Hintergrundinformationen

Wo sich Mittelalter und Gegenwart treffen - die Cistercienserinnen-Abtei Lichtenthal

1. Bedeutung

Die Abtei Lichtenthal – ein „lebendes“ Kloster!

Im Rahmen einer Exkursion ins Kloster Lichtenthal können alle zentralen inhaltlichen Aspekte des Themas „Kloster“ am Beispiel eines von Ordensschwestern noch betriebenen Klosters behandelt werden, so zum Beispiel:

  • Die wechselhafte Geschichte der Abtei von der Gründung durch die Witwe das Markgrafen von Baden (als Grablege) über ihre mehrfache Bedrohung (u.a. durch Bauernkrieg, Dreißigjährigen Krieg, Säkularisation und Nationalsozialismus) bis hin zum Klosterleben in der Gegenwart

  • die wirtschaftlichen Grundlagen eines Klosters (Ausstattung mit Land, Dörfern, Höfen; eigenes Handwerk...)

  • das Aussehen und die Funktionalität einer typischen Klosteranlage

  • die Bedeutung als regionales „Bildungszentrum“ (Skriptorium, Klosterschule...)

  • Seelsorge und Frömmigkeit (Heiligenverehrung, Marienerscheinungen, fürstliche Grablege...)


Sammelwappen

Dieses Sammelwappen verrät, dass das Kloster auch in unseren Tagen noch in der Hand der Ordensschwestern ist. Die Jahreszahl verweist auf den Abschluss des Umbaus der Wirtschaftsgebäude zu Gästehäusern im Jahr 1990. Links unten das Wappen der Bauherrin Äbtissin Maria Adelgundis.
© Ingo Brömel


Doch der besondere didaktische Wert einer Exkursion ins Kloster Lichtenthal geht über die kognitive Wissensvermittlung weit hinaus.
Vor einigen Jahren (1995) feierte die Zisterzienserabtei ihr 750jähriges Bestehen. Die Struktur der völlig intakten Klosteranlage, aber auch viele Gebäude und Monumente stammen noch aus der Gründungszeit. Schon diese historische Dimension verleiht dem Ort eine Atmosphäre, die auch Schülern nicht entgeht. Noch eindrücklicher für Schüler ist aber der Umstand, dass die Abtei allen neuzeitlichen Verwerfungen zum Trotz noch immer von Zisterzienserinnen bewohnt wird. Kein anderes mittelalterliches Geschichtsthema zeigt die Verzahnung von Vergangenheit und Gegenwart deutlicher als das Thema „Kloster“. Noch immer führen die Nonnen das streng geregelte Leben der mittelalterlichen Benediktinerklöster kaum vorstellbar für einen Jugendlichen, der im 21. Jahrhundert Freiheiten genießt wie keine Generation vor ihm. Hier scheint die Gegenwart auf das Mittelalter zu treffen und erlebbar zu sein, denn die Lichtenthaler Schwestern stellen sich für ein Gespräch mit Schulklassen gerne zur Verfügung.
So lassen sich viele Erkenntnisse, die sich die Geschichtsdidaktik vom Thema Kloster verspricht, nicht nur mit Blick auf die Vergangenheit, sondern auch unmittelbar bezogen auf die Gegenwart gewinnen. An erster Stelle steht dabei das Kennenlernen einer völlig anderen Lebensform (Alteritätserfahrung). Andererseits lässt diese so fremde Lebensform zugleich die christlichen Wurzeln unserer gesamten abendländischen Kultur deutlich hervortreten. Beide Aspekte Fremdverstehen und Erkennen der eigenen historischen Wurzeln sind identitätsstiftend.
Im Geschichtsunterricht erfahren die Schüler, dass unzählige Menschen mit der Entscheidung für ein Leben im Kloster eine radikale Abkehr von einem weltlichen Leben mit all seinen „Wirrungen“ (Liebe und Partnerschaft, Konsumorientierung, Verlangen nach Prestige...) vollzogen. In der Begegnung mit Ordensschwestern lernen sie nun persönlich Frauen kennen, die diese totale Hinwendung zu Gott, zu einer „vita comtemplativa“ und zu einer karitativen Lebensführung als sinnstiftend und erfüllend empfinden. Ohne Zweifel dient die Konfrontation mit einem so anders gearteten Lebensentwurf in hohem Maße der „Entwicklung von wertorientiertem Handeln“, wie dies der Bildungsplan von unserem Geschichtsunterricht einfordert.

Die Schüler sollen das Klosterleben mit all seinen oben beschriebenen Aspekten „erfahren“ können. Neben der historischen und gegenwärtigen Authentizität des Ortes werden vor allem die in diesem Unterrichtsmodul vorgeschlagenen handlungsorientierten Arbeitsformen dazu beitragen können: das Entwickeln von Rollenspielen und Standbildern, das Schreiben von Leserbriefen, das Schießen und räumliche Zuordnen von Fotos, das Malen und Zeichnen, das Hören und Beschreiben gregorianischer Musik und anderes mehr.


2. Geschichte

Die folgende Darstellung ist angelehnt an den geschichtlichen Abriss auf der Homepage des Klosters Lichtenthal: www.abtei-lichtenthal.de

1242
Nach dem Tod Markgraf Hermanns V. von Baden beschließt seine Witwe, Markgräfin Irmengard, ein Kloster als Grablege der Familie zu gründen.

1245
Baubeginn. Zisterzienserinnen aus dem Kloster Wald bei Meßkirch nehmen das klösterliche Leben auf.

1248
Lichtenthal wird in den Zisterzienserorden aufgenommen.
Nach der Weihe der Klosterkirche werden die sterblichen Überreste Hermanns V. überführt und vor dem Altar beigesetzt.

1252
Das Klostergebäude wird eingeweiht.

1260
Markgräfin Irmengard stirbt und wird neben Hermann V. vor dem Hochaltar beigesetzt.

1288
Schenkung des Dorfes Geroldsau und Stiftung der Fürstenkapelle.

1322
Die romanische Klosterkirche wird durch einen gotische Chorabschluss nach Osten erweitert.

14. und 15. Jahrhundert
Bis Mitte des 14. Jh. gute innere und äußere Entwicklung des Konvents. Ende des 14. Jh. Niedergang des geistlichen Lebens und der klösterlichen Disziplin. 1426 Reform durch den Orden, Nonnen von Königsbrück im Elsass kommen nach Lichtenthal zur inneren Erneuerung.

1525
Zeit der Bauernkriege. Die Nonnen flüchten vor den heranziehenden Bauern, das Kloster bleibt von einer Plünderung verschont.

16. Jahrhundert
Zeit der Reformation. Die badischen Markgrafen schwanken zwischen lutherischem und katholischem Bekenntnis. Lichtenthal muss mehrfach um seinen Bestand fürchten.

1618 - 1648
Zeit des Dreißigjährigen Krieges.
Das Kloster wird zwar auch durch die schwedischen Truppen bedroht, aber nach der Überlieferung auf wundersame Weise gerettet: Eine Marienstatue, der die Äbtissin unmittelbar vor der Flucht der Ordensschwestern die Schlüssel des Klosters an den Arm gehängt hat, stellte sich den plündernden Soldaten lichtumstrahlt in den Weg und wies ihnen den Ausgang woraufhin diese flohen. Das Kloster blieb unversehrt.


Ölgemälde von Balthasar Schmid

Der Überlieferung zufolge wurde das Kloster mehrfach durch das direkte Eingreifen Marias, der Mutter Jesu Christi, gerettet. Auf dem Ölgemälde von Balthasar Schmid (1775) wird das Kloster dem Schutz Marias anvertraut.
© LMZ-BW (Jaeger)

1689
Im pfälzischen Erbfolgekrieg wird die Stadt Baden durch die französischen Truppen niedergebrannt. Das Kloster leidet schweren Schaden, wird aber nicht zerstört.

1707
Markgraf Ludwig Wilhelm, der "Türkenlouis", stirbt. Sein Herz wird vor dem Hochaltar der Fürstenkapelle beigesetzt.

1728 - 1734
Instandsetzung der Klosterkirche, Abriss des baufälligen Konventgebäudes aus dem 13. Jahrhundert und barocker Neubau durch den Architekten Peter Thumb.

1796
Revolutionskriege. Das Kloster muss mehrfach erhebliche Kriegsabgaben an die französischen Truppen zahlen.

1803
Organisationsedikt von Markgraf Karl Friedrich, das die Säkularisation in Baden einleitet. Lichtenthal kann unter schweren Einschränkungen als klösterliche Gemeinschaft bestehen bleiben. Haus und Grundbesitz werden enteignet, Kunstschätze und Handschriften gehen zum großen Teil in das Eigentum des Staates über.

1815
Eröffnung des "Lehrinstituts für die Beuerner Mädchenjugend". Die Schule besteht bis heute.

Schutzengel mit Mädchen

Schutzengel mit Mädchen über dem Eingangsportal der auf dem Klostergelände befindlichen Grundschule Lichtenthal.
© Ingo Brömel

1883
Gründung des Tochterklosters Mariengarten in St.Pauls-Eppan bei Bozen in Südtirol als Zufluchtsort im Falle einer Ausweisung der Schwestern.

1939 - 1945
Gefährdung von Schule und Kloster durch das Nazi-Regime. Um nicht nur von der Schule abhängig zu sein, Einrichtung von Kunstwerkstätten.

1968
Umgestaltung der Klosterkirche nach dem 2. Vatikanischen Konzil. Entfernung der Übermalungen und Wiederherstellung des einfachen gotischen Stils der frühen Zisterzienser.

1980 -1990
Schrittweiser Umbau der leer stehenden Ökonomiegebäude zu Gästehäusern.

1995
750-Jahr-Feier des Klosters.


3. Anlage

Grundriss und Luftaufnahme der Abtei Lichtenthal zeigen die typische Abgeschlossenheit eines Klosterkomplexes: Eingebettet in eine Schleife des kleinen Flusses Oos reihen sich kreisförmig Wirtschaftsgebäude und eine Wehrmauer um den Kern des Klosters: die Klosterkirche, die Klausur mit rechteckigem Konventbau und Kreuzgang sowie das Abteigebäude. Ebenfalls zur Klausur gehört der Klostergarten mit Klosterfriedhof und Einsiedlerkapelle. Östlich des stattlichen Torbaus befinden sich zwei weitere größere Gebäude: das ehemalige Kranken- und das frühere Amtshaus.


Grundriss Abtei Lichtenthal

Grundriss Abtei Lichtenthal mit Gebäudefunktionen um 1900.
© Abtei Lichtenthal (Zeichnung ohne Beschriftung entnommen aus: Abtei Lichtenthal (Hg.), Abtei Lichtenthal Baden-Baden, 2. Auflage, Lindenberg 2009).

Ein touristischer Höhepunkt des Klosters ist die unmittelbar neben der Kirche gelegene Fürstenkapelle. Die Abtei Lichtenthal war von ihrer Gründerin, Markgräfin Irmengard, als Grablege der fürstlichen Familie vorgesehen. Da nach Regel der Zisterzienser in der Klosterkirche selbst nur die Stifter beigesetzt werden durften, veranlasste Irmgengards Sohn Rudolf I. den Bau einer eigenen Grabkapelle. In der sogenannten Fürstenkapelle fanden die badischen Markgrafen zwischen 1288 und 1372 ihre letzte Ruhestätte. Hier wurden 1707 auch das Herz und die inneren Organe des badischen Markgrafen Ludwig-Wilhelm, des berühmten “Türkenlois“, beigesetzt.
In der Fürstenkapelle befindet sich auch die „Schlüsselmadonna“. Der Überlieferung nach hat diese spätromanische Marienstatue, der in Gefahrensituationen die Klosterschlüssel an den Arm gehängt wurden, mehrfach das Kloster gerettet.
Die Klosterpforte Ort für Anmeldung, Informationen, Treffpunkt bei Führungen etc. befindet sich genau gegenüber vom Eingangsportal des Klosterkomplexes. Man muss das Kloster also einmal durchqueren, um dorthin zu gelangen.

Kurzbeschreibung der wichtigsten Gebäude

  • Die einschiffige Klosterkirche zeigt die für Klöster typische Zweiteilung in einen den Ordensschwestern vorbehaltenen Bereich, den Frauenchor, und die Laienkirche. Diese Anordnung erklärt auch, warum sich der öffentliche Eingang der Kirche nicht, wie sonst häufig anzutreffen, am westlichen Kirchenende, sondern mittig befindet. Der Frauenchor liegt auf einer Empore und ist damit deutlich separiert. Die Klosterkirche wurde immer wieder umgebaut. Der romanische Gründungsbau (teilweise 1248 geweiht) ist noch zu erkennen: an seinen mächtigen Mauern, die heute als Wandrücksprünge an den später erhöhten Kirchenwänden noch sichtbar sind, sowie an mehreren vermauerten Fensteröffnungen und Türnischen. Um 1300 wurde der gotische Ostchor errichtet, das Langhaus wurde erhöht und verlängert. Immer wieder wurden im Inneren der Kirche größere Veränderungen vorgenommen; erwähnt seien noch die 1968 vom Karlsruher Künstler Emil Wachter gefertigten Glasfenster. Die Klosterkirche ist mit Ausnahme der Mittagszeit geöffnet (genaue Zeiten bei Bedarf bitte im Zuge der Anmeldung erfragen), wird von den Schwestern allerdings auch außerhalb der offiziellen Gebetszeiten intensiv genutzt. Absolute Ruhe ist eine der wichtigsten Regeln in einem Kloster, die Schwestern selbst sind an das Schweigegelübde gebunden. Ein längerer Aufenthalt von Schulklassen in der Klosterkirche, beispielsweise im Rahmen von Gruppenarbeiten, kommt daher nicht in Frage.

  • Konventsbau und Abteigebäude: anstelle der alten Fachwerkgebäude von Peter Thumb um 1728-1731 in nüchternem Barockstil errichtet; das Doppelwappen mit der Zahl 1730 enthält das Wappen des Zisterzienserordens (Schrägbalken aus rot-weißen Klötzchen), das Wappen von Lichtenthal (Floßhaken) und das Wappen der damaligen Äbtissin Maria Euphrosina (Kreuz und Rose).

Doppelwappen von 1930

Doppelwappen von 1930
© Ingo Brömel

  • ehemaliges Amtshaus: das Kloster besaß etliche Stiftungsgüter, darunter verstreute Ländereien und einige Dörfer; für deren Verwaltung und die Ausübung von Herrschaftsrechten, z.B. der niederen Gerichtsbarkeit, benötigte man ein Verwaltungsgebäude; seit 1815 Schule (heute öffentliche Grundschule).

  • Fürstenkapelle (nur im Rahmen einer Führung zu besichtigen): 1288 als Grablege für das badische Fürstenhaus errichtet; 1830-1832 Errichtung der neugotischen Fassade; die drei Sandsteinfiguren stammen aus der säkularisierten Abtei Allerheiligen im Schwarzwald (links Gerungus, erster Abt von Allerheiligen; rechts Uta von Schauenburg, Stifterin von Allerheiligen; mittig erhöht St. Helena, zum Christentum bekehrte Mutter von Kaiser Konstantin); im Inneren u.a. die “Schlüsselmuttergottes“ (s.o., “Geschichte“), drei außerordentlich prächtige Flügelaltäre aus dem 15. und 16. Jahrhundert, drei Hochgräber (u.a. der Stifterin Markgräfin Irmengard); unter den Bodenplatten befinden sich zahlreiche Gräber der markgräflichen Familie; da nach 1424 der Platz für weitere Gräber fehlte, wurden danach nur noch Herzen bestattet (insgesamt neun Herzen befinden sich vor dem Hauptaltar, darunter das des Markgrafen Ludwig Wilhelm, des “Türkenlouis“).

Fürstenkapelle

Fürstenkapelle bis 1424 Grablege des badischen Fürstenhauses.
© LMZ-BW (Weischer)

  • ehemalige Infirmerie (Krankenstation), beherbergt heute die Turnhalle und weitere Klassenräume der Grundschule sowie einen Raum für Kalligrafie.

  • ehemaliges Pfarrhaus, heute Gästehaus

  • Wirtschaftsgebäude, heute Gästehaus, Buch- und Kunsthandlung

  • ehemalige Klostermühle, heute Filmsaal, Speisesaal, Wohnungen

  • ehemalige Schmiede und Metzgerei, Knechtshaus, heute Gästehaus

  • ehemaliger Schweinestall; heute Meditationsraum

  • Marienbrunnen: Renaissancebrunnen aus Sandstein mit Madonna (1602); aus der Säule heben sich vier männliche Masken hervor, die die Himmelsrichtungen anzeigen. Die auf der Säule stehende Madonna blickt zur Abtei; mit der linken Hand trägt sie das Jesuskind, mit der rechten hält sie das Wappen der Äbtissin Maria Euprosina Lorenz.

  • Museum (nur im Rahmen einer Führung zu besuchen): ehemaliges Fürstenzimmer der Abtei; sakrale Kunst und Textilien, u.a.: Antiphonarien aus dem 13. bis 16. Jahrhundert, ein Äbtissinenstab aus Silber mit einer Krümme von 1500, Stickereien aus dem 16. Jahrhundert und liturgische Gewänder aus dem 16. bis 19. Jahrhundert.

Antiphonar

Antiphonar (liturgisches Buch für das Stundengebet), von Maulbronner Mönchen für die neu gegründete Abtei Lichtenthal um 1249 geschrieben.
© LMZ-BW (Weischer)

Da das Kloster Lichtenthal noch “in Betrieb“ ist, sind der Öffentlichkeit einzelne Bereiche nicht zugänglich, darunter klostertypische Gebäudeteile wie der Kreuzgang, das Parlatorium oder der Chor. Die Begegnung mit Ordensschwestern dürfte diesen Umstand allerdings aufwiegen.

 

- Arbeitskreis Landeskunde/Landesgeschichte RP Karlsruhe -

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