Hintergrundinformationen
1. Bedeutung
Baden-Württemberg ist ein teilweise wasserarmes Land. Vor allem auf der Hochfläche der Schwäbischen Alb litten die Menschen über lange Zeiträume hinweg unter Wassernot. Trotz relativ hoher Niederschläge (bis 1200 mm) ist das Mittelgebirge ein Wassermangelgebiet. Die Ursache liegt im Ausgangsgestein, dem stark verkarsteten Malm (Weißer Jura). Das Niederschlagswasser versickert direkt in Klüften und Ponoren, oberflächlichen Abfluss gibt es kaum. Über komplexe Kluftsysteme gelangt das Sickerwasser zu teils stark schüttenden Karstquellen, meist liegen diese als so genannte Schichtquellen im Übergangsbereich zu wasserundurchlässigen tonhaltigen Gesteinsschichten. Solche Quellhorizonte sind charakteristisch im Übergangsbereich von Dogger (Brauner Jura) zu Malm am nach Norden hin steil abfallenden Albtrauf.
Außer an den wenigen Flussläufen im tief liegenden Grundwasserniveau kommt Oberflächenwasser auf der Alb nur selten vor, beispielsweise im Bereich vulkanischer Gesteinspartien. Sie gehören zu den über 350 Schlotfüllungen des Kirchheim-Uracher Vulkangebietes. Hier kann das Wasser nicht versickern, es bildeten sich Sümpfe, Quellen und Teiche, so genannte Hülen (auch Hülben). In Gebieten ohne vulkanische Gesteinspartien wurden stehende Kleingewässer auch künstlich durch das Abdichten von Dolinen und Senken geschaffen.
2. Geschichte
Bis vor 150 Jahren erfolgte die Wasserversorgung in den meisten Albdörfern noch aus teils stark verunreinigten Tümpeln, Zisternen (sog. "Dachbrunnen") und einigen wenigen Brunnen. Der Zeitzeuge Oscar Fraas äußerte sich 1873 folgendermaßen über die Qualität des Zisternenwassers: "Wehe dem Fremden, den in einem der primitiven Albdörfer, wo die Strohdächer überwiegen, und man rein auf Regenwasser angewiesen ist, ein Bedürfnis anwandelt nach einem Glase frischen Wasser, oder der des Morgens die gewohnte Waschung vornehmen will! Strohgelb bis Kaffeebraun hat sich das Wasser gefärbt, dass von den Strohdächern niederrinnt, nur wer von Jugend auf an den Anblick dieses Wassers sich gewöhnt hat, vermag ohne Abscheu das Glas an die Lippen zu setzen." Zur Beschaffenheit des Hülenwassers schrieb Friedrich August Köhler im Jahr 1790: "Und wenn auch den übrigen Dörfern der Alb ihre Wasserbehältnisse nicht ganz vertroknen, so wird doch das Wasser darinn, besonders in denen weniger verwahrten Hülen für das Vieh, so durch die Sonnenhitze verdorben, und mit einer Haut aus Insecten und aus der Fäulniß entstehenden Pflanzen überzogen, daß es einem Thalbewohner dafür wie vor Sümpfen ekeln muß." (vgl. W. Müller, S. 11-15)
Bauer beim Schöpfen von Wasser aus dem Dachbrunnen
© LMZ-BW
Wasserfuhrwerk mit Pferden vor einer Hüle 1957
© LMZ-BW
Durch steigende Bevölkerungszahlen, eine Zunahme des Viehbestandes und vermehrt entstehende Handwerksbetriebe kam es seit Mitte des 19. Jahrhunderts zu einem starken Anstieg des Wasserbedarfs. Trinkwasser wurde immer knapper, Krankheiten bei Mensch und Tier nahmen zu. Auch der Wassertransport mit Ochsengespannen von den Karstquellen in den Tälern in die Höhe konnte daran kaum etwas ändern. Dieser Notstand führte zusammen mit den technischen Möglichkeiten des beginnenden Industriezeitalters zur Entstehung der ersten Albwasserversorgungsgruppen nach bereits etabliertem Vorbild: Bereits seit dem Jahr 1715 wurde durch ein kleines (noch heute bestehendes) Pumpwerk bei den Gütersteiner Wasserfällen bei Bad Urach Quellwasser durch eine über zwei Kilometer lange Bleileitung zum herzoglichen Gestütshof Sankt Johann gepumpt.
Plan der Brunnenstube Güterstein aus dem Jahr 1715
© Landeswasserversorgung Stuttgart
Unter der Leitung des Ingenieurs und württembergischen Baurats Karl Ehmann setzte sich dieses Prinzip seit 1871 für die ganze Alb durch. Anfangs mussten die Albgemeinden jedoch von den kostspieligen Plänen überzeugt werden. Dies gelang durch die Errichtung der heutigen Albwasserversorgungsgruppe VIII ("Untere Schmiechgruppe"), bestehend aus den Gemeinden Ingstetten, Justingen und Hausen. Mit durch Wasserkraft angetriebenen Kolbenpumpen wurde im Pumpwerk Teuringshofen gefiltertes Schmiechwasser 190 Meter hoch zu einem Hochbehälter in Justingen gepumpt und mit Hilfe des natürlichen Gefälles auf die angeschlossenen Dörfer verteilt. Das vom Staat finanziell unterstützte Projekt erwies sich als sehr erfolgreich: Für 1320 Menschen konnte eine neue Lebensgrundlage geschaffen werden. Krankheitsfälle durch verseuchtes Wasser gingen zurück, die Viehbestände konnten erhöht werden, insgesamt kam es zu einem wirtschaftlichen Aufschwung und einer Steigerung des Lebensstandards. Nach demselben Prinzip und zum Teil mit Originalanlagen aus dem vorletzten Jahrhundert versorgen noch heute Wasserversorgungsverbände die Bewohner der Schwäbischen Alb mit sauberem Trinkwasser. Die einstigen wasserkraftbetriebenen Anlagen sind jedoch weitgehend verschwunden, wurden zuerst durch Dampfmaschinen, später durch Gas- und schließlich durch Elektromotoren ersetzt.
Karl Ehmann (1827-1889) hatte die Idee einer in Gruppen zusammengefassten Wasserversorgung für die Schwäbische Alb
© LMZ-BW
Plan des Pumpwerks Teuringshofen an der unteren Schmiech aus dem Jahr 1870
© Landeswasserversorgung Stuttgart
Kolbenpumpe im ersten Pumpwerk der Albwasserversorgung in Teuringshofen (Untere Schmiechgruppe)
© LMZ-BW
Verlegung von Steigleitungen für die Albwasserversorgung im Jahr 1916
© Landeswasserversorgung Stuttgart
Pumpstation "Enge" der Albwasserversorgungsgruppe F (Uracher Alb-Gruppe)
© Michael Hägele
Weil im Karstgestein kaum Filterung oder Pufferung von Schadstoffen stattfindet, sich außerdem die Verweilzeit des Wassers im Untergrund meist auf wenige Stunden bis Tage beschränkt, ist von Anfang an die Trinkwasseraufbereitung und Qualitätsüberwachung besonders wichtig. Darum werden die oft denkmalgeschützten Pumpwerke inzwischen durch modernste Anlagen zur Ultrafiltration ergänzt. Alte und neueste Technik arbeiten sozusagen Hand in Hand. Wo noch immer Wasserkraft verwendet wird ist dies besonders umweltfreundlich.
In den alten Gemäuern der Albwasserversorgungsgruppen findet sich heute teilweise modernste Technik zur Wasseraufbereitung: Ultrafiltrationsanlage in Seeburg (Ermsgruppe)
© Michael Hägele
Die (historischen) Anlagen der Albwasserversorgung können nach Absprache mit den Betreibern in den Städten und Gemeinden auf der Schwäbischen Alb besichtigt werden (s. Exkursionsvorschläge unten). Dies sind in der Regel die jeweiligen Stadtwerke. Die Pumpstationen liegen dabei naturgemäß in den Tälern am nördlichen und südlichen Rand der Alb.
Folgende Aspekte können im Rahmen einer Führung behandelt werden. Die genannten Aspekte folgen in der Reihenfolge dem Weg des Wassers:
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Wassergewinnung: Stammt das Trinkwasser aus Brunnen, Quellen oder aus Oberflächengewässern?
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Trinkwasseraufbereitung: Funktionsweise der Anlagen ? (In der Regel handelt es sich heute um Ultrafiltrationsanlagen mit Membranfiltern aus Kunststoffröhren, teils wird auch noch mit älteren Sandfiltern gearbeitet.)
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Trinkwassertransport: Welche Art von Pumpe wird verwendet? Sind noch historische Kolbenpumpen in Betrieb?
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Energiebedarf: Wie werden die Pumpen angetrieben?
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Trinkwasserverteilung: Wie wird das aufbereitete Trinkwasser auf die angeschlossenen Gemeinden verteilt? (Hochbehälter, Wassertürme)
Mit Schülern im denkmalgeschützten Teil einer Anlage der Albwasserversorgung.
© Michael Hägele
Das Beispiel Seeburg:
Albwasserversorgungsgruppe XIII (Ermsgruppe)
Die Ermsgruppe versorgt Münsingen, Auigen, Trailfingen, Dottingen, Rietheim, Apfelstetten und den ehemaligen Gutsbezirk Münsingen (d.h. den Truppenübungsplatz) mit Trinkwasser. Die herausragende Besonderheit ist die, dass die Originalpumpen vom Beginn des 20. Jahrhunderts noch in Betrieb sind.
Funktionsschema der Albwasserversorgungsgruppe XIII (Ermsgruppe) beim Bad Uracher Stadtteil Seeburg
© Michael Hägele
Das Trinkwasser für die Stadt Münsingen und einige ihrer Stadtteile stammt aus dem so genannten Schnitzerbrunnen, der Siebenbrunnenquelle und dem Ermsursprung beim Bad Uracher Stadtteil Seeburg.
Im Brunnenhaus des Schnitzerbrunnens
© Michael Hägele
Das Quellbecken des Ermsursprungs in der Trailfinger Schlucht, etwa 1,6 km entfernt von der Seeburger Pumpstation.
© Michael Hägele
In der Trinkwasseraufbereitungsanlage Seeburg wird das Wasser von jeglichen Verunreinigungen (Trübstoffe, Bakterien, Keime, Viren) gesäubert. Dies geschieht durch eine moderne Ultrafiltrationsanlage mit Membranfiltern.
Ultrafiltrationsanlage im Aufbereitungsgebäude
© Michael Hägele
Im Gebäude des Pumpwerks befinden sich zwei Turbinen, die von einer Wehranlage etwa 12 Höhenmeter flussaufwärts mit Ermswasser gespeist werden. Sie treiben über Transmissionsriemen die historische Kolbenpumpe und drei kleinere Schraubenspindelpumpen sowie einen Generator zur Stromerzeugung an.
Das Gebäude des Pumpwerkes Seeburg wurde 1896 errichtet.
© Michael Hägele
Wasserkraft der Erms treibt diese Turbine an.
© Michael Hägele
Die Kolbenpumpe der Pumpstation Seeburg ist seit 1908 ununterbrochen im Betrieb.
© Michael Hägele
Beispiele für Anlagen der Albwasserversorgung, die besichtigt werden können:
Uracher Albgruppe
Pumpstation Güterstein und Pumpwerk Enge: Stadtwerke Bad Urach
Internet
Informationen: ( T 2 )
Albgruppe IV (Ulmer Albgruppe)
Pumpstation Lautern: Zweckverband Wasserversorgung Ulmer Alb
Tel.: 07304/6660
Internet
Informationen: ( T 3 )
Albgruppe VIII/IX (Schmiechgruppe)
Pumpwerk Teuringshofen mit Museum, Mai bis Oktober jeden 1. Sonntag im Monat nachmittags und nach Vereinbarung geöffnet
Internet
Informationen: ( T 3 )
Albgruppe Ostalb
Museum "Altes Pumpwerk" in Bad Überkingen (Kurverwaltung)
Internet
- Arbeitskreis Landeskunde/Landesgeschichte RP Tübingen -
Herausgeber: Landesbildungsserver Baden-Württemberg
Quelle: https://www.schule-bw.de
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