Hintergrundinformationen
Geschichte
Sozialpolitik durch Sozialdisziplinierung im aufgeklärten Absolutismus der Kurpfalz am Beispiel der Finanzierung des Mannheimer Zucht-, Irren- und Waisenhauses
- Der aufgeklärte Herrscher sorgte im Rahmen seiner Möglichkeiten für die "Wohlfahrt" seiner Untertanen.
- Ziel solcher Armenfürsorge war der Staatsnutzen und die polizeiliche Kontrolle "gesellschaftsschädigender Elemente."
- Kriminelle, Arbeitsscheue, Landstreicher, Geisteskranke und sonstige "unnütze" Menschen wurden in Zuchthäusern kaserniert und der Arbeit zugeführt.
- Gründung zahlreicher Zucht-, Armen-, Irren- und Waisenhäuser unter einem Dach mit Arbeitszwang und Umerziehung (Disziplinierung der Insassen): Gründung des Mannheimer Zuchthauses 1748/49
- Finanzierung des Zuchthauses aus Strafgeldern für kleinere Vergehen und Sonderabgaben auf Finanz- und Immobiliengeschäfte (Disziplinierung der Bevölkerung)
- Einnahmen durch Bußgelder waren unzureichend, Produktionserlöse des Zuchthauses ebenso. Grund: Der Bußgeldkatalog konnte von lokalen Behörden nicht wirklich durchgesetzt werden.
- Nach dem Übergang Mannheims an Baden Beibehaltung der Abgaben, die Mittel werden jedoch zur allgemeinen Armenunterstützung verwendet. Die Armenfürsorge vor Ort gelangt aus der kirchlichen in die Kompetenz der bürgerlichen Gemeinden.
Fazit: Staatliche Armenfürsorge durch Arbeit im Zuchthaus erweist sich in sozialpädagogischer wie auch ökonomischer Hinsicht als wenig effektiv. Das als Einheit konzipierte Konzept des "Zuchthauses" aus Vorbeugung und Verwahrung, Strafe und Resozialisierung scheitert an der mangelnden Durchsetzungsfähigkeit der Behörden, die dafür notwendigen Mittel über einen die ständische Gesellschaftsordnung stützenden Strafgeldkatalog einzutreiben. Die beabsichtigte doppelte Sozialdisziplinierung der Bevölkerung durch Normenkontrolle der Standesregeln und die Erziehung und Resozialisierung der Zuchthausinsassen überlebte sich in den ersten Jahrzehnten des 19. Jahrhunderts.
Mehr Informationen: Aufsatz in D 1
Zeittafel zu
Maßnahmen staatlicher Armenpflege in der Kurpfalz und in angrenzenden Territorien
um 1590
Johann Casimir, Pfalzgraf und Administrator der Kurpfalz, errichtet einen "Notspeicher" zur Versorgung der Bevölkerung in Krisenzeiten und erhebt dafür Abgaben (Notspeicherfundus).
ab 1700
Gründung zahlreicher zentraler Zucht- und Arbeitshäuser in den Reichsterritorien
1714/18
Markgraf Karl Wilhelm erichtet in Pforzheim ein Waisen-, Toll-, Kranken-, Zucht- und Arbeitshaus.
1748
Gebührenverzeichnis für den neu eingerichteten Landesfundus in der Kurpfalz auf der Grundlage des alten Notspeicherfundus (siehe T 1 )
1748/51
Bau des Zucht-, Arbeits-, Irren- und Waisenhauses in Mannheim (Standort: im heutigen Quadrat Q 6, keine baulichen Reste mehr vorhanden)
1755
Befehl an die pfälzischen Oberämter, den "Bußgeldkatalog" zu beachten und besser durchzusetzen (siehe T 2)
1766
Zucht- und Waisenhaus Bruchsal
1781
Erneuerung und Erweiterung der "Rubriquen" der Landesfundi-Gebühren
1803/1809
Das kurzlebige Fürstentum Leiningen und das Großherzogtum Baden übernehmen das um die Hälfte der Positionen verkleinerte Gebührenverzeichnis zur Finanzierung der Armenunterstützung und zur Unterhaltung der "Zucht-, Corrections- und Irrenhäuser" im Lande.
Strafgelderkatalog der Regierung zur Unterstützung des Mannheimer Zucht- und Waisenhauses vom 29.07.1748 (Titelseite)
© Stadtarchiv Eberbach