Das Heidelberger Schloss und die Kurfürsten von der Pfalz vom Spätmittelalter bis zum Ende des 17. Jahrhunderts

Hintergrundinformationen

1. Bedeutung

Das Heidelberger Schloss wird alljährlich von über 1 Million Menschen aus aller Welt besucht und zählt damit zu den am meisten besuchten Bauwerken Deutschlands.

Dabei hat sein Status als Touristenmagnet eine lange Tradition. Seitdem sich der französische Adlige Charles de Graimberg (1774-1864) in konservatorischer und künstlerischer Hinsicht für die seit einem Brand im Jahre 1764 endgültig dem Verfall preisgegebene Ruine zu interessieren begann, seitdem Dichter, Zeichner und Maler der Romantik den unvergleichlichen Stimmungswert des von jeher landschaftlich schön gelegenen, in seinem ruinösen Zustand immer mehr mit der Natur verwachsenden Ortes erkannten und in ihren Werken verewigten, ist der Bekanntheitsgrad des Schlosses stetig gestiegen.

In der Sicht der Romantiker wurde es zu einem Sinnbild der Vergänglichkeit, im Zeitalter des aufkeimenden Nationalismus zum Identifikationspunkt patriotischer Gesinnung, die verklärend eine große deutsche Vergangenheit beschwor, nach dem Deutsch-Französischen Krieg von 1870/71 zu einem wahren Nationaldenkmal. Die Geschichte der alten kurpfälzischen Residenz wurde so allmählich von einem Mythos überlagert, der bis in die Gegenwart fortwirkt.

Um diesen Mythos und die Geschichte seiner Entstehung soll es in diesem Modul jedoch nicht gehen. Anhand einer bau- und stilgeschichtlichen Betrachtung ausgewählter Bauten des Heidelberger Schlosses und einer auf Quellen und Darstellungen gestützten Auseinandersetzung mit Leben und Taten bedeutender pfälzischer Kurfürsten vornehmlich des 16. und 17. Jahrhunderts sollen vielmehr in exemplarischer Weise grundlegende Phänomene und Entwicklungen der Frühen Neuzeit vermittelt werden, die nach den Bildungsstandards für Geschichte in der Realschule (Klasse 8) wie im Gymnasium (Klasse 7 und 10) zu behandeln sind.

Zu den Erkenntnissen und Kompetenzen, die Schülerinnen und Schüler in Auseinandersetzung mit dem historischen Lernort bzw. den in diesem Modul angebotenen Materialien gewinnen können, zählen im einzelnen:

  • die Fähigkeit, den modernen Landschaftsbegriff der (Kur-) Pfalz historisch einzuordnen und ggf. ein historisches Bewusstsein der eigenen Herkunft zu entwickeln

  • die Kenntnis grundlegender Strukturen der Verfassung des Heiligen Römischen Reiches deutscher Nation

  • das Wissen um die Andersartigkeit frühmoderner Territorien im Vergleich zum ausgebildeten Flächenstaat

  • das Wissen um die Funktion mittelalterlicher Burgen und deren Funktionswandel im Übergang zur Neuzeit

  • das Wissen um die baulichen Auswirkungen militärtechnischer Neuerungen in der Frühen Neuzeit

  • die methodische Fähigkeit, die Mehrschichtigkeit einer historisch gewachsenen Anlage zu erkennen und als Spiegel verschiedener (Stil-) epochen zu begreifen

  • die Fähigkeit, ein Bauwerk anhand charakteristischer Merkmale dem Kunststil der Gotik bzw. der Renaissance zuzuordnen

  • die Fähigkeit, Wappen und ikonographische Elemente als symbolhafte Bedeutungsträger zu erkennen

  • die Erkenntnis, dass Architektur und Plastik wichtige Formen der Herrschaftslegitimation darstellen

  • die Erkenntnis und Fähigkeit zur Exemplifizierung von Wesen und Bedeutung der Renaissance und des Humanismus in praktischer Auseinandersetzung mit einem konkreten Bauwerk bzw. einer Herrscherpersönlichkeit

  • die Gewinnung einer Vorstellung vom höfischen Leben zur Zeit der Renaissance

  • die Erkenntnis, mit welchen Schwierigkeiten und Auswirkungen die Durchsetzung der Reformation verbunden war

  • das Wissen um die Rolle der Kurpfalz im Dreißigjährigen Krieg und eine Vorstellung von dessen Auswirkungen am Beispiel der Stadt Heidelberg

  • die Erkenntnis, dass die dynastischen Verbindungen und Konflikte der Frühen Neuzeit eine Wurzel europäischer Identität darstellen

  • die methodische Fähigkeit, sich historische Standpunkte anzueignen und historische Entwicklungen aus bestimmten Perspektiven heraus narrativ zu schildern oder kreativ darzubieten

  • die methodische Fähigkeit, sich in Kleingruppen zu organisieren und Kurzpräsentationen, Führungen oder Rollenspiele zu erarbeiten


2. Geschichte

1. Zeittafel

12.Jh.
Errichtung einer ersten Burganlage bei Heidelberg

1196
Heidelberg erstmals urkundlich erwähnt

1214
König Friedrich II. überträgt dem Wittelsbacher Ludwig von Bayern die rheinische Pfalzgrafenwürde

1225
Pfalzgraf Ludwig I. (1174-1231) von Bayern wird von Bischof Heinrich von Worms mit Burg (castrum) und Burgflecken (burgus) Heidelberg belehnt

1303
Erwähnung einer oberen (auf dem Kleinen Gaisberg befindlichen) und einer unteren (auf dem Jettenbühl gelegenen) Burg

1329
Rudolf II. (1306-1353) wird zum ersten pfälzischen Kurfürsten ernannt

1356
Goldene Bulle: Pfalzgraf Ruprecht I. (1309-1390) als Inhaber des Reichsvikariats bestätigt

1386
Gründung der Universität Heidelberg durch Kurfürst Ruprecht I.

1400
Pfalzgraf Ruprecht III. (1352-1410) wird deutscher König

14./15.Jh.
allmählicher Ausbau der Burg zur Residenz (1343 Burgkapelle, 1388 Briefgewölbe erwähnt, ca. 1420/30 Ruprechtsbau)

Ende 15.Jh.
Ausbau der Schlossbefestigung (äußere Ringmauer bzw. Artilleriewall mit drei Türmen auf der Ostseite)

1.H.16.Jh.
Neubefestigung der südlichen und westlichen Schlossseite (Westwall, Rondell, Dicker Turm, Torturm) und weiterer Ausbau der Residenz (Frauenzimmerbau, Bibliotheksbau, Ludwigsbau, Ökonomiebauten) im überwiegend spätgotischen Stil durch Kurfürst Ludwig V. (1478-1544)

1518
Besuch Luthers in Heidelberg: Disputation seiner Thesen

1548-1559
Ausgestaltung der Residenz im Stile der Renaissance: Errichtung des Gläsernen Saalbaus durch Kurfürst Friedrich II. (1482-1556) sowie des Ottheinrichsbaus durch Kurfürst Ottheinrich (1502-1559)

1556
Einführung der Reformation in der Kurpfalz durch Ottheinrich

1561
Übergang zum Calvinismus unter Kurfürst Friedrich III.

1577
Lutherische Restauration unter Kurfürst Ludwig VI.

1584
Recalvinisierung unter Administrator Johann Casimir

1601-1604
Errichtung des Friedrichsbaus durch Kurfürst Friedrich IV. (1574-1610)

1619-1628
Kurfürst Friedrich V. (1596-1632) lässt die Residenz zu einer repräsentativen Schlossanlage umgestalten: Englischer Bau, Elisabethentor, Hortus Palatinus

1613
Heirat Kurfürst Friedrichs V. mit Elisabeth Stuart

1618
Beginn des Dreißigjährigen Krieges

1619
Friedrich V. nimmt als Führer der protestantischen Union die Wahl zum böhmischen König an

1620
Niederlage Friedrichs V. gegen Kaiser und katholische Liga

1622
Eroberung Heidelbergs durch Tilly, Übergabe des Schlosses, Raub der Bibliotheca Palatina

1648
Westfälischer Friede, Wiederinstandsetzung des Schlosses durch Kurfürst Karl Ludwig (1617-1680)

1688-1687
Pfälzischer Erbfolgekrieg: Besetzung der Pfalz durch französische Truppen

1689/93
Sprengung des Schlosses

1764
Großbrand nach Blitzeinschlag

 

2. Skizze der pfälzischen Territorial- und Herrschaftsgeschichte im Mittelalter

Der uns heute noch geläufige Landschaftsbegriff der Pfalz geht auf die Amtsbezeichnung der Pfalzgrafen zurück, denen seit merowingischer Zeit die Verwaltung der königlichen Pfalzen oblag, in denen die mittelalterlichen Herrscher zur Zeit des Reisekönigtums mit ihrem Gefolge beherbergt und versorgt wurden.

Von ursprünglich mehreren Pfalzgrafenämtern überdauerte allerdings nur dasjenige des Pfalzgrafen bei Rhein, welches König Friedrich II. im Jahre 1214 dem Wittelsbacher Ludwig I. von Bayern zu Lehen gab und das dann in dieser Familie erblich wurde. Der Pfalzgraf bei Rhein erlangte bald eine herausgehobene Stellung unter den Fürsten im Reich, indem er in den Kreis der Königswähler sowie zum Stellvertreter und Richter über den König aufstieg. Das Recht als einer der sieben Kurfürsten bei der Königswahl mitzuwirken und den König im Falle der Sedisvakanz in den rheinischen und schwäbischen Landen sowie in den Gebieten fränkischen Rechts als Reichsvikar zu vertreten wurde der pfälzischen Linie der Wittelsbacher 1356 im Reichsgrundgesetz der Goldenen Bulle von Kaiser Karl IV. bestätigt.

Ruprechtsbau

B 2  Wappenrelief Ruprechts III.mit Reichsadler, pfälzischem Löwen und bayerischen Rauten (Ruprechtsbau) © LMZ 324630

Die Pfalz als Territorium bildete sich allmählich seit staufischer Zeit heraus, wobei Bacharach, Alzey und Heidelberg zunächst noch drei gleichberechtigte Herrschaftszentren darstellten. Nach der Teilung des wittelsbachischen Gesamtterritoriums zwischen den Linien Pfalz und Bayern im Hausvertrag von Pavia (1329) kam zu den Besitzungen an Rhein und Neckar in der so genannten Unterpfalz noch ein Gebiet um Amberg in der Oberpfalz hinzu. Zusammen mit den Gebieten um Bacharach und Kaub, Alzey, Neustadt, Heidelberg und Weinheim gehörte auch dieses seit 1368 zum Kurpräzipuum, d. h. zu dem mit der pfälzischen Kurwürde fest verbundenen, unveräußerlichen und unteilbaren Territorialbestand. Im Laufe des 14. und 15. Jahrhunderts vergrößerte sich das zersplitterte Herrschaftsgebiet, teils durch die Übernahme von Reichspfandschaften (z. B. Kaiserslautern), teils durch eine von Kurfürst Friedrich I. dem Siegreichen (1425-1476) betriebene militärische Expansionspolitik erheblich, doch gingen große Teile dieser Erwerbungen infolge des pfälzisch-bayerischen Erbfolgekriegs (1504-09) wieder verloren.

Das Territorium der Kurpfalz zu Beginn des 16. Jh.

B 3  Das Territorium der Kurpfalz zu Beginn des 16. Jh.
© wikimedia commons

Im Gegensatz zu anderen Kurfürstentümern war und blieb die materielle Machtgrundlage der Kurpfalz relativ bescheiden. Der politischen Bedeutung der Kurpfalz tat dies jedoch keinen Abbruch. Wenngleich auch nach Ruprecht III. keiner seiner Nachfolger mehr die Würde eines deutschen Königs erlangen sollte, so genoss die Kurpfalz aufgrund ihrer reichsverfassungsrechtlichen Stellung doch auch weiterhin einen besonderen Rang und spielte im Laufe des 16. und 17. Jahrhunderts verschiedentlich eine Schlüsselrolle in der Reichspolitik.

Pfalzgraf Ruprecht III. als dt. König

B 4  Pfalzgraf Ruprecht III. als dt. König (Friedrichsbau)
© LMZ 091281

3. Zur historischen Bedeutung ausgewählter Herrscher der Kurpfalz im 16.-17. Jh.

Die Geschichte der Kurpfalz im 16. und 17. Jahrhundert ist eng verknüpft mit den durch Reformation und Gegenreformation, den Dreißigjährigen Krieg und die Ostexpansion Frankreichs geprägten Entwicklungen im Reich.

Kurfürst Ludwig V. (reg. 1508-1544), der nicht von ungefähr „der Friedfertige“ genannt wurde, betrieb nach der Katastrophe des pfälzisch-bayerischen Erbfolgekrieges eine auf Wiederaufbau, Konsolidierung und Sicherung seines Territoriums gerichtete Politik und war sowohl auf eine Versöhnung mit der bayerischen Linie als auch auf einen Ausgleich mit Kaiser Maximilian bedacht. Anlässlich der Wahl eines neuen Königs im Jahre 1519 ließ er sich seine Option für Karl V. mit Geld und der Bestätigung pfälzischer Privilegien teuer bezahlen.

Bedingt durch Luthers Auftreten im Heidelberger Augustinerkloster im Jahre 1518 kam er frühzeitig mit dessen Theologie in Berührung, bezog in der Auseinandersetzung um den rechten Glauben jedoch keine eindeutige Stellung. Zwar ging er im Verein mit Kurtrier und Hessen energisch gegen die unter dem Einfluss reformatorisch-antiklerikalen Gedankenguts aufbegehrende Reichsritterschaft um Franz von Sickingen vor (1522/23) und unterwarf die sich auf die Freiheitstheologie Luthers berufenden aufständischen Bauern seines linksrheinischen Landesteils in der Schlacht bei Pfeddersheim (1525). Doch standen dahinter mehr ordnungspolitische Erwägungen als religiöse Grundsatzüberzeugungen.

Auf Landesebene hat er die Ausbreitung der neuen evangelischen Lehre weder gefördert noch entscheidend behindert und sich in der Reichspolitik stets um eine Vermittlung zwischen den seit der Speyerer Protestation von 1529 zunehmend verhärteten Fronten der Konfessionsparteien bemüht.

Kurfürst Ludwig V

B 5  Kurfürst Ludwig V. (Originalskulptur vom Dicken Turm)
© LMZ 324611

Ludwigs Bruder und Nachfolger Kurfürst Friedrich II. (reg. 1544-1556) stand vor seinem Herrschaftsantritt in Heidelberg u. a. als Feldherr im Dienste der Habsburger und fungierte als Statthalter seines Bruders in der Kuroberpfalz. Unter dem Einfluss Dorotheas von Dänemark, die er 1534 geheiratet hatte, bekannte er sich persönlich zum Protestantismus und begann zögerlich die Reformation in der Kurpfalz einzuführen.

Obgleich im Schmalkaldischen Krieg von 1546 um Neutralität bemüht, geriet er in Konflikt mit Kaiser Karl V. und musste sich nach der Niederlage der evangelischen Stände auf das Augsburger Interim von 1548 verpflichten, dessen Einführung er in der Kurpfalz allerdings nur mit geringem Nachdruck betrieb.

Kurfürst Friedrich II.

B 6  Kurfürst Friedrich II. (Friedrichsbau) © A. Wilhelm

Friedrichs Neffe und Nachfolger Kurfürst Ottheinrich (reg. 1556-1559) führte lange Jahre das Leben eines Kleinfürsten in dem 1505 für ihn und seinen Bruder geschaffenen Fürstentum Pfalz-Neuburg an der Donau, nahe der Kuroberpfalz. Ohne umfassend humanistisch gebildet zu sein, war er doch vielseitig interessiert, reisefreudig und kunstsinnig, sammelte Waffen, Teppiche, Münzen und Bücher und tat sich nicht zuletzt als Bauherr hervor. Sein aufwendiger Lebensstil zog die Überschuldung des kleinen Fürstentums nach sich, worauf dessen Landstände 1544 für drei Jahre die Regierung übernahmen und Ottheinrich quasi als Privatmann nach Heidelberg ins Exil ging.

Die Tatsache, dass das von Ottheinrich bereits 1543 reformierte Fürstentum Pfalz-Neuburg dem Schmalkaldischen Bund beitrat, führte 1546 freilich zu einer Besetzung durch kaiserliche Truppen und zwang Ottheinrich noch länger, nämlich bis zur Restitution seines Fürstentums im Passauer Vertrag von 1552 in Heidelberg bzw. Weinheim zu bleiben.

Ein Jahr nach dem Abschluss des Augsburger Religionsfriedens von 1555 trat er die Nachfolge Friedrichs II. in Heidelberg an und wurde während seiner nur dreijährigen Regierungszeit als Kurfürst mit dem Erlass einer lutherischen Kirchenordnung, der Durchführung einer landesweiten Kirchenvisitation, der Reformierung der Universität sowie der Säkularisierung u. a. des Klosters Lorsch und des Heidelberger Heiliggeiststifts zum eigentlichen Reformator der Kurpfalz. Mit der Errichtung des Ottheinrichsbaus auf dem Heidelberger Schloss hat er sich während dieser Zeit ein steinernes Denkmal gesetzt.

Kurfürst Ottheinrich

B 7  Kurfürst Ottheinrich (Friedrichsbau) © A. Wilhelm

Kurfürst Friedrich IV. (reg. 1592-1610) war ein vergleichsweise schwacher Herrscher, der, wie ein Blick in sein Tagebuch beweist, mehr Gefallen an der Jagd und festlichen Gelagen fand denn am Regieren. In dieser Hinsicht verließ er sich weitgehend auf seine Räte, namentlich Christian I. von Anhalt-Bernburg, der als Statthalter in der Oberpfalz fungierte und v. a. die kurpfälzische Außenpolitik maßgeblich mitbestimmte.

Im Zeitalter der Gegenreformation reklamierte er einen Anspruch der inzwischen calvinistisch gewordenen Kurpfalz auf die Führung des deutschen Protestantismus, griff im Vorfeld des Dreißigjährigen Krieges in die reichspolitischen Auseinandersetzungen um die Auslegung des Augsburger Religionsfriedens ein und arbeitete erfolgreich auf ein Bündnis der evangelischen Reichsstände hin, das 1608 als protestantische Union gegründet wurde. Friedrich IV. selbst übernahm deren Direktorium.

Architektonisch fand die neue Anspruchshaltung der Kurpfalz ihren Ausdruck in der Errichtung des Friedrichsbaues auf dem Heidelberger Schloss. Seinen Nachruhm sicherte sich der an der Trunksucht früh verstorbene Herrscher überdies durch den 1606 begonnenen Ausbau Mannheims zu einer Festungsstadt.

Kurfürst Friedrich IV

B 8  Kurfürst Friedrich IV. (Friedrichsbau) © A. Wilhelm

Bedingt durch den frühen Tod seines Vaters kam Kurfürst Friedrich V. (reg. 1610-1623) in jungen Jahren zur Herrschaft. Am Hof des Herzogs von Bouillon in Sedan erzogen, umfassend gebildet und durch die französische Hofkultur geprägt, heiratete er 1613 Elisabeth Stuart, die Tochter König Jakobs I. von England, und verlebte mit ihr zunächst einige glückliche Jahre in Heidelberg. Ein märchenhaftes Hochzeitsfest, eine glanzvolle Hofhaltung, die Errichtung eines neuen standesgemäßen Wohntraktes für seine Gattin sowie die Anlage eines Gartens, der von den Zeitgenossen als 8. Weltwunder gepriesen wurde, begannen bald die finanziellen Ressourcen der Kurpfalz zu strapazieren.

Schlimmer war freilich, dass sich der junge Kurfürst u. a. unter dem Einfluss der außenpolitischen Zielsetzungen Christians von Anhalt dazu hinreißen ließ, die ihm angetragene böhmische Königskrone anzunehmen (1619) und damit die Kurpfalz und die Konfessionsparteien des Reiches in den beginnenden Dreißigjährigen Krieg hineinzog. Mit seiner Niederlage in der Schlacht am Weißen Berg, der Flucht ins holländische Exil, dem Verlust der Kurwürde und der Besetzung Heidelbergs durch kaiserliche Truppen unter Tilly (1622) ging die Glanzzeit der kurpfälzischen Geschichte und des Heidelberger Schlosses zu Ende.

Kurfürst Friedrich V. mit Inschrift am Dicken Turm

B 9  Kurfürst Friedrich V. mit Inschrift am Dicken Turm © A. Wilhelm

Nach dem Ende des Dreißigjährigen Krieges und der im Westfälischen Frieden festgeschriebenen Restitution der (8.) Kurwürde verfolgte Friedrichs V. Sohn, Kurfürst Karl Ludwig (reg. 1649-1680) eine Politik, die auf den Wiederaufbau des verwüsteten Landes, die Wiedererlangung verlorener Rechte und die Sicherung der territorialen Integrität gerichtet war. Dies konnte bestenfalls mit, sicher aber nicht gegen Frankreich, die diplomatisch wie militärisch überlegene Garantiemacht des Westfälischen Friedens gelingen. In dem Kalkül die Kurpfalz damit vor französischen Übergriffen zu schützen, verheiratete er 1671 seine Tochter Liselotte mit dem Bruder König Ludwigs XIV. Für letzteren passte diese Verbindung freilich vielmehr in das Konzept der geplanten Ostexpansion Frankreichs, was sich nach dem Tod Karl Ludwigs denn auch bald zeigen sollte.

Als Liselottes Bruder Kurfürst Karl (reg. 1680-1685) als letzter männlicher Vertreter des Hauses Pfalz-Simmern verstarb, erhob der französische König im Namen seiner Schwägerin Liselotte unrechtmäßigerweise Anspruch auf deren vermeintliches pfälzisches Erbe und begann 1688 unter diesem Vorwand einen Krieg zur Absicherung seiner bisherigen Reunionspolitik.

Im Verlauf dieses Krieges, der sich bald zu einem universellen Abwehrkampf der europäischen Mächte gegen die französischen Hegemonialbestrebungen ausweitete und erst 1697 im Frieden von Rijswijk mit einer Niederlage für Ludwig XIV. endete, wurde die Pfalz von französischen Truppen planmäßig verwüstet, die Stadt Heidelberg in den Jahren 1689 und 1693 zweimal eingenommen und das Schloss systematisch zerstört.


3. Anlage

1. Baugeschichte

Die Baugeschichte des Heidelberger Schlosses ist außerordentlich komplex, da es sich nicht um ein geschlossen konzipiertes und innerhalb kurzer Zeit errichtetes Bauwerk handelt, sondern um eine historisch gewachsene Anlage, die durch Um- und Anbauten im Laufe von über 500 Jahren immer wieder verändert worden ist. Andererseits wird das Heidelberger Schloss gerade dadurch, dass ihm die Entwicklungen und Ereignisse verschiedener Epochen ihren Stempel aufgedrückt haben, zu einer besonders reizvollen historischen Quelle, bei der es unendlich viel zu entdecken gibt.

Über die Anfänge der Burganlage auf dem Jettenbühl über Heidelberg ist wenig bekannt. Weder der genaue Entstehungszeitpunkt noch das ursprüngliche Aussehen können als gesichert gelten. Die ältesten Mauern im Bereich des heutigen Schlosses werden in das 13. Jahrhundert datiert, doch wurde die Burg vermutlich schon im 12. Jahrhundert gegründet. Sie befand sich zunächst in der Hand des Bistums Worms und gelangte 1225 zunächst als wormsisches Lehen in den Besitz des ersten Pfalzgrafen aus dem Hause Wittelsbach.

An der Kreuzung wichtiger Verkehrswege gelegen, diente sie im 13. Jahrhundert in erster Linie der Sicherung der pfalzgräflichen Herrschaft im Rhein-Neckar-Raum, war aber noch nicht ständige Residenz. Bauhistorische Untersuchungen lassen darauf schließen, dass es sich um eine Anlage vom Typ einer Hausrandburg gehandelt haben könnte, die einen im Nordosten des heutigen Schlossgevierts zu lokalisierenden Palas aufwies und möglicherweise bereits mit einem oder mehreren Türmen gesichert war.

Die Erwähnung weiterer Bauten wie einer Kapelle und eines Briefgewölbes in der schriftlichen Überlieferung des 14. Jahrhunderts deutet darauf hin, dass die Burg seit dieser Zeit allmählich zur Residenz ausgebaut wurde und damit auch die Funktion eines ständigen Regierungssitzes an sich zog. Im Zuge des Aufstiegs der Pfalzgrafen zu Kurfürsten und spätestens mit dem Königtum Ruprechts III. rückte darüber hinaus die Bedeutung der Burg als ein Ort der standesgemäßen Repräsentation immer mehr in den Vordergrund. In das frühe 15. Jahrhundert datiert jedenfalls das Erdgeschoss des nach König Ruprecht benannten Gebäudes in der Südwestecke des Schlosshofes, in dem sich zwei Säle befinden, die mit ihren wappengeschmückten spätgotischen Gewölben einen durchaus repräsentativen Rahmen für höfische Feste geboten haben dürften.

Wohl gegen Ende des 15. Jahrhunderts wurde die Burg mit einer zweiten Ringmauer umgeben, die an der Ostseite mit drei starken Türmen (Glockenturm, Apothekerturm und Kraut- oder Pulverturm) gesichert war. Die doppelte Mauerführung ist heute allerdings nur noch in Ansätzen auf der Süd- und Westseite des Schlosses erkennbar, da der zwischen den Mauern liegende Raum in späterer Zeit weitgehend überbaut worden ist.

Eine grundlegende Umgestaltung erfuhr die Burg in den 1520/30er Jahren unter Kurfürst Ludwig V. Die damaligen, das Aussehen des Heidelberger Schlosses bis heute prägenden Veränderungen betrafen sowohl die Wohngebäude als auch die Wehranlagen: Aus der Burg wurde ein Festes Schloss.

Modell der Schlossanlage um 1544

B 10  Modell der Schlossanlage um 1544 © A. Wilhelm

Schloss Heidelberg aus Nordost

B 11  Schloss Heidelberg aus Nordost © LMZ 322536

Der frühneuzeitliche Wandel der Waffen- und Belagerungstechnik gab Anlass zu einer Befestigung, die einesteils eine größere Widerstandsfähigkeit gegen einen Angriff mit schweren Feuerwaffen aufwies, andernteils eine selbstständige Kampfführung mit Geschützen ermöglichte.

Seltenleer, Graben und Westwall

B 12  Seltenleer, Graben und Westwall © A. Wilhelm

Aus diesem Grunde wurde der äußeren Ringmauer im Westen ein starker Wall mit einer Kanonenplattform (dem so genannten Stückgarten), einem Rondell und einem außerordentlich starken Geschützturm (dem so genannten Dicken Turm) vorgelegt sowie der Zugangsbereich auf der besonders gefährdeten Bergseite mit Brückenhaus, Brücke und Tortum neu gestaltet.

Brückenhaus mit Zugplanke

B 13  Brückenhaus mit Zugplanke © A. Wilhelm

Steinmetzzeichen am Torturm Steinmetzzeichen am Torturm
B 14  und B 15  Steinmetzzeichen am Torturm © A. Wilhelm

Parallel dazu entstanden unter der Leitung des Architekten Lorenz Lechler in großem Umfang Repräsentations-, Wohn- und Wirtschaftsgebäude. Neben dem in seiner ursprünglichen Form heute nicht mehr erhaltenen Frauenzimmerbau mit einem Festsaal und Wohnräumen für die Kurfürstin und ihr Gefolge entstand damals der so genannte Bibliotheksbau mit einer Herrentafelstube im 1. Obergeschoss. Der alte Ruprechtsbau wurde aufgestockt und auf der gegenüberliegenden Seite des Schlosses der so genannte Ludwigsbau aufgeführt. An der dazwischen liegenden südlichen Hofseite entstanden weitläufige Ökonomiegebäude mit einer Brunnenhalle, einem Back- und einem Schlachthaus, Vorratskammern, Küchen und Speiseausgabe sowie Wohnräumen für das Hofgesinde.

Brunnenhalle

B 16  Brunnenhalle © A. Wilhelm

Herrenküche

B 17  Herrenküche © A. Wilhelm

Im Zuge des weiteren Um- und Ausbaus des Heidelberger Schlosses trat der wehrhafte Charakter der von Ludwig V. geschaffenen Anlage immer mehr hinter der Betonung ihrer repräsentativen Funktion in Gestalt von einzelnen Palästen zurück. Unter Friedrich II. entstand in der Nordostecke des Schlosshofes anstelle des mittelalterlichen Palas ab ca. 1546 der so genannte Gläserne Saalbau, dessen Name sich von einem einstmals im obersten Geschoss befindlichen mit venezianischem Spiegelglas geschmückten Prunksaal herleitet.

Gläserner Saalbau © A. Wilhelm

B 18  Gläserner Saalbau © A. Wilhelm

Sein Nachfolger ließ auf der sich an diesen Bau anschließenden Freifläche ab 1556 den berühmten Ottheinrichsbau errichten.

Ottheinrichsbau © LMZ 499497

B 19  Ottheinrichsbau © LMZ 499497

Zu Beginn des 17. Jahrhunderts entstand unter Friedrich IV. über den Fundamenten der alten Burgkapelle der nach ihm benannte Friedrichsbau mit seinem der Stadt zugewandten großen Altan.

Friedrichsbau

B 20  Friedrichsbau © A. Wilhelm

Eine in ihrer Tendenz auf eine Entfestigung des Schlosses hinauslaufende Entwicklung brachten schließlich die Baumaßnahmen Friedrichs V. Um seiner Frau Elisabeth, der Tochter König Jakobs I. von England, ein standesgemäßes Ambiente bieten zu können, ließ er ab 1612 auf dem vom Friedrichsbau zum Dicken Turm ziehenden Verteidigungswall den so genannten Englischen Bau errichten.

Elisabethentor mit Englischem Bau

B 21  Elisabethentor mit Englischem Bau © LMZ 325175

Das Obergeschoß des angrenzenden Dicken Turms wandelte er in einen Fest- und Theatersaal um, den Westwall Ludwigs V. gestaltete er in einen privaten Lustgarten um und auf der Ostseite des Schlosses ließ er gewaltige Terrassen zur Anlage eines fürstlichen Repräsentationsgartens, des so genannten Hortus palatinus, aufschütten.

Ansicht des Hortus palatinus

B 22  Ansicht des Hortus palatinus (Fouquières) © LMZ 304259

Die Gesamtanlage des Schlosses wurde durch diese Veränderungen stark geschwächt. Zwar versuchte man den Nachteil noch zu Beginn des Dreißigjährigen Krieges durch die Anlage von Schanzen auf den umliegenden Höhen bzw. Anfang der 1680er Jahre unter Karl II. durch die Errichtung einer Bastion vor dem Glockenturm auszugleichen, doch konnten diese Maßnahmen weder die Einnahme des Schlosses durch Tilly im Jahre 1622 noch seine Eroberung durch die Franzosen im Jahre 1689 verhindern.
Der heutige ruinöse Zustand des Schlosses geht im wesentlichen auf die von französischen Truppen im Pfälzischen Erbfolgekrieg verursachten planmäßigen Sprengungen, aber auch auf mangelnden Wiederaufbauwillen nach der Verlegung der kurpfälzischen Residenz nach Mannheim sowie nicht zuletzt auf die im Jahre 1764 durch Blitzschlag verursachten Feuerschäden zurück.

Gesprengter Turm (Kraut- oder Pulverturm)

B 23  Gesprengter Turm (Kraut- oder Pulverturm) © LMZ 322172

Ruine des Dicken Turms

B 24  Ruine des Dicken Turms © A. Wilhelm

2. Stilmerkmale und Architekturprogramm ausgewählter Bauten

Die aufstrebenden Bauten des Heidelberger Schlosses sind im Wesentlichen zwischen dem frühen 16. und dem frühen 17. Jahrhundert errichtet worden und lassen sich stilgeschichtlich der Spätgotik, der Renaissance und dem Manierismus zuordnen.

Der Ruprechtsbau, das älteste erhaltene Gebäude, ist ein äußerlich schlicht wirkender Bau, dessen Fenstergewände noch Spuren von Maßwerk aufweisen, der sich aber v. a. aufgrund der Kreuzrippengewölbe in den beiden im Erdgeschoss liegenden Sälen als gotisches Bauwerk zu erkennen gibt. Dies gilt auch für das aus der Zeit um 1425 stammende Engelrelief über dem Eingang, über dessen konkrete Bedeutung bis heute gerätselt wird, das im Grundsatz aber ein schönes Beispiel für eine mittelalterliche Plastik mit transzendenter Bedeutung (evtl. Sinnbild des rechten Baumaßes) darstellt.

Engelrelief am Ruprechtsbau

B 25  Engelrelief am Ruprechtsbau © A. Wilhelm

Stilmerkmale der gotischen Sakralarchitektur finden sich auch an den anderen Bauten Ludwigs V., namentlich an der Brunnenhalle mit ihrem Rippengewölbe und den umlaufenden Spitzbogenarkaden sowie am hofseitigen Erker des Bibliotheksbaus.

Erker am Bibliotheksbau

B 26  Erker am Bibliotheksbau © LMZ 322265

Demgegenüber ist der Gläserne Saalbau Friedrichs II., obgleich noch mit einem gotischen Treppengiebel versehen, schon weitgehend dem Stil der Renaissance verpflichtet. Dies zeigt sich sowohl an der ganz andersartigen, durch drei Rundarkadengeschosse aufgelockerten Gestaltung der Fassade als auch in den architektonischen Details wie etwa dem korinthischen Kapitell der Säule im Erdgeschoss.

Die Paläste Ottheinrichs und Friedrichs IV. zählen zu den bedeutendsten Denkmälern deutscher Renaissancearchitektur. Die reiche Gliederung und Formensprache ihrer Schaufassaden greift auf Vorbilder der italienischen und niederländischen Renaissance bzw. auf Architekturelemente der Antike zurück: Dreiecksgiebel, Gesimse, Pilaster und Säulen dorischer, ionischer und korinthischer Ordnung, Medaillons und nicht zuletzt vollplastische Skulpturen, die Menschen, Heldengestalten und heidnische Götter lebensnah bzw. in irdischer Vollkommenheit abbilden und somit die neuzeitliche Weltzugewandtheit des Renaissancezeitalters anschaulich widerspiegeln.

Portal des Ottheinrichsbaus

B 27  Portal des Ottheinrichsbaus © LMZ 320925

Dabei sind weder die Figuren des Ottheinrichsbaus noch diejenigen des Friedrichsbaus als bloße Dekoration anzusehen, sondern als Ausdruck der humanistischen Denkungsart bzw. des fürstlichen Selbstverständnisses ihrer Erbauer aufzufassen: Am Ottheinrichsbau finden sich insgesamt 16 von Alexander Colin geschaffene Statuen. Im untersten Geschoss sind dies mit Josua, Samson und David drei gegen die Feinde Israels streitende Helden aus dem Alten Testament sowie mit Herkules ein Held der griechischen Sage.


David Herkules
B 28  David und B 29  Herkules © A. Wilhelm

Im zweiten Geschoss finden sich Verkörperungen der Kardinaltugenden Stärke, Glaube, Liebe, Hoffnung und Gerechtigkeit, die anhand der ihnen beigegebenen Symbole (Säule, Bibel, Kinder, Anker, Waage) identifiziert werden können.

Glaube

B 30  Glaube © A. Wilhelm

Gerechtigkeit

B 31  Gerechtigkeit © A. Wilhelm

Darüber finden sich die heidnischen Götter Saturn, Mars, Venus, Merkur und Luna sowie zuoberst Sol und Jupiter.

Mars in kriegerischer Rüstung Luna mit Mondsichel

B 32  Mars in kriegerischer Rüstung und B 33  Luna mit Mondsichel © A. Wilhelm

Wenn man bedenkt, dass der Auftraggeber des Palastes ein Reichsfürst war, der die Antikenbegeisterung seiner Zeit teilte und sich für Astrologie interessierte, überrascht jeweils für sich genommen weder die Bezugnahme auf die Planetengötter noch die Verherrlichung von Tugenden, die in besonderem Maße auch für einen christlichen Herrscher galten.

Eine tiefere Bedeutung des Figurenprogramms ergibt sich nach einer von Hanns Hubach vorgeschlagenen Interpretation jedoch erst aus der Zusammenschau der drei alttestamentarischen Helden, der Figur des Herkules und der Gestalt der religiösen Tugend. Letztere ist bezeichnender Weise mit einem Buch, d. i. die Bibel, dargestellt und erscheint so als Personifikation des protestantischen Glaubens. In Anbetracht der Tatsache, dass es Ottheinrich war, der die Reformation in der Kurpfalz eingeführt hat, erscheint es keineswegs abwegig, die Figur des Herkules mit dem Erbauer des Palastes selbst zu identifizieren, der nach dem Vorbild der alttestamentarischen Helden den wahren Glauben gegen die Feinde des Protestantismus verteidigt. Die Fassade des Ottheinrichsbaus wäre damit in einem engeren Sinne als regelrechtes Herrschaftsprogramm bzw. als persönliche Herrschaftslegitimation eines protestantischen Reichsfürsten aufzufassen.

Eine ähnliche Bedeutung lässt sich auch der Fassade des Friedrichsbaus beimessen. Sie zeigt mit insgesamt 16 von Sebastian Götz geschaffenen Skulpturen eine auf den Erbauer des Palastes zulaufende steingewordene Ahnengalerie. Idealerweise bis auf Karl den Großen zurückgehend und einige der ranghöchsten und bedeutendsten Vertreter der Dynastie herausgreifend unterstreicht sie den Macht- und Führungsanspruch des kurfürstlichen Hauses und gibt der Herrschaft Friedrichs IV. mit dem Verweis auf die geschichtliche Tradition eine feste Legitimationsgrundlage.

Der im Auftrag Friedrichs V. zwischen 1616 und 1619 von dem aus Nordfrankreich stammenden Ingenieur und Gartenarchitekten Salomon de Caus geschaffene Hortus Palatinus gilt als Hauptbeispiel eines manieristischen Terrassengartens in Deutschland. Die auf Gartenideen der Antike (Vitruv) bzw. der italienischen Renaissance (Alberti) zurückgreifenden Pläne zu dieser Anlage sind in einem von de Caus im Jahre 1620 publizierten, mit vielen Stichen versehenen Werk anschaulich dokumentiert.

Von seiner Funktion her war der Garten der Renaissance ein Ort, der gleichermaßen die Sinne wie den Geist erfreuen und anregen und dadurch Erholung bieten, zugleich aber auch eine repräsentative Wirkung entfalten sollte. Durch die Anlage geometrisch-regelmäßiger, in sich geschlossener und doch abwechslungsreich gestalteter Beetkompartimente, die mit anspielungsreichen Pflanzformationen und Skulpturen, mit Brunnen, Grotten und Wasserkünsten dekoriert waren, entstand ein Gesamtkunstwerk, in dem sich das auf die Beherrschung der Natur gerichtete, schöpferische Selbstbewusstsein der Renaissancezeit exemplarisch widerspiegelt.

Große Grotte mit Flussgott Rhein

B 34  Große Grotte mit Flussgott Rhein © A. Wilhelm

Inwieweit die von de Caus geplante Heidelberger Anlage wirklich fertig gestellt wurde, ist nicht genau bekannt. In den Arbeitsmaterialien finden daher nur diejenigen Teile des Gartens nähere Betrachtung, von deren Vollendung anhand der schriftlichen Überlieferung sicher ausgegangen werden kann bzw. von denen noch heute Spuren erhaltenen sind (u. a. Portal der Großen Grotte, Bassin mit Flussgott Rhein, Ovale Treppe, Kabinette, Pomeranzenhain, Monatsblumenbeet).

Ovale Treppe und gewundene Säulen der Kabinette

B 35  Ovale Treppe und gewundene Säulen der Kabinette © A. Wilhelm

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