Hintergrundinformationen
Bedeutung
"Schwetzingen - Die kurfürstliche Sommerresidenz - Gartenkunstwerk und freimaurerische Idee" lautet der Titel für den Antrag der Stadt Schwetzingen auf Aufnahme in die Liste der Welterbestätten der UNESCO im Jahr 2007.
Seine Bekanntheit verdankt Schwetzingen im Wesentlichen dem Kurfürsten Carl Theodor, der während seiner Zeit in Mannheim zwischen 1742 und 1778 Schwetzingen zur repräsentativen Sommerresidenz umgestalten ließ. Streng jesuitisch erzogen und beraten, schuf er in der Schloss- und Gartenanlage ein Juwel des Rokoko am Übergang zum Klassizismus.
Der absolutistische Herrscher Carl Theodor (1724-1799) war von dem Zeitgeist der Aufklärung durchdrungen. Im Gegensatz zur theologischen Auffassung, dass der Mensch auf die göttliche Offenbarung angewiesen sei, strebte die Geistesbewegung der Aufklärung nach dem selbstverantwortlichen Menschen an: Dieser drängt aus seiner selbstverschuldeten Unmündigkeit zur Freiheit, aus der Dunkelheit irrationaler Triebe, Ängste und Aberglauben zum Licht der Erkenntnis. Im Englischen steht dafür der Begriff "enlightment", im Französischen spricht man vom "siècle lumière".
Das Schwetzinger Schloss wurde zur Sommerresidenz. Der gesamte Hof weilte von Frühjahr bis Herbst hier und somit wurden repräsentative bauliche Veränderungen notwendig. Die zwischen 1711 und 1713 erschaffene dreiflügelige Schlossanlage wurde um den nördlichen und südlichen Zirkelbau erweitert, große Gebäudekomplexe in unmittelbarer Nähe zum Schloss errichtet. Fast alle bedeutenden Baumeister, die in Mannheim wirkten, gestalteten die Schlossgebäude und die barocke Stadt Schwetzingen mit. Der Funktion als Sommerresidenz war es zu verdanken, dass berühmte Persönlichkeiten wie Mozart und Voltaire nach Schwetzingen kamen.
Überragende Bedeutung aber erlangte der Schlossgarten. Der Gartenbaumeister Nicolas de Pigage (1723 - 1786) löste sich nach und nach von dem "Garten der Allegorien" nach französischem Vorbild und gestaltete diesen in einen "Garten der Vernunft" um, nach freimaurerischer Auslegung ein Gartenprogramm als einer von zahlreichen Wegen, die von der Unwissenheit zur Erkenntnis führen.
Der frühklassizistische Minerva-Tempel zählt mit den Bauten des Parks Wörlitz zu den frühesten Beispielen des antikisierenden Stils in Deutschland. Minerva ist die Göttin des Friedens, der Künste und der Wissenschaft, der Gartenkunst.
Die Schwetzinger Moschee ist das einzig erhaltene Beispiel der im 18. Jahrhundert so verbreiteten Gartenmoscheen. Der monumentale Umfang und das inhaltliche Programm gehen weit über die orientalisierten Bauten ihrer Zeit hinaus. Die Auseinandersetzung mit der islamischen Religion und der fremden Kultur ist in zahlreichen Inschriften, im Bauschmuck und in der Architektur greifbar.
Die Liste der Bedeutsamkeiten lässt sich unschwer verlängern. Welchen Eindruck die Anlage auf die Zeitgenossen machte, mag man daran erkennen, dass der Schlossgarten von Drottningholm in Schweden dem Schwetzinger Vorbild weitgehend folgt.
Zum Ensemble des Schlosses sind auch die Straßenanlagen in der Innenstadt in der Verlängerung der Schlossachse zu zählen. Zahlreiche Bauten aus dem 18. Jahrhundert sind rings um den heutigen Schlossplatz und der Carl-Theodor-Straße erhalten und runden das einheitliche Bild von Schloss und Garten ab.
Geschichte
1. Schloss und Schlossgarten
Sommerresidenz Carl Theodors - Das Architektur gewordene Selbstverständnis eines absolutistischen Herrschers
© Andreas Moosbrugger
Kurfürst Carl Philipp erhob 1719 Schwetzingen zur ständigen Sommerresidenz. Tatsächlich war Schwetzingen bis zur Fertigstellung des Mannheimer Schlosses ständiger Aufenthaltsort des Hofes. Schwetzingen war in jenen Jahren noch weit entfernt von dem Bild, das man heute antrifft: Die Schäden des Orléansschen Erbfolgekrieges waren erst 1708 überwunden, die Flügelbauten des Schlosses 1715 fertig gestellt. Schloss und Prinzenhaus dienten als Unterkunft für die kurfürstliche Familie, die Minister und die Gäste. Viele der Hofbediensteten mussten sich im Ober- oder Unterdorf Schwetzingens ein Quartier suchen.
Nach dem Tod von Carl Philipp (1742) trat Carl Theodor aus dem Haus Pfalz-Sulzbach seine Nachfolge an. Unter ihm wurde Schwetzingen zu einer repräsentativen Schloss- und Stadtanlage umgebaut.
Das mittelalterliche Wasserschloss war zwar mehrfach zerstört worden, der zentrale Bau aber überstand die Verwüstungen, auch die des Orléansschen Erbfolgekrieges. Adam Breunig stellte die Dreiflügelanlage der Wirtschaftsgebäude mit der Hofkirche zwischen 1711 und 1713 wieder her. Das Schloss erhielt den modernen Charakter einen Dreiflügelanlage um einen Ehrenhof.
Einen gewaltigen Aufschwung erfuhr die Anlage, nachdem Schwetzingen zur Residenz ernannt wurde. Carl Theodor (1724-1799) entfaltete eine rege Bautätigkeit. Die Dreiflügelanlage wurde um den nördlichen Zirkelbau, in dem auch das Hoftheater entstand, und den südlichen Zirkelbau erweitert. Die Vervollständigung einer Kreisanlage scheiterte an den finanziellen Möglichkeiten. Auch zahlreiche weitere Bauprojekte scheiterten daran.
Alessandro Galli da Bibiena (ca. 1700 bis 1774) begann mit den Arbeiten zum nördlichen Zirkelbau. Franz Wilhelm Rabaliatti (1716-1782) vollendete die dortigen Anlagen. 1753 wurden die Baumaßnahmen am südlichen Zirkelbau aufgenommen. 1752 erstellte Nicolas de Pigage das Schlosstheater im schönsten Rokokostil.
Während die Arbeiten am südlichen Zirkel unter der Leitung von Pigage fortschritten, gestaltete der Zweibrücker Hofgärtner August Petri die Gartenanlage um. Nach Petris Rückkehr nach Zweibrücken 1758 führte Pigage die Arbeiten an dem französischen Garten fort. Das benötigte Gelände wurde "eingezogen" und die Entschädigungen erst nach langwierigen Auseinandersetzungen mit der Hofkammer bezahlt.
Das neue Orangeriegebäude wurde 1761 errichtet. Parallel dazu legte man den Orangerie-Garten an. Der Hain des Apollo wurde 1764 fertig gestellt, der Minerva-Tempel 1766. An weiteren Bauten folgten in dieser Zeit der Tempel der Botanik und die ruinenartige römische Wasserleitung.
Den Grundstein zu dem fürstlich ausgeschmückten Badhaus legte man 1769. In seinem Umfeld errichtete man ein Achathaus, ein mit Delfter Kacheln ausgeschmücktes Häuschen, das Ensemble der wasserspeienden eisernen Vögel mit dem Vogelbad sowie die Perspektivmalerei.
Weite Teile des nördlichen Gartens wurden als so genannter Aha-Garten angelegt: In jeder Nische, um jede Biegung des Weges erblickte der Besucher neue Skulpturen oder Wasserspiele.
Den englischen Garten legte Friedrich Ludwig Sckell (1722 - 1792) in den Jahren 1776 und 1777 an. Dort wurde ein römisches Grabmal als Ruine nach einem italienischen Vorbilds ausgeführt.
Der Türkenmode der Epoche folgend erbauet man zwischen 1778 und 1784 eine Moschee und legte einen dazu gehörigen Garten an.
2. Die Residenzstadt
Entwicklung von Schloss und Stadt in Schwetzingen als städtebauliche Einheit von 1717 bis zur Gegenwart
© Stadtarchiv Schwetzingen
Plan des Dorfes Schwetzingen aus dem Jahr 1717
© Stadtarchiv Schwetzingen
Zur Zeit Carl Philipps bestand Schwetzingen aus einem Oberdorf und einem Unterdorf, die räumlich deutlich voneinander getrennt waren. Es dauerte bis zum Jahr 1759, dass Kurfürst Carl Theodor eine Aufwertung des Umfeldes seiner Sommerresidenz für angebracht hielt: In diesem Jahr erhob er Schwetzingen zum Marktflecken. Die Verleihung dieses Prädikats war mit manchen Privilegien verbunden: Die Fronleistungen wurden gemindert, die Gemeinde konnte ein Wegegeld erheben, es wurde ihr ein niedriges Gerichtsrecht zugestanden, und sie konnte verschiedene Märkte abhalten. Das Marktrecht war die Grundlage für einen entscheidenden wirtschaftlichen Aufschwung des Ortes.
In den 1740er Jahren wurde der Schlossplatz angelegt. Er befand sich in der Verlängerung der Achse des Schlossgartens, deren Linie sich noch heute deutlich sichtbar vom Königsstuhl bei Heidelberg zur Kalmit in der Pfalz zieht. An der nördlichen Seite des Platzes lag und liegt das Palais des Baumeisters Franz Wilhelm Rabaliatti. Zwischen diesem und dem Schlosseingang befand sich das weitläufige Areal des Gartenhauses von Jesuitenpater Seedorf, dem Erzieher des jugendlichen Carl Theodor. An der gegenüberliegenden südlichen Seite wurde die Kaserne für die Leibgarde errichtet. In den Bürgerhäusern, die sich daran anschlossen, wohnten die ledigen Hofbediensteten, die Musiker und Schauspieler.
In der östlichen Verlängerung des Schlossplatzes erwarb Carl Theodor 1759 den Marstall des Prinzen Friedrich zu Pfalz-Zweibrücken und ließ ihn für seine eigenen kurfürstlichen Zwecke umbauen. Es nimmt noch heute die Länge eines Straßenquadrats ein.
Weiter in Richtung Heidelberg schloss sich das Franziskanerkloster an, von dem heute nichts mehr zu sehen ist. Es wurde 1770 von Nicolas de Pigage erbaut und bestand bis 1802.
Im unmittelbaren Anschluss an das Schloss befand sich auf seiner nördlichen Seite in einem lang gestreckten Bau die Schlossküche. Heute ist darin die Rechtspflegerschule untergebracht.
In der Forsthausstraße lagen das Palais des Fürsten von Ysenburg (heute eine Wohnanlage) und das des kurpfälzischen Oberjägermeisters, des Grafen von Waldburg (derzeit Forstamt).
Plan von Schwetzingen (nach 1748)
© Stadtarchiv Schwetzingen
An seiner südlichen Seite wird das Schloss noch heute vom Oberen Wasserwerk überragt (derzeit Teil des Finanzamts). Unter seinem Dach befindet sich in kurfürstlicher Zeit ein Wasserbehälter, der die Wasserspiele im Schlosspark ermöglicht hat. Im Keller des Gebäudes befand sich die Vorratskammer, in dem die Zehntabgaben eingelagert wurden. Das Eis aus dem im Winter zugefrorenen Schlossteich ermöglichte es, die Nahrungsmittel bis zum Sommer hin aufzubewahren. Der nördliche Schlossflügel und das davor liegende Pagenhaus (heute vom Finanzamt genutzt) rundeten die Anlage auf dieser Seite ab.
Am Nordrand des Schlossparks, nahe dem Leimbach, lag die Invalidenkaserne. Zunächst Baumagazin, wurde der Bau Kaserne des kurpfälzischen Garderegiments, danach Unterkunft des Invalidenkorps. Heute befindet sich in dem Gebäude unter anderem die Stadtbibliothek.
3. Zeitleiste
766
Der Ort Schwetzingen wird erstmals erwähnt.
1288
Die Pfalzgrafen erwerben Landbesitz in Schwetzingen.
1350
Elisabeth von Schomberg stellt ihre Burg bei Schwetzingen dem Pfalzgrafen Ruprecht zur Verfügung.
1427
Die Burg wird Eigentum der Pfalzgrafen bei Rhein.
1508-1541
Ludwig V. baut ein neues Schloss.
1635
General Gallas zerstört das Schloss.
1655-1658
Luise von Degenfeld baut das Schloss wieder auf.
1689
Im Orléansschen Krieg wird das Schloss erneut zerstört.
1698-1701
Das Gebäude wird von Adam Breunig als Dreiflügelanlage ohne Hofmauer wieder aufgebaut.
1707
Das erste Schulhaus der Lutheraner wird erbaut.
1711-1713
Adam Breunig stellt die Dreiflügelanlage der Wirtschaftsgebäude mit der Hofkirche wieder her.
1715-1717
Der Westbau wird angefügt.
1718
Allessandro Galli da Bibiena errichtet die alte Orangerie.
1720
Schwetzingen wird Sommerresidenz. Die heutige Carl-Theodor-Straße auf der Achse Königstuhl - Kalmit wird angelegt.
1747
Der Schlossbau wird als Jagdstern projektiert.
1748-1750
Allessandro Galli da Bibiena und Guillaume d'Hauberat erbauen den nördlichen Zirkelbau.
1748
Unter der Leitung von Bibiena wird die "Neue Stadt" zwischen Oberdorf und Unterdorf angelegt. Es entsteht ein Markplatz mit vier sich nach Osten anschließenden Bauquadraten.
1749
Nicolas de Pigage wird Hofarchitekt und Bauleiter.
1753-1754
Nicolas de Pigage errichtet das nordwestliche Zirkelhaus.
1753
Pigage, Rabaliatti und Neumann projektieren eine neue Sommerresidenz.
1754
Guiseppe Antonio Albucci stattet den Speise- und Spielsaal im südwestlichen Zirkel aus.
1755
Rabaliatti erbaut das gleichnamige Palais am Schlossplatz.
1758
Rabaliatti erbaut den Kirchturm von St. Pankratius.
Bau verschiedener Bürgerhäuser durch Rabaliatti.
1754
Bau der Heuscheuer in der neuen Mannheimer Straße.
1756
Fertigstellung der Kaserne für die kurfürstliche Leibgarde zu Pferde.
1761-1775
Das alte Corps de Logs wird verändert.
1761-1764
Ein neuer Küchenflügel wird gebaut.
1777
Carl Theodor wird am 31.12. 1777 Kurfürst von Pfalz-Bayern und zieht mit seinem Hof nach München um.
1803
Die rechtsrheinische Pfalz fällt an Baden.
1804
Man stattet das Hochberg-Apartment aus.
1806-1860
Großherzogin Stephanie richtet das erste Obergeschoss neu ein.
1919
Das Schwetzinger Schloss wird zum Museum.
1975-1991
Das gesamte Corps de Logis wird restauriert.
Anlage
Die Gemarkung Schwetzingen
Die Gemarkung Schwetzingen erstreckt sich über etwa 9 km von Norden nach Süden. Der Gemarkungsteil Schwetzinger Wiesen, der fast an den Rhein grenzt, ist durch die 1,5 km breite Gemarkung Brühl von der eigentlichen Schwetzinger Gemarkung getrennt. Die Höhenunterschiede der in der Rheinebene liegenden Gemarkung reichen von 93 m bis 109 m. Drei verschiedene Naturräume gliedern diese Fläche: die Rheinaue, die Niederterrasse und der Neckarschwemmfächer. Der Leimbach durchquert den Neckarschwemmfächer, um in den Rhein zu münden, und unterbricht so die Dünen- und Sandgebiete der Niederterrasse. Im Norden liegen der Ortsteil Hirschacker und ein Wald, der teilweise als Truppenübungsplatz genutzt wird.
Die Stadt und das Schloss Schwetzingen
Die Stadt Schwetzingen ist durch den Schlossgarten und die Bahnlinie sowie offenes Gelände in drei Teile gegliedert: die Stadt, die Oststadt und der Ortsteil Hirschacker.
Die eigentliche Stadt ist durch ihre Baugeschichte deutlich untergliedert. Die alten Siedlungsstrukturen folgten dem (mittlerweile begradigten) Leimbach und der Straße über Plankstadt nach Heidelberg. Im Süden, entlang dem Leimbach und an der heutigen Karlsruher Straße gelegen, zieht sich das Oberdorf hin. Nördlich des Schlossplatzes liegt das Unterdorf. Zwischen diesen beiden alten Ortsteilen liegt die barocke Kernstadt, die unter Carl Theodor errichtet wird. Sie folgt der Achse des Schlossgartens, die nach der Linie Königsstuhl - Kalmit ausgerichtet ist.
- Arbeitskreis Landeskunde/Landesgeschichte RP Karlsruhe -