Autor: Dr. Wolfgang Wulz (Arbeitskreis RP Stuttgart)
Mundarten in Baden-Württemberg
Wenn jemand aus Hamburg, Köln, Berlin oder München gefragt würde, was man in Baden-Württemberg für eine Mundart spreche, so kann man sicher sein, dass fast alle so Gefragten ohne längere Besinnung "Schwäbisch" antworteten. Auch bei der durchaus sympathischen Werbeaktion der Landesregierung, die mit dem Spruch kokettierte "Wir können alles, außer Hochdeutsch", war es so, dass dabei vielen unterschwellig so etwas wie ein schwäbischer Tüftler vor dem inneren Auge erschien, fleißig, kompetent in seinem Fach, aber mit unverkennbarem schwäbischem Akzent.
Dabei ist es aber so, dass das Gebiet in Baden-Württemberg, in dem schwäbisch gesprochen wird, nur etwa die Hälfte der Fläche des Landes ausmacht. Im Norden und Nordwesten mit den bevölkerungsstarken Gebieten um Mannheim, Heidelberg sowie um Karlsruhe werden fränkische Mundarten gesprochen, im daran anschließenden Rheintal, in großen Teilen des Schwarzwalds, in Südbaden und um den Bodensee dagegen wird Alemannisch gesprochen.
In der sprachwissenschaftlichen Terminologie ist sogar das Schwäbische eine Untermundart des Alemannischen, das ja auch im Elsass, der Schweiz, in Bayerisch Schwaben und in Vorarlberg gesprochen wird. Die Unterschiede zwischen den drei Hauptmundarten in Baden-Württemberg kann eine Übersetzung des Satzes "Ich bin daheim gewesen" verdeutlichen.
In einer fränkischen Mundart könnte der Satz so lauten "Ich bin dehaam gewest", in einer schwäbischen "I ben dehoim gwea", und in einer alemannischen "I bi dehaim gsii".
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Im Fränkischen innerhalb Baden-Württembergs unterscheidet man drei Untermundarten, nämlich Rheinfränkisch, Südfränkisch und Ostfränkisch. Die rheinfränkische Ecke erstreckt sich auf die Kurpfalz, also das Gebiet um Mannheim. Hier ist altes p in Wörtern wie Appel, Pund, Kopp Apfel, Pfund, Kopf erhalten.
Im Taubergrund und im Hohenloher Raum wird Ostfränkisch gesprochen, während im Kraichgau und im Raum Karlsruhe das Südfränkische gilt. Südlich des Kraichgaus und im Raum Pforzheim geht das Fränkische allmählich ins Schwäbische über; die dort gesprochene Variante wird von der Bevölkerung scherzhaft als "Dachtraufschwäbisch" bezeichnet, weil, wie bei einer Dachtraufe, das Schwäbische ins Fränkische hinübertropft. Die Grenze zwischen Alemannisch und Fränkisch wie auch zwischen Alemannisch und Schwäbisch ist die sogenannte Wiib Weib Linie. Die Alemannen sagen nämlich Wiib ( Weib'), die Franken Waib und die Schwaben meist Wejb.
Alemannen und Schwaben kann man aber in Wörtern wie Bruder, lieb, leicht vom Fränkischen unterscheiden, denn beide haben hier einen Diphthong (Zwielaut) erhalten, sie sprechen also etwa Brueder, Bruader, liäb, liab u.ä.
Auch das Alemannische hat natürlich seine Untermundarten. Wichtige Gruppen innerhalb Baden-Württembergs sind das Oberrheinalemannische, das Hochalemannische und das Bodenseealemannische. Das Hochalemannische erinnert schon stark an das Schweizerdeutsche, denn hier sind anlautendenes und inlautendes "k" in bestimmten Positionen zu einem Reibelaut verschoben, also z. B. Chind (,Kind'), denkchen ( denken').
Der Reichtum und die Vielfalt der Mundarten Baden-Württembergs werden lexikalisch in zwei großen Wörterbüchern dokumentiert, nämlich dem von Hermann Fischer begründeten und von Wilhelm Pfleiderer vollendeten "Schwäbischen Wörterbuch" (6 Bände, 1904-1936) und dem von Ernst Ochs, Karl Friedrich Müller, Gerhard W. Baur und Rudolf Post bearbeiteten "Badischen Wörterbuch" (bisher 3 von 5 Bänden, 1925 ff.).
Rudolf Post, Arbeitsstelle Badisches Wörterbuch, Universität Freiburg
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