Das UNESCO-Weltkulturerbe - Klosterinsel Reichenau im Bodensee - Geschichtlicher Überblick

Das Inselkloster Reichenau entwickelte sich nach seiner Gründung durch den Wanderbischof Pirmin im Jahr 724 rasch zu einem religiösen, kulturellen und wissenschaftlichen Zentrum des Abendlandes.

Bei der Christianisierung des deutschen Südwestens und der Schweiz spielte es neben St. Gallen und weiteren Klöstern eine wichtige Rolle. Durch den Besitz bedeutender Reliquien (St. Markus, St. Georg, Hl. Blut) wurde es auch zum Ziel für Pilger von nah und fern.

Der Schrein für die Gebeine des Evangelisten Markus, gefertigt 1303 - 1305, in der Schatzkammer des Mittelzeller Münsters
Der Schrein für die Gebeine des Evangelisten Markus, gefertigt 1303 - 1305, in der Schatzkammer des Mittelzeller Münsters
© Johannes Hof

Ihre Blütezeit erlebte die Datei vom Ende des 8. bis zur Mitte des 11. Jahrhunderts. Sie wurde durch die engen Verbindungen des Klosters zu Karl dem Großen eingeleitet. Die Reichenauer Äbte waren damals als Berater, Mitarbeiter, Kanzler, Gesandte und Prinzenerzieher in wichtigen politischen Aufgaben im Reichsdienst tätig. Von Beginn an gehörten dem Kloster nur Mönche von adeliger Herkunft an.

Abt Heito, Walahfrid Strabo und vor allem Hermann der Lahme traten als bedeutende Gelehrte hervor. Seinen künstlerischen Höhepunkt erreichte das Kloster im 10. und 11. Jahrhundert in der Buch- und Wandmalerei.
Zugemauerte Bögen (Kreuzgang?) des karolingischen Klosters
Zugemauerte Bögen (Kreuzgang?) des karolingischen Klosters
© Johannes Hof
Die Westfassade (
Die Westfassade ("Westwerk") des Mittelzeller Münsters, Mitte 11. Jahrhundert
© Johannes Hof
 

Bis heute erhaltene Gebäude aus der großen Zeit des Klosters sind das Münster St. Maria und Markus in Mittelzell mit Teilen der ehemaligen, 816 geweihten Abteikirche, die später mehrfach erweitert und umgebaut wurde, sowie die Kirchen St. Peter und Paul in Niederzell (erste Kirche 799, die heutige um 1100 erbaut) und St. Georg in Oberzell (Ende 9. Jhdt., mit bedeutenden Wandmalereien).
Stifter von St. Peter und Paul ist Egino, Bischof von Verona, hochadeliger Alemanne und verwandt mit weiteren Stiftern der Reichenau: Hildegard, Gemahlin Karls des Großen und deren Bruder Gerold, der im Chor des Mittelzeller Münsters bestattet ist.
St. Georg ist eine Stiftung von Heito (Hatto) III., Reichenauer Abt von 888 bis 913, ab 892 auch Erzbischof von Mainz und Erzkanzler des Reiches, der die Kirche zur Aufnahme des Hauptes des hl. Georg, der ihm vom Papst 896 geschenkten Reliquie, erbauen ließ.

Um die Mitte des 11. Jahrhunderts setzte der Niedergang des Klosters ein. Zeitweise wurde das Kloster durch den Konstanzer Bischof verwaltet. Anfangs des 15. Jahrhunderts war das Kloster nur noch mit zwei Chorherren besetzt.
Durch die Öffnung des Klosters für den niederen Adel um die Mitte des 15. Jahrhunderts blühte es nochmals kurzfristig auf. Der letzte Reichsabt verzichtete 1540 und überließ die Abtei gegen Entgelt dem Bischof von Konstanz.

1605 bis 1610 wurde nach weitgehendem Abriss des alten Klosters auf der Nordseite des Münsters das noch bestehende Klostergebäude auf der Südseite erbaut. Es ist heute Sitz der Gemeindeverwaltung.
Mit der Rückkehr der Hl.-Blut-Reliquie 1738, die im 30jährigen Krieg in das Kloster Günterstal bei Freiburg ausquartiert war, nahm das Kloster einen neuen, jedoch wieder nur kurzzeitigen Aufschwung.
1803 wurde es als Bischofsgut säkularisiert, die Reste von Archiv und Bibliothek kamen nach Karlsruhe.

Seit 2001 gibt es wieder Benediktiner auf der Reichenau. Am 13. Juni 2004 wurde die "Cella S. Benedikt" im alten Pfarrhaus von Reichenau-Niederzell offiziell als Filiale der Erzabtei Beuron errichtet.
- Arbeitskreis Landeskunde/Landesgeschichte RP Freiburg -