Hintergrundinformationen
1. Bedeutung
B 2 Die Waldburg von Norden (Aufnahme Roland Banzhaf)
© Kunstsammlungen der Fürsten zu Waldburg-Wolfegg
Weithin sichtbar auf einem steilen Drumlin gelegen überblickt die Waldburg die nördliche Bodenseeregion und hat allein aufgrund dieser optischen Präsenz schon immer eine bedeutende Rolle als mittelalterlicher Erinnerungsort für die Menschen der Region gespielt. Dabei bedient die Anlage den „Mythos Burg im Mittelalter“ nur bedingt, denn durch die fortwährende Nutzung und zahlreiche Umbauten büßte sie im Laufe der Zeit einen Teil ihrer Wehrhaftigkeit, ihres Schutz- und Trutzcharakters ein. Ihr heutiges Aussehen erhielt die Burg im Wesentlichen während eines großen Renaissanceumbaus.
Im Ergebnis stellt die Waldburg heute einen gleichermaßen wehrhaften wie gut wohnlichen Schlossbau dar. Gerade der Sachverhalt, dass die Waldburg zwar viele Erwartungen von Schülerinnen und Schülern erfüllt, andere, oft klischeehafte Vorstellungen zur Burg im Mittelalter dagegen nicht bedient, lässt sich fruchtbar machen: Geschichtsbilder können vor Ort einer kritischen Reflexion unterzogen werden.
B 3 Der Innenhof der Waldburg (Gemälde von Eberhard Emminger, 19. Jahrhundert)
© Kunstsammlungen der Fürsten zu Waldburg-Wolfegg
Bedeutsam ist die Waldburg aber nicht nur wegen des gut erhaltenen Gebäudekomplexes, sondern auch aufgrund des gleichnamigen Geschlechts, das hier seinen Stammsitz hat: der Herren von Waldburg, die zunächst als Truchsessen in Diensten der süddeutschen Welfen standen und die im 13. Jahrhundert als Ministerialen der Staufer reichsweite Bedeutung erlangten. Sichtbarer Ausdruck hiervon ist die Tatsache, dass Truchsess Eberhard von Tanne vom staufischen Kaiser Friedrich II. mit der Verwahrung der Reichskleinodien betraut wurde. Ab 1220 lagerten diese für das Reichsbewusstsein so wichtigen, weil sinnstiftenden Herrschaftszeichen für mehrere Jahre auf der Waldburg. Diese Verwahrung markiert fraglos den Höhepunkt des Dienstes der Waldburger am mittelalterlichen Reich und an den Staufern.
Erwähnt werden sollte als herausragender, für die Geschichte des süddeutschen Raumes bedeutsamer Angehöriger des Geschlechts auch Truchsess Georg III. Als Heerführer für den Schwäbischen Bund ging er mit harter Hand gegen die aufständischen Bauern während des so genannten Bauernkriegs 1525 vor. Sein listiges, aber vor allem brutales Vorgehen trug dem Waldburger den Namen „Bauernjörg“ ein. Bis heute ist Georg III. das wohl umstrittenste Mitglied der Familie.
B 4 Wappenbaum der gräflichen Linien Waldburg-Wolfegg-Wolfegg und Waldburg-Wolfegg-Waldsee (Gouache, 1798)
© Kunstsammlungen der Fürsten zu Waldburg-Wolfegg
Als Stammsitz des Geschlechts der Waldburger mit seiner regional-, aber auch reichsweiten Bedeutung, die sich im Burgmuseum nachverfolgen lässt, und als gut erhaltene, weithin sichtbare Burganlage ist die Waldburg nicht nur ein bedeutsamer historischer Ort, sondern mit seinen didaktischen Möglichkeiten auch ein geeigneter Lernort, an den sich bildungsplanrelevante Inhalte anschließen lassen (bspw. Anlage einer Burg, Lebensbedingungen auf einer Burg, Reichsinsignien, Grundherrschaft, Bauernkrieg), an dem sich - über das inhaltlich Konkrete hinaus - aber auch Lernprozesse initiieren lassen, die auf die grundlegende Förderung historischen Bewusstseins hin angelegt sind.
2. Geschichte
In großen Schritten durch die Geschichte des Hauses und der Burg Waldburg bis zum Beginn der Neuzeit
1108 wurde Kuno, der erste fassbare Angehörige des Hauses Waldburg, Abt des Klosters Weingarten. Die älteren Waldburger gehörten zu den Dienstmannen, den so genannten Ministerialen, der Welfen. Unter diesem Adelsgeschlecht hatten die Waldburger vermutlich schon das Hofamt des Truchsessen inne.
1191: Nach dem Tod Welfs VI., des letzten süddeutschen Welfen, wurden die Waldburger Dienstmannen der staufischen Herzöge und bekleideten auch unter diesen das Truchsessenamt.
Im 12. Jahrhundert errichteten die Waldburger an der Südseite des Altdorfer Waldes, einem Gebiet, das sie als Amtslehen erhalten hatten, eine Burg, die zum namensgebenden Sitz der Familie wurde.
Am Beginn des 13. Jahrhunderts starb die ältere Linie des Hauses Waldburg aus. Eberhard von Tanne (bezeugt 1270 - 1334), dessen Geschlecht eng mit dem Hause Waldburg verwandt war, übernahm Besitz und Ämter. Er gilt als eigentlicher Stammvater des Hauses Waldburg.
Kuno von Waldburg, Abt des Klosters Weingarten (B5) und erster fassbarer Vertreter des Geschlechts der Waldburger, und Truchsess Eberhard von Waldburg (B6), der eigentliche Stammvater des Hauses (kolorierte Holzschnitte von Hans Burkmair d. Ä. aus der Chronik der Truchsessen von Waldburg, verfasst von Mathäus von Pappenheim, um 1526/30) © Kunstsammlungen der Fürsten zu Waldburg-Wolfegg |
Ab 1220 lagerten für einige Jahre (vielleicht sogar bis 1243) die Reichskleinodien auf der Waldburg und wurden dort - wohl in einem kapellenartigen Raum - von Geistlichen des Klosters Weißenau betreut, wie die Chronik des Klosters vermerkt. Kaiser Friedrich II. hatte sie auf die Waldburg zu seinem Getreuen, Truchsess Eberhard von Tanne-Waldburg (s.o.), übersandt. Vermutlich waren die unruhigen Verhältnisse in Italien und ein Heereszug nach Sizilien Hintergrund der Überführung nach Schwaben. 1221 wird Eberhard von Kaiser Friedrich II. zudem mit der Verwaltung des staufischen Haus- und Reichsguts in Schwaben betraut. Angehörige des Geschlechts wurden außerdem Bischöfe in Konstanz und Speyer. Die genannten Sachverhalte verdeutlichen eindrucksvoll die reichspolitische Bedeutung des Hauses Waldburg insbesondere in der ersten Hälfte des 13. Jahrhunderts.
B 7 Nachbildungen der Reichskleinodien (Burgmuseum auf der Waldburg)
© Armin Koch / Kunstsammlungen der Fürsten zu Waldburg-Wolfegg
Mit dem Untergang der Staufer - 1268 wurde König Konradin, der Enkel Kaiser Friedrichs I. (Barbarossa), in Neapel durch Karl von Anjou hingerichtet - erhielten die Waldburger den nötigen Spielraum, um ihr eigenes Gebiet herrschaftlich zu durchdringen, um eine Territorialherrschaft zu errichten und in der Folgezeit auszubauen. So erhielten sie Ende des 14. Jahrhunderts auch die Pfandherrschaft über die Städte Mengen, Riedlingen, Munderkingen und zwei Jahre später auch über Waldsee und Saulgau.
Nach mehreren Bauphasen kommt es um 1400 zu einer großen spätmittelalterlichen Erweiterungsphase der Waldburg: Der Palas wird um zwei Geschosse aufgestockt, der Kapellenturm wird auf seine heutige Höhe gebracht und im Vorfeld der Burg sind erstmals Reste einer Zwingeranlage nachweisbar.
1429 kam es zu einer Erbteilung im Hause der Waldburger, aus der drei Linien hervorgingen: die Georgische, die Eberhardinische und die Jakobinische. Die letztgenannten erloschen 1511 bzw. 1773; die Georgische Linie lebt dagegen bis heute fort.
(B8) Truchsess Georg III. von Waldburg, der „Bauernjörg“, in einer Darstellung des 16. Jahrhunderts und (B9) als Protagonist eines Volksschauspiels (kolorierter Holzschnitt von Hans Burkmair d. Ä. aus der Chronik der Truchsessen von Waldburg, verfasst von Mathäus von Pappenheim, um 1526/30; Bildpostkarte zum Theaterstück „Der Bauernjörg“, 1897) © Kunstsammlungen der Fürsten zu Waldburg-Wolfegg |
Der prominenteste und zugleich umstrittenste Angehörige des Hauses Waldburg, Truchsess Georg III., wurde 1524 zum Obersten Feldhauptmann des Schwäbischen Bundes ernannt. Durch seinen harten und auch brutalen Umgang mit den revoltierenden Bauern 1525 erhielt er den Beinamen „Bauernjörg“.
In die Mitte des 16. Jahrhunderts, etwa zwischen 1550 und 1570, fällt der große Renaissanceumbau der Waldburg. Innenwände wurden im Palas eingezogen, der Wendeltreppen- und der Abortturm sowie das Wirtschaftsgebäude an der Südseite wurden erbaut und die Gebäude wurden zeitgemäß befenstert. Im Wesentlichen erhielt die Waldburg damit ihr heutiges Aussehen.
Rekonstruktionszeichnungen zum Baubestand um 1400 und nach 1570 (Burgmuseum auf der Waldburg) © Armin Koch / Kunstsammlungen der Fürsten zu Waldburg-Wolfegg |
3. Anlage
Die Waldburg liegt auf einem steil aufragenden Moränehügel und besetzt dessen rundliche Gipfelfläche. Durch eine schmale Zwingeranlage gelangt man direkt in den Kernbereich der Burg. In der Nordwestecke der Anlage liegt als größtes und höchstes Gebäude der viergeschossige Palas, auf dessen steilem Satteldach die Aussichtsplattform thront. Am Gebäude sind zwei Türme angebracht: in der Mitte der Nordseite der Wendeltreppenturm, an der Westseite der - für die Verhältnisse des 16. Jahrhunderts hygienisch äußerst fortschrittliche - Abortturm. Der Palas beherbergt heute das Burgmuseum, das auf vier Etagen durch die Geschichte des Hauses und der Burg Waldburg führt.
Mit dem Palas ist der Kapellenturm durch eine hohe, begehbare Ringmauer, in der sich auch das Burgtor befindet, verbunden. Der Turm ist nur unwesentlich niedriger als das Hauptgebäude, allerdings bedeutend schlanker. Durch zwei Ringmauerabschnitte sowohl mit dem Palas als auch mit dem Kapellenturm verbunden befindet sich auf der Südseite der Burganlage das Wirtschaftsgebäude. Dieses ist weit gegen den Steilhang vorgeschoben und besitzt ein hohes Untergeschoss, das früher zur Unterbringung der Tiere genutzt wurde.
Der West-, Nord- und Ostseite ist ein schmaler Zwinger vorgelagert.
Die mehrteilige Burganlage macht heute einen sehr einheitlichen, geschlossenen Eindruck, wenngleich die Baubefunde eine sehr differenzierte Entwicklung ergeben haben.
B 11 Modell der Burg von Nordwesten und |
B 12 Rekonstruktionszeichnung aus südwestlicher Sicht |
© Armin Koch © Armin Koch / Kunstsammlungen der Fürsten zu Waldburg-Wolfegg |
- Arbeitskreis Landeskunde/Landesgeschichte RP Tübingen -