Hintergrundinformationen
1. Bedeutung
Die Verbreitung der Wacholderheiden in Baden-Württemberg deckt sich weitgehend mit Gebieten kalkhaltigen Ausgangsgesteins. Vor allem im Jura der Schwäbischen Alb und auf dem Muschelkalk, beispielsweise im Neckar- oder Tauberland, sind sie weit verbreitet. Wacholderheiden sind in Südwestdeutschland fast ausnahmslos Kalkmagerrasen bzw. Halbtrockenrasen. Sie liegen häufig an Südhängen. Aufgrund der geringmächtigen Bodenbedeckung, Nährstoffarmut und Trockenheit, bedingt durch die Verkarstung des Kalkgesteins sowie sehr große expositionsbedingte Temperaturschwankungen im Jahresverlauf handelt es sich bei diesen Biotopen meist um Extremstandorte.
Gab es Anfang des 19. Jahrhunderts in unserer Region noch etliche großflächige Wacholderheiden, die durch die auch bei uns weit verbreiteten Wanderschafherden offengehalten wurden, sind diese Lebensgemeinschaften heute sehr selten geworden. Zumeist sind die einstigen Standorte nach Aufgabe der wirtschaftlich nicht mehr rentablen Schafbeweidung oder Mahd wieder verbuscht, teilweise sind sie bereits bewaldet.
Wacholderzweig mit Wacholderbeeren: © Michael Hägele
Robert Gradmann bezeichnete die Wacholderheiden in seiner Dissertation von 1898 ("Das Pflanzenleben der Schwäbischen Alb") als "unveräußerliche Bestandteile der Alblandschaft". Sie verdanken ihre Entstehung und ihren Charakter der Beweidung mit Schafen und sind somit historische Kulturlandschaften. Eine wichtige ökologische Bedeutung besitzen sie als Lebensraum und Rückzugsgebiet für gefährdete Pflanzen und Tierarten. Im Gegensatz zu gemähten Magerrasen haben sich die beweideten Flächen zu recht artenarmen Lebensräumen entwickelt. Aufgrund der extremen Bedingungen (Trockenheit, Hitze/Kälte, Verbiss) sind sie dabei jedoch wichtige Biotope für seltene Pflanzenarten. Dem kurzrasigen Vegetationstyp haben sich zahlreiche Insektenarten, Reptilien und andere Tiergruppen angepasst. Weitere wichtige Funktionen haben die Wacholderheiden als ideale Erholungslandschaften und als Zeugen einer sehr alten Landnutzungsart.
Im 20. Jahrhundert kam es zu einem drastischen Rückgang der baden-württembergischen Wacholderheiden, allein in den Landkreisen Esslingen, Göppingen, Schwäbisch Hall und dem Ostalbkreis gingen seit 1900 ca. 4.100 ha verloren, das ist mehr die Hälfte des ursprünglichen Bestandes. Die weitaus häufigste Ursache ist hierbei die natürliche Verbuschung infolge Nutzungsaufgabe.
2. Geschichte
Bevor der Mensch sesshaft wurde, war ein großer Teil Mitteleuropas bewaldet. Einen gewissen Wechsel von Wald- und Weideland gab es jedoch stets. Aus klimatischen Gründen kamen am Ende der letzten Kaltzeit in Mitteleuropa fast keine Bäume vor. Danach setzte die natürliche Sukzession ein, erste Gehölze breiteten sich aus, schließlich entstanden Wälder. Bereits in der Nacheiszeit wurde die natürliche Vegetationsentwicklung nachhaltig vom siedelnden Menschen beeinflusst. Es herrscht beispielsweise die Annahme, dass durch das Dezimieren vieler großer Huftiere, der so genannten Megafauna (z. B. Altelefant, Elch, Riesenhirsch, Wisent, Auerochse), vorübergehend bessere Bedingungen für den Waldwuchs herrschten, als ohne menschliche Beeinflussung.
Bereits die nacheiszeitlichen Wälder dienten den jungsteinzeitlichen Bauern als Weidefläche für Schweine, Rinder, Ziegen und Schafe. Das Vieh fraß neben Samen und Früchten - Eicheln, Nüssen und Bucheckern - auch den Baumjungwuchs, was letztlich dazu führte, dass sich der Wald lichtete. In erster Linie auf geringwertigeren Böden entstanden in der Folge aus dicht geschlossenen Waldbeständen aufgelockerte, parkähnliche Landschaften oder sogar weitgehend gehölzfreie Flächen. Zusätzliches Weideland wurde durch frühe Rodungsmaßnahmen geschaffen. Bedingt durch das starke Bevölkerungswachstum im Mittelalter kam es zu einem weiteren großflächigen Zurückdrängen des Waldes. Die heute bekannte offene, sich mosaikartig aus Äckern, Weiden, Wiesen und Wäldern zusammensetzende Kulturlandschaft, entstand.
Traditionelle Wanderwege der Schäfer in Baden-Württemberg
© Stiftung Landesamt Baden-Württemberg
Der wesentliche Faktor bei der Entstehung der Wacholderheiden war die Schafzucht. Als Wolle und Fleischlieferant erlangte das Schaf im Mittelalter zunehmende Bedeutung. Außerdem war der Schafdung für die Landwirtschaft wertvoll. Das Recht, eine Schafherde auf dem eigenen Acker nächtigen zu lassen, konnte teils sogar ersteigert werden als so genannte "Pferchnacht".
Wie in anderen Mittelgebirgslandschaften auch, wurde die Schäferei auf der Schwäbischen Alb als so genannte Wanderschäferei betrieben. Die Herden weideten im Sommerhalbjahr auf der Alb, zu Beginn des Winters mussten sie in klimatisch günstigere Gebiete ausweichen, beispielsweise ins Rheintal oder in den Bodenseeraum.
Durch den selektiven Verbiss der Schafe und die Beanspruchung durch den Tritt der Tiere wurde die Vegetation geprägt (s. u.). Zusätzlich gestaltete der Schäfer die Heide, indem er von Zeit zu Zeit mit Schippe und Axt aufkommende, von den Schafen verschmähte Gehölze beseitigte. Als Resultat entstanden als charakteristische Biotope die Wacholderheiden - Zeugnisse Jahrhunderte langer extensiver Bewirtschaftung und damit historische Kulturlandschaften.
Frühlingsenzian auf der Wacholderheide: © S. Demuth (Archiv LfU)
Raupe des Wolfsmilchschwärmers © H.-P. Döhler (Archiv LfU)
Silberdistel © Michael Hägele
Die Vegetation einer typischen Wacholderheide
Wacholderheiden sind magere, d. h. karge und trockene Rasen, auf der schwäbischen Alb - mit Ausnahme einiger bodensaurer Standorte - Kalkmagerrasen. Das Schaf bestimmt, was auf einer Heide wächst und was nicht, indem es alles, was ihm schmeckt und was mit dem Maul erreichbar ist, frisst. Alles Ungenießbare, Giftige oder Stachelige wird dagegen stehen gelassen und prägt somit die niederwüchsige Pflanzendecke.
Die verschmähten und deshalb auf unseren Heiden stark vertretenen Pflanzen haben ihre "Weidefestigkeit" verschiedenen Eigenschaften zu verdanken. Es sind bitter schmeckende Arten, aufgrund ihres Gehaltes an ätherischen Ölen scharf schmeckende Arten, Giftpflanzen, mit Dornen, Stacheln oder Nadeln bewaffnete Gehölze, Distelgewächse und eng an den Boden angeschmiegte Rosettenpflanzen. Auch ein außerhalb vom Beweidungszeitraum (meistens April bis September) liegender Entwicklungs- bzw. Blühzeitpunkt ist für das Überdauern auf den Schafweiden vorteilhaft: Frühjahrsblüher (z. B. Küchenschelle) oder Herbstblüher, wie z. B. Enzianarten und Herbstdrehwurz (Spiranthia spiralis) entgehen somit der Gefahr, gefressen oder zertreten zu werden.
Quelle: Stiftung Landesbank Baden-Württemberg (Hrsg.): Heiden - Felsen - Steinriegel, Stuttgart 2003, S. 7f.
Überall in Baden-Württemberg gingen die Flächen mit Wacholderheiden in den vergangenen Jahrzehnten stark zurück. Zahlen aus dem Regierungsbezirk Stuttgart belegen diese negative Entwicklung: Innerhalb des 20. Jahrhunderts kam es ungefähr zu einer Halbierung der Flächen. Die stärksten Verluste erfolgten in den 60er und 70er Jahren.
Der Rückgang der Wacholderheiden im Regierungsbezirk Stuttgart © LfU
Folgende Gründe für den Rückgang werden von der Landesanstalt für Umweltschutz Baden-Württemberg angegeben:
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Ein Großteil der Heiden wurde nach Nutzungsaufgabe der natürlichen Sukzession, das heißt der Wiederbewaldung, überlassen. Der einst von unseren Vorfahren zurückgedrängte Wald konnte somit diese Flächen zurückerobern; der Lebensraum für die Tier- und Pflanzenwelt der offenen Kulturlandschaft ging verloren. Dies hängt ursächlich mit dem Niedergang der Schäferei zusammen, die heutzutage nur durch Fördermaßnahmen wirtschaftlich rentabel arbeiten kann.
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Weitere Verluste entstanden durch gezielte Aufforstungen der heute dem Landwirt wertlos erscheinenden Flächen.
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Viele Wacholderheiden fielen auch der landwirtschaftlichen Intensivierung zum Opfer. Durch Düngung wurde der Ertrag gesteigert, durch Umbruch konnte zusätzliches Ackerland gewonnen werden.
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Schließlich spielten auch andere "Nutzungsformen" eine Rolle. Wertvolle Heideflächen mussten Steinbrüchen, Siedlungsflächen, Straßen, Spiel- und Parkplätzen weichen.
Auch die noch vorhandenen Wacholderheiden werden der Landesanstalt zufolge heute durch verschiedene Einflüsse beeinträchtigt und bedroht. Hierzu gehören:
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Trittschäden und Lagerschäden durch Spaziergänger, Wanderer und Mountainbiker;
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Störungen, die von Freizeit- und Erholungseinrichtungen wie Segel- und Modellflugplätzen, Motocrossgelände oder Grillstellen ausgehen;
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Nährstoffeintrag von angrenzenden Flächen und über die Luft;
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Eintrag von Pflanzenschutzmitteln;
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Düngerlagerung und Ablagerung von Müll und Schutt.
Nach: Wacholderheiden. Landesanstalt für Umweltschutz Baden-Württemberg, Karlsruhe: Februar 2001.
Originalversion der Broschüre der LfU (4,6 MB)
3. Lernort Heide
Wie bereits erwähnt, sind Wacholderheiden in Baden-Württemberg weit verbreitet. Dies hat den Vorteil, dass sehr viele Schulen diesen Typ einer historischen Kulturlandschaft in fußläufiger Entfernung besitzen dürften. Das Aufsuchen dieses Lernortes wird am besten mit dem Besuch bei einem Schäfer verbunden.
Besuch bei einem Schäfer
Über den Schafzuchtverband Baden-Württemberg e. V. können Adressen lokaler Schäfereibetriebe herausgefunden werden. Diese sind oft bereit, eine Schulklasse zu empfangen und über ihren Arbeitsalltag zu berichten. Kaum jemand kann die Zusammenhänge von Ökonomie, Ökologie und Gesellschaft am Beispiel der Wacholderheiden so anschaulich erklären wie ein Schäfer.
Fragen an die Schäferin Johanna von Mackensen bei Gomadingen © Michael Hägele
Mit offenen Augen über die Wacholderheide © Michael Hägele
Wacholderheiden vor Ort
Im Idealfall ist es möglich, den Schäfer mit seiner Herde auf einer Wacholderheide aufzusuchen, wo er vor Ort bestimmte Zusammenhänge erläutern kann. Es bietet sich auch an, die Schülerinnen und Schüler in Abhängigkeit von der jeweiligen Jahreszeit nach typischen Pflanzen der Wacholderheide suchen zu lassen, beispielsweise in Form eines gemeinsamen Rundgangs (am besten mit dem Schäfer) oder als eine Art "Wacholderheiden-Rallye".
Bei der Suche nach geeigneten nahe gelegenen Wacholderheiden erweist sich neben der Topographischen Karte 1:50 000 die Satellitenansicht von Google-Earth als ganz praktisch. Auf eine Vorexkursion sollte trotzdem nicht verzichtet werden.
Wacholderheiden in Baden-Württemberg © LfU
- Arbeitskreis Landeskunde/Landesgeschichte RP Tübingen -