Hintergrundinformationen

1.1 Bedeutung

Die Donauversickerung ist ein europaweit einmaliges Naturphänomen, welches geradezu prädestiniert ist, Fragen nach der Ursache zu provozieren. Bei der Erforschung der Gründe für das Versinken des Flusses eröffnet sich die ganze erdgeschichtliche Vergangenheit unseres Landes. Man stößt bei der Bearbeitung des Themas auf geologische Begriffe wie Tropfsteinhöhlen, Dolinen und Vulkanismus. Sogar wirtschaftliche und juristische Konsequenzen geologischer Voraussetzungen können an Hand des Themas beleuchtet werden.


1.2. Erdgeschichte

I. Die Donauversickerung

An den meisten Tagen des Jahres kann man am oberen Flusslauf der Donau beobachten, wie das Wasser plötzlich verschwindet, so dass es möglich ist, trockenen Fußes im Flussbett flussabwärts zu wandern. Besonders eindrucksvoll ist dies an einer Stelle zwischen Immendingen und Tuttlingen-Möhringen zu erleben. Weitere Versickerungsstellen gibt es bei Fridingen und Tuttlingen. Wie kommt es zu diesem Naturschauspiel? Eine Schautafel oberhalb der Versickerungsstelle erklärt dem Besucher dieses geologische Rätsel.

Donauversickerung in Richtung Westen

Donauversickerung in Richtung Westen
© Erwin Ulmer

Donauversickerung in Richtung Osten

Donauversickerung in Richtung Osten
© Erwin Ulmer

Ursachen und Zusammenhänge für das Verschwinden der Donau

1. Der geologische Faktor

Die ganze Alb, durch die sich die Donau in ihrem oberen Verlauf hindurch frisst, besteht aus Kalkgestein. Dieser Kalk ist nichts anderes als das, was von den Muscheln im Jurameer übrig blieb. DasJurameer bedeckte unsere Landschaft vor ca. 350 Millionen Jahren und trocknete dann im Laufe von Jahrmillionen aus. Zurück blieben verschiedene Schichten von Kalkgestein.
Diese Gesteinsschichten liegen aber nicht fein säuberlich übereinander wie die Teile einer schönen Torte, sondern gerieten durch Bewegungen der Erdkruste, z. B. Erdbeben, Vulkanausbüche, in eine Schieflage.


2. Der chemische Faktor

Kalk ist wasserlöslich, wie in der Albregion fast jedes Kind, dessen Trinkwasser aus einer einheimischen Quelle stammt, weiß. In jedem Topf gekochten Wassers bleibt eine Bodenschicht mit Kalk zurück, und die Einwohner der Region haben ihre liebe Mühe damit, ihre Elektrogeräte kalkfrei zu halten.
Diese chemische Erkenntnis hat aber auch zur Folge, dass das Wasser den Kalk im Erdboden auflöst und wegschwemmt. Dadurch entstehen im Erdinneren Hohlräume, die uns bei Zugang von außen als Höhlen bekannt sind. Von ihnen gibt es viele auf der Alb und an der jungen Donau. Sind diese unterirdischen Hohlräume dicht unter der Erdoberfläche und brechen eines Tages ein, entstehen Erdlöcher, die sogenannten Dolinen.

Wasser trifft Kalk!
Bei der Donauversickerung treffen die besonders wasserdurchlässige Beta-Jura-Kalkschicht mit dem Flusslauf der Donau zusammen.

Donauversickerung

Karte zur Donauversickerung
© Erwin Ulmer

Deswegen kann das Wasser im Boden leicht versickern. Manchmal entstehen sehr große Löcher, in denen das Wasser in einem Strudel verschwindet. Deswegen wird auch oft von der Donauversinkung gesprochen.

Wohin geht das Wasser?
Lange Zeit blieb es ein Rätsel, wohin wohl das Wasser fließt und ob es eventuell wieder an einer anderen Stelle zu Tage tritt. Der Zufall brachte eine Erklärung:
Nachdem die Möhringer und Tuttlinger um 1850 durch den Wassermangel sich in ihrer wirtschaftlichen Existenz bedroht sahen, verstopften sie in einer nächtlichen Aktion die Wasserlöcher. Am nächsten Tag liefen die Mühlen wieder und die Gerber konnten wieder ihre Felle ausreichend wässern.
Dafür stellte die Spinnerei Tebrink in Aach zwei Tage später einen Rückgang des Wassers fest.

Der Beweis
Auf Grund dieses Verdachts unternahm am 9. Oktober 1877 der Geologe Adolf Knop von der Technischen Hochschule Karlsruhe einen Versuch: Er versetzte das Wasser in der Donauversickerung mit 10 kg Natriumfluorescin, 20 Tonnen Salz und 1200 kg Schieferöl. Nach 60 Stunden konnten alle drei Substanzen im Aachtopf nachgewiesen werden, was sich durch grünleuchtendes Salzwasser mit deutlich öligem Geschmack äußerte. Es wurden noch weitere Salzungs- und Färbungsversuche auch an anderen Versickerungsstellen unternommen, die immer das gleiche Ergebnis brachten.

Wem gehört das Wasser?
Das Verstopfen der Versickerungsstellen erwies sich auf die Dauer gesehen als nicht sehr wirkungsvoll. Verstopfte man am einen Tag die einen Löcher, taten sich am nächsten Tag andere auf. Die aufstrebende Tuttlinger Industrie meldete einen immer größeren Wasserbedarf an, viele Maschinen wurden ja im 19. Jahrhundert noch mit Wasserkraft betrieben. Andererseits erhöhten sich die Vollversinkungstage zwischen dem Jahr 1884 und dem Jahr 1924 von 80 bis auf 170 im Jahresdurchschnitt. Im Trockenjahr 1921 versank die Donau sogar an 309 Tagen vollständig.

Aber nicht nur die Industrie litt unter den Folgen der Austrocknung. Das austrocknende Flussbett, besonders im Bereich der Stadt Tuttlingen wurde im Sommer zu einer stinkenden Kloake und bewirkte ständig das Sterben der Fische, die sich nicht rechtzeitig in tiefere Bereiche retten konnten.
Deswegen wollten die Tuttlinger die Versickerungsstellen durch umfangreiche Baumaßnahmen dauerhaft verstopfen. Das rief jedoch die Nutznießer der Aach auf den Plan. Bei einem Prozess vor dem Reichsgericht in Leipzig im Jahre 1937 wurde entschieden, dass für einen Zeitraum von 30 Jahren jegliche Veränderung des Flusslaufes untersagt wurde.
So konnte erst ab dem Jahre 1967 an eine neue Lösung gedacht werden. Seit dem Jahre 1971 wird das Wasser der Donau oberhalb der Versickerungsstellen abgeführt und durch einen Stollen unter dem Berg zwischen Immendingen und Möhringen umgeleitet.
Die zu entnehmende Wassermenge ist dabei genau geregelt und hängt vom jeweiligen Pegelstand der Donau ab. Seitdem liegt Tuttlingen, auch Dank eines Wehres, wieder ganzjährig an der Donau und nicht an einer übel riechenden, unansehnlichen Wasserpfütze.

II. Wo entspringt die Donau wirklich?

Neues Öl ins Feuer einer Jahrhunderte alten Diskussion

Die Donaueschinger und die Furtwanger haben ein Problem miteinander! Sie streiten um nicht mehr und nicht weniger als um den Besitz der Donauquelle. Beide haben namhafte Wissenschaftler auf ihrer Seite, die aus der Erforschung der wahren Donauquelle teilweise sogar ein Lebenswerk machten. Dabei ließen sie die Querschüsse aus Österreich, die den Inn als Quellfluss der Donau bezeichneten, einfach unbeachtet. Genauso wie lokalpatriotisch gefärbte Behauptungen, die sogar die Brigach als Quellfluss der Donau ins Spiel brachten.

Aber jetzt das! - eine Hypothese
Da behauptet plötzlich eine kleine, aufmüpfige Schar von Hobbygeologen und Heimatforschern aus dem Kreis Tuttlingen, der Krähenbach, der bei Möhringen von Norden her in die Donau fließt, sei der Quellfluss der Donau. Der Krähenbach, der höchst unspektakulär als Rinnsal aus einem Waldstück unweit der Mülldeponie Tuningen entspringt und dann maximal in den Ausmaßen eines Mühlenkanals das zugegebenermaßen meist trockene Flussbett der jungen Donau speist, der soll Ursprung der berühmten Donau sein?

Standpunkte in der Diskussion:

Die Brigach
Sie ist der etwas kleinere der beiden Quellflüsse der Donau und wird in der Diskussion meist übergangen. Zwar entspringt sie genau 138 m tiefer als die Bregquelle "nur" im Keller eines Bauernhaus bei St. Georgen im Schwarzwald, doch ist sie mit ihren 43 Kilometern Länge gerade mal 6 Kilometer kürzer als ihre größere Schwester.
Ohne sie wären die Stadtbilder von Donaueschingen und Villingen deutlich ärmer. Zwischen Villingen und Donaueschingen hat sie sich über Millionen von Jahren ein wunderschönes Tal geschaffen, nach dem die darin wohnenden Menschen ihre Gemeinde benannt haben ("Brigachtäler").
Immerhin hat sie ihren Platz in den Köpfen von Generationen von Menschen in weitem Umkreis erobert. Den Spruch "Brigach und Breg bringen die Donau zu Weg" hat zu früheren Zeiten jeder Schüler im Unterricht gelernt, und immerhin steht die Brigach hier an erster Stelle, wenn auch nur des Reimes wegen.

Donauquelle im Schlosspark Donaueschingen

Donauquelle im Schlosspark Donaueschingen
© Erwin Ulmer

Hinweistafel an der Donauquelle im Schlosspark

Hinweistafel an der Donauquelle im Schlosspark
© Erwin Ulmer


Der Donaubach
50 bis 150 Liter in der Sekunde schüttet die sogenannte Karst-Aufstoßquelle des Donaubachs in ihren Quelltopf direkt neben dem Schloss. Seit dem 18. Jahrhundert ist die Quelle gefasst .Seit 1895 thront über der Quelle eine Figurengruppe, geschaffen von dem Künstler Adolf Heer, die die Mutter Baar darstellt und ihrer Tochter, der jungen Donau, den Weg weist. Der Donaubach fließt nur wenige hundert Meter unterirdisch durch den Schlosspark. Auch die Einmündung des Bachs ist wiederum durch ein tempelähnliches Bauwerk verziert. ( Bild 6 jpg-Datei

) Das ganze Jahr über besuchen Touristen diese Denkmale, werfen ihre Münzen in das Quellbecken und gehen mit der Sicherheit von dannen, die Quelle der berühmten Donau gesehen zu haben.
Unterstützt wird die Argumentation durch alte Dokumente, die bis zu den Römern zurückreichen. Auch die erste Karte aus dem Jahre 1538 zeigt die Donauquelle ebenfalls im Bereich Donaueschingen.


Einmündung des Donaubachs in die Brigach

Einmündung des Donaubachs in die Brigach
© Erwin Ulmer

Die Breg
Die Breg entspringt nördlich von Furtwangen bei der Martinskapelle am Kolmenhof. ( Bild 7 jpg-Datei, Bild 8 jpg-Datei ) Im Vergleich zum anderen Quellfluss der Donau, ist die Breg länger, wasserreicher und die Quelle ist höher gelegen. Da nach allgemeiner Definition die mündungsfernste Quelle als Ursprung gilt, können die Wirtsleute des Kolmenhofs, Katharina und Christof Dold, getrost ihren Gasthofnamen mit dem Attribut "an der Donauquelle " schmücken.
Unterstützung finden sie im Universallexikon des Großherzogtums Baden, in dem steht: "Donau, der größte Fluß Deutschlands, entspringt bei der Martinskapelle in einer wilden und einsamen Gegend des Schwarzwaldes, heißt am Anfang der Breg....."
Auch der Landwirtschaftsminister des Landes Baden-Württemberg musste Stellung beziehen und schreibt: "... Zurückkommend auf die Fragen nach dem Donauursprung darf ich Ihnen nochmals bestätigen, daß die sognannte Donauquelle in Donaueschingen aus hydrologischer und geographischer Sicht sicher nicht die eigentliche Quelle der Donau ist. ... "


Bregquelle bei Furtwangen

Bregquelle bei Furtwangen
© Erwin Ulmer

Tafelinschrift an der Bregquelle

Tafelinschrift an der Bregquelle
© Erwin Ulmer

Informationstafel

Informationstafel
© Erwin Ulmer


Der Krähenbach
Der zu Anfang erwähnte Krähenbach ist in der Tat überhaupt nichts Bedeutendes. Aber es ist Tatsache, dass er geografisch das erste natürliche Gewässer ist, welches die Donau wieder mit Wasser versorgt, nachdem sie heutzutage mehr als die Hälfte des Jahres im Boden verschwindet und einen winzigen Beitrag zur Wassermenge des Rheins beiträgt.


Fazit

Zusammenfassend ist festzustellen, dass sowohl die Furtwanger als auch die Donaueschinger einen berechtigten Anspruch auf die Donauquelle haben.
Die einen haben die Geographie und die Hydrologie auf ihrer Seite, die anderen die ältere Historie und das beeindruckendere Denkmal.

Ergebnis:

  1. Der Hauptquellfluss der Donau ist die Breg, die bei der Martinskapelle oberhalb Furtwangens entspringt.

  2. Die Donau entsteht aus dem Zusammenfluss von Brigach und Breg.

  3. Der Donaubach, der im Schlosspark entspringt, hat die größte Quellschüttung aller Zuflüsse und das baulich größte Denkmal mit den meisten Besuchern.

  4. Aber .....!
    Diese Argumente zählen nur, solange nicht die Donau bei der Donauversickerung in den Rhein abbiegt und der Krähenbach bei Tuttlingen/Möhringen den ersten Zufluss der Donau bildet. Und das ist mittlerweile mehr als die Hälfte des Jahres der Fall.

Den weisesten Urteilsspruch zu dieser Diskussion hat im Jahre 1984 das "hohe und grobgünstige" Narrengericht Stockach gefunden: "Der Streit um die Donauquelle ist zu schön, als dass er durch ein närrisches Urteil für alle Zeiten beendet werden dürfte."

Die Aachquelle - der Wiederaustritt der versickerten Donau

Die Aachquelle - der Wiederaustritt der versickerten Donau
© Erwin Ulmer

Der Aachtopf

Der Aachtopf
© Erwin Ulmer



1.3. Anlage

Schematische Darstellung: Der Weg des Wassers

Schematische Darstellung: Der Weg des Wassers
© Erwin Ulmer


Karte zur Donauversickerung

Karte zur Donauversickerung
© Erwin Ulmer

- Arbeitskreis Landeskunde/Landesgeschichte RP Freiburg -