Das kalte Herz, Märchen von Wilhelm Hauff

Hintergrundinformationen

Bedeutung

Märchen und Sagen einer Landschaft

1. Das Kunstmärchen
„Wer durch Schwaben reist, der sollte nie vergessen, auch ein wenig in den Schwarzwald hineinzuschauen; nicht der Bäume wegen, obgleich man nicht überall solch unermessliche Menge herrlich aufgeschossener Tannen findet, sondern wegen der Leute, die sich von den anderen Menschen ringsumher merkwürdig unterscheiden. Sie sind größer als gewöhnliche Menschen, breitschultrig, von starken Gliedern, und es ist, als ob der stärkende Duft, der morgens durch die Tannen strömt, ihnen von Jugend auf einen freieren Atem, ein klares Auge und einen festeren, wenn auch raueren Mut als den Bewohnern der Stromtäler und Ebenen gegeben hätte. Und nicht nur durch Haltung und Wuchs, auch durch ihre Sitten und Trachten sondern sie sich von den Leuten, die außerhalb des Waldes wohnen, streng ab...“ (Wilhelm Hauff, Das kalte Herz)

Anfang des Märchens „Das kalte Herz“

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Anfang des Märchens „Das kalte Herz“ und Büste von Wilhelm Hauff, in : Güntter, Otto: Hausbuch schwäbischer Erzähler. Mit den Bildnissen der Verfasser. Stuttgart/Marbach 1911.
© Foto Ludwig Hanisch

Diese von Wilhelm Hauff gewählte sehr wirklichkeitsnahe und lebensecht anmutende Einleitung seines Märchen vom kalten Herzen unterscheidet sich von den uns typischen und bekannten Einleitungsformen, wie wir sie beispielsweise bei den Märchen der Brüder Grimm vorfinden:
In den alten Zeiten...
Es war einmal...
Ein Vater hatte...
Ein Müller hatte...
Brüderchen nahm sein Schwesterchen...
An einem Sommermorgen...
Vorzeiten gab es...
Vor einem großen Wald...

Somit gelingt es Wilhelm Hauff, seine Leser zunächst an die nacherlebbare und nachvollziehbare Existenz der Schwarzwaldbewohner heranzuführen, bevor er in deren Sagen- und Märchenwelt überleitet. Dabei greift er geschickt den Aberglauben dieser Waldbewohner auf und führt den Leser – noch im Realismus verharrend – immer tiefer in die von ihm vorgesehene Märchenwelt hinein. Durch diese Verflechtung und Überschneidung von Erfahrbarem und Fantastischem bedient er sich einer besonderen Form von Märchen, wie wir sie bei den gesammelten und didaktisch-pädagogisch veränderten Märchen der Brüder Grimm nicht finden. Unschwer erkennbar haben wir es folglich nicht mit einem Volksmärchen, sondern mit einem Kunstmärchen zu tun.

Blick vom Kienberg

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Blick vom Kienberg (764m, Reichenbacher Wald) ins Murgtal bei Klosterreichenbach.
© Foto Ludwig Hanisch

2. Landschaften und ihre Bewohner
Landschaften unterscheiden sich voneinander durch ihre besondere Prägung. Geologie und Relief, Bodenbeschaffenheit und Klima, Flora und Fauna greifen ineinander und bestimmten in früheren Zeiten in besonderem Maße die Lebensgrundlagen wie Lebensformen der Bewohner.
Wohlhabenheit einerseits und Armut andererseits ließen typische Sozialformen und religiöse Ausrichtungen entstehen. Berufe und Gewerbe führten und führen bis heute zu typischen Wirtschaftsformen einer Landschaft (Schwäbische Alb Textilindustrie, Mittlerer Neckarraum Autoindustrie, Schwarzwald Holzindustrie). Heute verleihen neben diesen traditionellen Berufen, Gewerben und Industrien ganz moderne Wirtschaftszweige den Orten und Regionen eine neue, erweiterte Prägung.

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In der von Holz geprägten Landschaft hat auch die moderne umweltschonende Energiegewinnung ihren Einzug gehalten. Großwindanlage an der Bundesstraße 294 nahe Besenfeld.
© Foto Ludwig Hanisch

3. Naturverständnis damals und heute
Der heutige Mensch betrachtet sein Wohn-, Arbeits- und Lebensumfeld nicht mehr ausschließlich unter dem wirtschaftlichen Aspekt, sondern lässt sein Lebensgefühl auch vom Freizeitwert einer Region her bestimmen oder weiß auch die natürlichen Schönheiten seines Landes oder seiner Region unter bestimmten Gesichtspunkten zu schätzen. Für den Menschen der vergangenen Epochen dagegen war die Existenzfrage sein erster und wichtigster Gedanke.

Auswanderungswellen belegen diese These und auch die Konzentration von Wirtschaftsstandorten verbunden mit Neuansiedlungen oder das rasante Wachsen von Ballungszentren sowie Landflucht und Verödung durch wirtschaftlichen Niedergang einer Region zeigen dies deutlich. In der Regel sind aber heute moderne Technologien nicht mehr oder nur in Ausnahmefällen an einen typischen geographischen Standort gebunden.

Naturverständnis sowie Gefühl, Verantwortung und Sensibilität der Natur gegenüber haben vor allem im Laufe der moderneren Geschichte bis zur Gegenwart sowohl beim überwiegenden Teil der städtischen wie ländlichen Bevölkerung eine radikale Veränderung erfahren. Doch wenn der moderne Mensch auch der Natur als Erholungs- und Erlebnisraum auf der einen Seite eine bisher nicht da gewesene Bedeutung und Faszination beimisst, wird er zugleich mit dem Schwinden und Verdrängen der Natur gerade in den Ballungsgebieten in einem nie gekannten Ausmaß schmerzlich konfrontiert.

Gewerbe und Industrie bis an den Waldessaum

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Wo noch vor wenigen Jahren Wiesen, Äcker und Gärten der natürliche Gürtel um eine Stadt waren und als Luftkorridore den Städten eine Klimaqualität garantierten, schieben sich jetzt Gewerbe und Industrie bis an den Waldessaum heran.
© Foto Ludwig Hanisch

Auch der ständig weltweit anwachsende Individualverkehr, die weitere Zunahme von gigantischen Industriestandorten, die gewaltige Zunahme der Weltbevölkerung und die Versteppung riesiger Landstriche der Erde stehen dieser modernen Einstellung von Natur als Erholungsraum konträr gegenüber.

In vergleichbarer Weise veränderten sich in der Geschichte Landschaften durch intensive wirtschaftliche Nutzung und Ausbeutung.
Der Schwarzwald war bereits im 18. Jahrhundert durch den Raubbau von Holz so geschädigt, dass die Fürsten der Länder zu landschaftserhaltenden Maßnahmen greifen mussten. Einerseits benötigte die heimische Industrie (Glasherstellung und Bergbau) Holz in gigantischen Ausmaßen, aber noch mehr dieses Rohstoffes wurde außer Landes geschafft. Für ein neues Handelsschiff benötigte man 1000 Eichen, für ein Kriegsschiff sogar 4000. Der Untergrund vieler Städte musste wegen ungünstiger Bodenbeschaffenheit stabilisiert werden. So stehen 60% von Alt-Amsterdam auf Holzpfählen aus den Waldregionen Süddeutschlands.
Der bedeutendste Holzhandelsplatz der Niederlande war Dordrecht.

Holzumschlagsplatz

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Der Holzumschlagsplatz Dordrecht nach einer zeitgenössischen Darstellung, Museum Neuenbürg.
© Foto Ludwig Hanisch

Die Natur erleben zu dürfen gehört aber beim modernen Menschen inzwischen zu einer unverzichtbaren Lebensqualität, die er unter Umständen allein, in Interessensgemeinschaften oder Bürgerinitiativen einfordert.
Die Einstellung zur Natur und die Bedeutung, die man ihr beimisst, ist somit heute bei der städtischen wie bei der ländlichen Bevölkerung in Mitteleuropa nahezu gleich.

 bei Schwarzenberg im Murgtal

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Der heute überwiegend in Ballungsgebieten lebende Mensch sucht und erfährt in einer solchen Landschaft wie hier bei Schwarzenberg im Murgtal die für ihn notwendige Erholung vom hektischen Alltagstreiben.
© Foto Ludwig Hanisch

Das ständig wachsende räumliche und kommunikative Sich-Näherkommen, Durchdringen und Beeinflussen ist eine typische Erscheinungsform der modernen Gesellschaft. Wohnwelt und Arbeitswelt können durch die verkehrstechnische Erschließung einer Region und durch die vielfältig zur Verfügung stehenden Verkehrsmittel weit auseinanderliegen. So sind Pendlerwege von 50 und 100 Kilometern und mehr nicht mehr die Ausnahme, sondern die Regel.

Denkmal

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Dort, wo es Arbeit gibt, zieht es die Menschen hin. Den Arbeiterinnen und Arbeitern, die von den umliegenden Dörfern Pforzheims in der Schmuck und Uhrenindustrie Arbeit fanden, widmete man dieses Denkmal. Mit ihrem Kochgeschirr am Gürtel und ihren genagelten Schuhen waren sie weithin hörbar, wenn sie die gepflasterten Straßen von Pforzheim betraten.
© Foto Ludwig Hanisch

Und die modernen digitalen Kommunikationsformen sowie die heutige Medienvielfalt erzeugen eine Kommunikationsdichte und Kommunikationsnähe in noch nie da gewesener geballter Form. Der moderne Mensch ist in verstärktem Maße damit beschäftigt, die auf ihn einströmende Informationsflut auf Verwertbares und Überflüssiges zu durchforsten und sich schleunigst wieder vom täglich nachwachsenden „Datenmüll“ zu trennen.

4. Das Weltbild der ländlichen Bevölkerung in der Vergangenheit
Anders verhielt es sich jedoch in den vergangenen Jahrhunderten im Bereich der Erweiterung sowie der Weitergabe und Verinnerlichung des Wissens.
Das lange neben der religiösen Weltanschauung der Menschen existierende magische Weltbild beeinflusste nämlich den ländlichen, bäuerlich lebenden Menschen viel unmittelbarer als den Großstädter.

Relief

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Kirchen sowie andere öffentliche Gebäude bedienten sich mit ihren Skulpturen und Gemälden der Bildersprache, um religiöse wie weltanschauliche Inhalte der leseunkundigen Bevölkerung zu vermitteln.
© Foto Ludwig Hanisch

Sehnsüchte und Wünsche der ländlichen Bevölkerung sowie erlebte Glücksfälle und ausgestandene Ängste regten die Phantasie tiefgreifender und nachhaltiger an als die der städtischen Bevölkerung. Sie suchten nach Ursachen und Erklärungen und erschufen neue, geheimnisvolle Welten, die sich in der Sage, der Legende oder dem Märchen zunächst in mündlicher, später in schriftlicher Form, teils in volkstümlicher, teils in kunstvoller Literatur niederschlugen.

So betritt auch Wilhelm Hauff - zu Beginn seines Märchens realistisch anmutend - die besonders markante Landschaft des Schwarzwaldes. Er beschreibt ihre Bewohner, ihre Kleidung, aber vor allem ihre ausgeübten Berufe, wobei er die Bewohner des badischen, westlichen Schwarzwaldes mit ihren Sitten und Gewohnheiten anders charakterisiert als die Bewohner des württembergischen, östlichen Schwarzwaldes. Die einen beschäftigen sich mit Glasmachen und Verfertigen von Uhren, die anderen handeln mit ihrem Wald und flößen die gefällten und behauenen Baumstämme auf ihren Flüssen bis nach Holland.

Glasbläser

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Glasbläser, Aquarellzeichnung aus dem Buch: Sternen-Himmel über Buhlbach von Dora-Luise Klumpp.
© Foto Ludwig Hanisch

Flößer

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Ortsschild des ehemaligen Flößerortes Dennjächt im Nagoldtal.
© Foto Ludwig Hanisch


5. Das Märchen vom kalten Herzen und seine besondere Eignung für fächerübergreifenden Unterricht

Die Behandlung des Märchens vom kalten Herzen eignet sich somit in besonderer Weise für den fächerübergreifenden Unterricht, da die Erzählung die Ethik einer Epoche sowie die Geschichte, die Geographie und die wirtschaftliche Entwicklung einer Region beleuchtet. Dabei löst der aufmerksame Leser des Märchens bei sich geradezu wie von selbst das Interesse an der Entwicklungsgeschichte dieser Region sowie das Interesse am Zusammenspiel der wechselnden Herrschaftsverhältnisse aus. Er erlebt den vom Holzhandel ausgelösten Umbruch mit all seinen positiven und negativen Konsequenzen.

Unbestreitbar aber steht bei diesem Märchen das soziale Lernen im Vordergrund, was dem Autor aus seinem epochalen Denken und seiner Weltanschauung heraus besonders wichtig war.

Das Märchen und seine Bilder

Das Märchen „Das kalte Herz“ greift mehrere Bilder auf. Zunächst begegnen wir einem jungen, armen Köhler namens Peter Munk, der gleichsam in seinem Wald eingesperrt keine Aussicht auf Besserung seiner sozialen Situation sieht. Er trägt an sich die schwarze Farbe seines Berufes und in sich verspürt er eine lähmende Einsamkeit und Niedergeschlagenheit.

Kohlen-Munk Peter

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Neben seiner Arbeit als Köhler verbleibt Peter Munk Zeit, über seine schier ausweglose Zukunft nachzudenken. Szene aus dem begehbaren Theater im Museum Neuenbürg.
© Foto Ludwig Hanisch


Er fühlt sich im Vergleich zu anderen wertlos, beneidet Glasmänner, Uhrmacher und Musikanten auf der einen Seite seines Waldes und auf der anderen Seite sind die Holzherren und die Flößer in noch stärkerem Maße Gegenstand seines Neides und Begehrens.

 Flößergilde

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Im Städtischen Museum PF können wir das Bild eines Pforzheimer Mitglieds der Flößergilde aus dem Jahr 1894 betrachten.
© Foto Ludwig Hanisch

Wo immer Menschen auch leben werden, kann man bei ihnen gleichartige Grundbedürfnisse wie bei unserer Märchenfigur feststellen. So will der Körper das bekommen, was er benötigt, und die Seele strebt nach kreativer Entfaltung und nach anhaltendem Glück. Jeder möchte darüber hinaus gesellschaftlich integriert und geachtet sein. Die Balance aber zwischen diesen Bedürfnissen zu finden ist eine äußerst anspruchsvolle Lebensaufgabe, an der die Menschen häufig genug scheitern, was Beispiele zu allen Zeiten belegen.

Mit seinen Gedanken taucht nun Peter Munk in die Sagenwelt seiner Heimat ein, in denen Menschen durch zwei Geistgestalten ihren armseligen Verhältnissen entkommen sind und zu großem Reichtum gelangten, nämlich durch den Holländer-Michel und durch das Glasmännlein. Von diesen erhofft er sich nun Befreiung aus seiner Armseligkeit.

Glasmännlein

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Museumstafel des Hauff-Museums in Baiersbronn mit der Darstellung des Glasmännleins, gekleidet in Schwarzwälder Tracht: „ So hat man versichert, dass das Glasmännlein, ein guter Geist von vierthalb Fuß Höhe, sich nie anders zeigt als in einem spitzen Hütlein mit großem Rand, mit Wams, Pluderhöschen und roten Strümpfchen“ (Wilhelm Hauff).
© Foto Ludwig Hanisch

Holländer Michel

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Zeichnung vom Holländer Michel auf Holz, Hauff-Museum Baiersbronn: „Der Holländer-Michel aber, der auf der anderen Seite des Waldes umgeht, soll ein riesengroßer, breitschultriger Kerl in der Kleidung der Flößer sein...“ (Wilhelm Hauff) .
© Foto Ludwig Hanisch


Die Suche nach den Geistwesen stellt einen Aufbruch aus seiner Situation dar. Die erste Begegnung mit dem Holländer-Michel lässt ihn jedoch erschrecken und er versucht diesem zu entfliehen.

Waldkönig

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„,Peter Munk, was tust du im Tannenbühl?’, fragte der Waldkönig endlich mit tiefer, dröhnender Stimme.“ (Wilhelm Hauff). Begehbares Theater im Museum Neuenbürg.
© Foto Ludwig Hanisch

Die darauffolgende Rettung und Begegnung mit dem Glasmännlein zeigt dem Leser des Märchens einerseits die vordergründigen Wünsche und Wertvorstellungen eines unreifen Heranwachsenden, andererseits aber auch die schmerzhaften Erfahrungen des Erwachsenwerdens.

Schatzhauser

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Zeichnung im Hauff-Museum Baiersbronn:
„Schatzhauser im grünen Tannenwald,
Bist schon viel hundert Jahre alt,
Dein ist all Land, wo Tannen stehn,
Lässt dich nur Sonntagskindern sehn.“
© Foto Ludwig Hanisch


Die beiden Geistwesen verkörpern symbolisch zwei wirtschaftliche Lebenskonzepte. Beim Holländer-Michel ist dies Wohlstand und Reichtum durch Spekulation und kapitalistische Geschäftspraktiken ohne Mitleid und Freundlichkeit. Beim Glasmännlein ist es Ansehen und Zufriedenheit durch Fleiß, Sparsamkeit und Menschlichkeit. Hart und kalt wie Stein zeigt sich der Holländer-Michel, klar wie Glas das Glasmännlein.

Der nach der Erfüllung von zwei „unüberlegten“ Wünschen durch das Glasmännlein allein auf sich gestellte Peter Munk scheitert kläglich, da die Wünsche sich in ihrer Erfüllung gleichsam selbst wieder verzehren.
In seiner Not liefert er sich nun doch dem aus, vor dem er zunächst vor Entsetzen floh. Dies bringt ihn an den Rand seiner menschlichen Existenz.

Die von Peter Munk angestrebten, verfolgten und um jeden Preis festgehaltenen Lebensziele, nämlich Ansehen und Wohlhabenheit, machen ihn bereit und gefügig zur Aufgabe und Pervertierung seines wahren Menschseins, indem er sein menschliches Herz einem Herz aus Stein opfert.

Herzen

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Die verpfändeten Herzen all derjenigen, die zu Reichtum kamen. Szene aus dem begehbaren Theater im Museum Neuenbürg.
© Foto Ludwig Hanisch

Das aber um den Preis seines Herzens aus Fleisch ausgetauschte Herz aus Stein, mit dem er seinen vermeintlichen Wohlstand retten will, bringt ihn ganz an den Abgrund, in den er auch noch seine Frau, die er erschlägt, mit hineinzieht.

Wachhunde

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Symbolisch stehen die scharfen Wachhunde für die Hartherzigkeit von Peter Munk, nachdem er sein Herz aus Fleisch für den Preis des Reichtums eingetauscht hatte. Szene aus dem begehbaren Theater im Museum Neuenbürg. © Foto Ludwig Hanisch

Doch in jedem Menschen scheint ein Rest Menschlichkeit zu stecken, das dem vermeintlich übermächtig Unmenschlichen noch den Sieg abringen kann. Dem Bösen ist jedoch in dieser Situation nur noch mit List beizukommen. Und so erkennt er durch die Hilfe des Glasmännleins seine Chance, sein Leben wieder in den Griff zu bekommen und die schmerzliche Vergangenheit „erlöst“ hinter sich zu lassen.

Stillleben Herz

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Mit folgendem Satz beginnt Peter Munk den Holländer Michel zu überlisten: „Du hast mein Herz nur stille stehen lassen, aber ich habe es noch wie sonst in meiner Brust und Ezechiel, der hat es mir gesagt, das du uns angelogen hast; du bist nicht der Mann dazu, der einem das Herz so unbemerkt und ohne Gefahr aus der Brust reißen könnte! Da müsstest du zaubern können“ (Wilhelm Hauff). Stillleben L. Hanisch.
© Foto Ludwig Hanisch

Die Gegensätze in Hauffs Märchen zeigen eine klare Kontur. Der Waldgeist – Schatzhauser oder Glasmännlein genannt – steht als Wahrer und Hüter der heimatlichen Handwerkstradition, insbesondere der Glasherstellung, aber auch der schlichten Arbeit der Waldbauern als Köhler und Säger.

Glashütte

In Buhlbach an der Rechtmurg kann man die letzten Reste einer - von ehemals mehr als 300 Glashütten im Schwarzwald - besichtigen. Im 19. Jahrhundert gab dieser Industriebetrieb 200 Menschen Arbeit und produzierte Millionen von Champagnerflaschen. Bemaltes Fenster des Turbinenhauses der Glashütte.
© Foto Ludwig Hanisch

Auf der anderen Seite lernen wir als Gegenspieler den Holländer-Michel kennen, dessen Profession der Fernhandel mit Holz und Holzgütern und der Geldverkehr ist.

Flößerstiefel

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Die überdimensionalen Stiefel der Flößer. Szene aus dem begehbaren Theater im Museum Neuenbürg. © Foto Ludwig Hanisch


Peter Munk steht, was typisch für ein Märchen ist, zwischen den Kräften und Vertretern von Gut und Böse.
Hauff zielt aber in seinem Märchen besonders auf die zu seiner Zeit erkennbare gesellschaftliche Veränderung ab, die seiner Meinung nach zur Selbstentfremdung des Menschen führt. Diese Form der Entmenschlichung und Entfremdung ist der Preis, den die Gesellschaft zahlen muss, wenn sie dieser neuen Warenwelt erliegt, in der Werte und Tugenden vor allem auf ihren Geldwert hin angesehen werden.

Sparkassenturm

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Weithin sichtbar und dominant, der Stadt ein neues Wahrzeichen gebend, so zeigt sich das Sparkassengebäude jedem, der von den Höhen des Schwarzwaldes oder den sanften Hügeln des Kraichgaus die Stadt Pforzheim betritt.
© Foto Ludwig Hanisch

Das Märchen strebt einem Ausgang zu, den wir als moderne Menschen, wenn wir dieses Märchen lesen, zunächst mit Befremden hinnehmen müssen. Nach unserer Vorstellung gibt es Vorgänge und Ereignisse, die sich nicht mehr rückgängig machen lassen. Sie verlangen eine Aufarbeitung unter den neuen, unumkehrbaren Begebenheiten.
Wilhelm Hauff lässt jedoch in seinem Märchen die alte Ordnung weiterleben und nimmt somit die Gräben, die sich zwischen alter und neuer Welt aufgetan haben, als unüberbrückbar in Kauf.

Rückkehr und Neubeginn

Peters Ausbruch aus der vom Vater ererbten beruflichen und gesellschaftlichen Stellung endet mit der Heimkehr in die väterliche Hütte, die aber, wie es in einem gut endenden Märchen möglich ist, zu einem schönen Bauernhaus geworden ist. Und mit dieser Heimkehr kann er wieder ein ehrenhaftes Leben führen. Szene aus dem begehbaren Theater im Museum Neuenbürg.
© Foto Archivbild Museum Neuenbürg

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