Leben in der Steinzeit
Landesgeschichtliche Einordnung
Autor: Johannes Hof (Arbeitskreis RP Freiburg)
Die Altsteinzeit - Überblick und Fundstätten in Baden-Württemberg
Die Archäologie setzt den Zeitraum der Altsteinzeit von ca. 2500000 bis 10000 Jahren vor heute an. Sie gliedert ihn entsprechend den Entwicklungsstufen der benutzten Werkzeuge und anderen Artefakte in folgende Abschnitte:
1. Frühe Altsteinzeit (Altpaläolithikum) von ca. 2 500 000 bis 200 000 vor heute:
Früheste Geröllgeräte des Oldowan (Fundort "Olduway-Schlucht" in Ostafrika) in Afrika und Eurasien vor 2 Millionen Jahren: grob zugerichtete Gerölle mit erkennbaren Arbeitskanten, gewonnen durch Abschläge von Kernen, Schnittspuren auf Knochen.
Faustkeile des Acheulean vor ca. 1,5 Millionen Jahren in Ostafrika und Eurasien: durch Abschläge dreidimensional gestaltet, mit abgerundetem Griff und ausgearbeiteter Spitze. Der Faustkeil blieb mit nur geringfügigen Änderungen für fast 1,4 Millionen Jahre das Universalwerkzeug.
Vor spätestens 600 000 Jahren drangen Acheulmenschen (Homo erectus) aus den tropischen Regionen Afrikas in kältere nördliche Zonen vor (Homo heidelbergensis), zogen sich aber in der folgenden Kaltzeit nach 500 000 Jahren vor heute noch einmal aus dem nördlicheren Europa zurück, traten nördlich der europäischen Alpen und der asiatischen Gebirge mit Beginn der Warmzeit vor 400 000 Jahren wieder auf, wichen aber mit dem kälter werdenden Klima der Eiszeiten wieder in gemäßigtere Zonen zurück. Zur Menschenform des Homo erectus zählt der Homo heidelbergensis aus der Zeit zwischen 700 000 und 400 000 vor heute, dessen Unterkiefer 1907 in einer Sandgrube in Mauer bei Heidelberg gefunden wurde. Zwischen Homo erectus und dem späteren Homo sapiens steht der Frauenschädel von Steinheim aus der Zeit von 300 000 bis 200 000 vor heute.
Unterkiefer des Homo Heidelbergensis aus Mauer (Rhein-Neckar-Kreis)
Bild: Universität Heidelberg (Geologisch-Paläontolog. Institut)
Schädel des Steinheimer Menschen
Bild: Staatl. Museum Naturkunde Stuttgart / Hans Lumpe
2. Mittlere Altsteinzeit (Mittelpaläolithikum) von ca. 200 000 bis 40 000 vor heute:
Erstes Auftreten von Holzgeräten (Keulen) und verfeinerten Steinartefakten in Ostafrika (Messer, Klingen und Waffenspitzen) vor 200 000 bis 140 000 Jahren (Homo sapiens, Neandertaler und Zeitgenossen). Auch in Europa kommen ähnliche Funde aus dieser Zeit vor. Dem Homo sapiens vom Typ Neandertaler, dem 30 Fundstellen in Südwestdeutschland zuzuordnen sind, gehören die Funde vom Vogelherd aus dem Lonetal auf der Ostalb an (70 000 bis 50 000 vor heute). Die Neandertalerpopulation in ganz Südwestdeutschland wird auf einige hundert bis zu tausend Personen geschätzt.
Die je nach Erdregion als Wald-, Steppen- und Tundrenjäger zu klassifizierenden Menschen verfügten über verbesserte Jagdwaffen durch Einsätze von Stein- und ersten Knochenspitzen. Außerdem kamen erste Bestattungen vor.
Steingeräte aus dem Lonetal
Bild: Ulmer Museum
3. Späte Altsteinzeit (Jungpaläolithikum) von ca. 40 000 bis 10 000 vor heute:
Nach den entsprechenden Fundorten wird diese Epoche in Europa untergliedert in das Mousterien, das Aurignacien (Homo sapiens sapiens), das Gravettien und das Magdalénien.
Das Mousterien stellt die Übergangsphase vom Mittelpaläolithikum zum Jungpaläolithikum dar.
Das Aurignacien, das über ganz Europa verbreitet ist, weist neben weiter verfeinerten Steinwerkzeugen gut entwickelte Knochen- und Elfenbeinspitzen auf sowie, als ganz neues Phänomen, die Herstellung von Gravierungen (Strichbündel, Zeichenserien, Vulven), Skulpturen (Beutetiere wie Mammut, Bison, Pferd und Raubtiere, "Löwenmensch" vom Stadel) und Reliefs ("der Grüßende" vom Geißenklösterle) in differenzierter Formensprache in Materialien aus Stein, Knochen und Elfenbein. Sie stammen aus der Zeit um 35 000 vor heute und stellen die ältesten Kunstwerke der Menschheit dar.
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Im Gravettien setzen sich die Darstellungsformen des Aurignacien fort, darüber hinaus treten in Mähren erste Keramiken von Tierbildnissen und Darstellungen der weiblichen Fruchtbarkeit in Form nackter, entindividualisierter Frauenfiguren sowie in Westeuropa ausgemalte Höhlenheiligtümer auf.
Im Magdalénien tauchen neben weiter verfeinerten Steinwerkzeugen Harpunen aus Rengeweihstäben, Pfeile und Nähnadeln aus Knochenspänen auf, die Kleinkunst zeigt größeren Formenreichtum und realistischere, oft sehr einfühlende Tierdarstellungen sowie die erste Darstellung des Sterbens.
4. Altsteinzeit in Baden-Württemberg
Fundplätze des späten Jungpaläolithikums © Uni Tübingen (Institut Ur-/Frühgeschichte)/ Verlag Archaeologica Venatoria |
Baden-Württemberg ist das deutsche Bundesland mit der größten Dichte altsteinzeitlicher Fundstätten. Sie befinden sich im Hegau westlich des Bodensees und entlang der oberen Donau mit ihren Seitentälern, vereinzelt auch im Breisgau, im Stuttgarter und im Heidelberger Raum.
Es handelt sich um Höhlen, Abris (Felsvorsprünge) und Freilandstationen.
Einige der Fundstätten besitzen aufgrund der Reichhaltigkeit, des Alters oder der Einzigartigkeit der Artefakte überregionale archäologische Bedeutung. In einzelnen Fällen sind solche Plätze und ihre Umgebung so gut erhalten bzw. ergraben, dass sie detaillierte Kenntnisse über damalige Jagdmethoden vermitteln.
Ein solcher Platz ist der Petersfels bei Engen im Hegau, ca. 10 km nördlich von Singen/Htwl. Auf dessen Areal wurde 2003 mit wissenschaftlicher Begleitung der Eiszeitpark Engen eingerichtet. Fundstücke vom Petersfels (fossile Schmuckschnecken und muscheln u. a. vom Mittelmeer) belegen einen damalige transeuropäischen Austausch, ebenso solche aus der dem Petersfels benachbarten Gnirshöhle (aus dem Pariser Becken und von der Atlantikküste).
Petersfels im Winter
Bild: Johannes Hof