Reutlingen - ein mittelalterliches Stadtspiel

Geschichte

Kurzer Abriss der Geschichte der Stadt Reutlingen im Mittelalter:

Durch Funde von Skelettresten, Scherben, Münzen und Gebrauchskeramik lässt sich eine Besiedlung an der Achalm bis ins 4. Jahrhundert v. Chr. nachweisen. Auch alemannische Siedlungen im heutigen Stadtgebiet lassen sich durch Grabfunde belegen. Eine dieser Siedlungen dürfte im Bereich des heutigen Friedhofs "Unter den Linden" gelegen haben, dort befand sich die ehemalige Pfarrkirche "St. Peter in den Weiden". Auch der Name Reutlingen weist mit dem charakteristischen Suffix -ingen auf eine alemannische Besiedlung hin. Die erste Silbe dürfte von einem alemannischen Stammesführer, vermutlich einem Rutilo, übernommen worden sein.

Die erste urkundliche Erwähnung Reutlingens erfolgt allerdings erst 1089 im Bempflinger Vertrag, einem Erbschaftsvertrag zwischen dem Kloster Zwiefalten und den Erben des Achalmgrafen. 1180 erhält Reutlingen von Friedrich Barbarossa das Marktrecht. Die Siedlung Reutlingen konzentriert sich mittlerweile wohl aus strategischen Gründen auf das Gebiet der heutigen Katharinenstraße und Unteren Wilhelmstraße.

Zwischen 1220 und 1240 wird Reutlingen von Friedrich II. zur Freien Reichsstadt erhoben. Eine Stadtgründungsurkunde existiert allerdings nicht (mehr). Friedrich ließ die von ihm gegründete Stadt mit Mauern, Gräben und Türmen befestigen. Im 13. Jahrhundert und darüber hinaus war Reutlingen für den Kaiser ein wichtiger Stützpunkt des Reiches gegen konkurrierende Adelshäuser der Gegend.

Reste der alten Stadtmauer in der Zeughausstraße
Reste der alten Stadtmauer in der Zeughausstraße
© Stefanie Henes

Reste der alten Stadtmauer in der Zeughausstraße
Reste der alten Stadtmauer in der Zeughausstraße
© Stefanie Henes

1343 wird ein weiteres Wahrzeichen der Stadt fertiggestellt: die Marienkirche. Die Belegung Reutlingens durch den Thüringer Heinrich Raspe war zu Pfingsten 1247. Der Legende nach gelobten, die Reutlinger Jungfrau Maria eine so genannte Kapelle zu bauen, wenn sie die Belagerung überstehen würden. Wann der Bau der Marienkirche wirklich begann, ist nicht bekannt. Die Marienkirche wurde im gotischen Stil erbaut und ist bis heute ein weithin sichtbares, prägendes Kenneichen der Stadt und eine ihrer bedeutendsten Sehenswürdigkeiten.

Turm der Marienkirche
Turm der Marienkirche
© Stefanie Henes

Die in Zünften organisierte Handwerkerschaft Reutlingens bemühte sich um eine Stärkung ihres politischen Einflusses gegenüber dem Patriziat. In einer nach dem Vorbild der Stadt Rottweil gestalteten Verfassung bestätigte Kaiser Karl IV. 1374 den Handwerkerzünften weitgehende Mitbestimmungsrechte wie Zutritt zu allen städtischen Ämtern, deutliche Mehrheit bei der Entscheidungsfindung im Stadtrat oder die Wahl des Bürgermeisters. Diese Verfassung hatte bis zum Ende der Reichstadtzeit Bestand.

Zunftbrunnen in der Oberamteistraße
Zunftbrunnen in der Oberamteistraße
© Stefanie Henes

Im September 1726 brach im Haus eines Schusters neben der Nikolaikirche ein Brand aus, der sich rasch über die ganze Stadt ausbreitete und erst am darauffolgenden Tag gelöscht werden konnte. Die Marienkirche brannte völlig aus, beinahe alle öffentliche Gebäude und vier Fünftel aller Wohnhäuser vielen dem Feuer zum Opfer.

1802 ging Reutlingen im Zuge der territorialen Umgestaltungen während der Napoleonischen Kriege nach fast 600 Jahren Reichstadtzeit in württembergischen Besitz über und wurde zur Oberamtsstadt erklärt.

Auf wirtschaftlichem Gebiet hatte der Anschluss an Württemberg positive Auswirkungen. Der Wegfall der Zunftgesetze und Handelsschranken sowie der verbesserte Zugang zum württembergischen Straßen- und später auch Eisenbahnnetz trugen in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts auch zum industriellen Aufschwung Reutlingens bei. Angetrieben durch die Industrialisierung dehnte sich die Stadt immer mehr aus. Zunächst entstanden Fabriken aufgrund der Wasserkraft entlang des Echazufers, nach Etablierung der Dampfmaschine entwickelten sich die Industrieanlagen vor allem in Bahnhofsnähe im Norden und Nordosten der Stadt. Zusammen mit der industriellen Ausdehnung entstanden auch neue Wohnviertel vor allem in der Tübinger, der See- und Albstraße. Die Straßennamen -Kaiserstraße, Bismarckstraße oder Karlsstraße - sprechen noch heute von ihrer Entstehungszeit im 19. Jahrhundert.

Reutlingen dehnte sich jedoch nicht nur nach außen stetig aus, sondern auch im Innern des alten Stadtkerns zeigten sich Veränderungen. So wurde z. B. aus dem alten Stadtgefängnis das Haus der Jugend oder aus dem Königsbronner Hof das Heimatmuseum.

Heimatmuseum in der Oberamteistraße
Heimatmuseum in der Oberamteistraße
© Stefanie Henes

- Arbeitskreis Landeskunde/Landesgeschichte RP Tübingen -

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