in einem Flyer vor. Die "Stuttgarter Zeitung" und "Christ und Welt" berichten über ihn. Das öffentliche Interesse ist geweckt. Nach einem Gnadengesuch wird er Ende des Jahres 1967 entlassen. Ein Jahr später erscheint bei Luchterhand sein erster Gedichtband (Lebenslänglich auf Raten, 1969). Unter dem Titel "Rattenjagd" (erschienen 1971) beschreibt er seine Erfahrungen aus dem Gefängnisalltag. Die Veröffentlichung erlebt er nicht mehr. Nach einem schweren Autounfall endet sein Leben jäh. Steffens Lyrik und Prosa ist von eindringlicher Direktheit. Er gilt als einer der bekanntesten Gefängnisschriftsteller der Gegenwartsliteratur.
Arbeitskreis für Landeskunde/Landesgeschichte am Zentrum für Schulqualität und Lehrerbildung
Herausgeber: Landesbildungsserver Baden-Württemberg
Quelle: https://www.schule-bw.de
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